Sachsen:Oma und Opa trampen jetzt

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In dem sächsischen Örtchen Ebersdorf gibt es seit drei Wochen eine Mitfahrbank. (Foto: Privat)

In einem 1000-Einwohner-Dorf in der sächsischen Oberlausitz fahren so gut wie keine Busse mehr. Mitfahrbänke sollen Abhilfe leisten.

Von Nadine Funck

Man kennt das Bild von früher, von den Autofahrten mit den Eltern in den Familienurlaub. Menschen, die an Autobahnauffahrten am Straßenrand standen. Rucksack, Outdoor-Kleidung, verwegenes Haar, den Daumen herausgestreckt oder ein selbstgemaltes Pappschild in den Händen, auf dem das Ziel der Reise stand. Tramper - das war die Inkarnation des Weltreisenden und des wilden Abenteuers.

Man kennt aber auch die mahnenden Worte der Mutter: "Trampen ist viel zu gefährlich. Bitte steigt nie zu einer fremden Person ins Auto", sagte sie, während wir uns von der Rückbank des Familienautos ans andere Ende der Welt träumten.

Irgendwann verschwanden die Weltenbummler aus dem Straßenbild. Mitfahrgelegenheiten kamen auf, dann Carsharing und Fernbusse.

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Jetzt ist das Trampen zurück - zum Beispiel in Ebersdorf, einem 1000-Einwohner-Dorf in Sachsen. Statt Weltenbummlern aber warten dort Rentner mit ausgestrecktem Daumen darauf, von Autofahrern aufgegabelt und mit in die nächste Stadt genommen zu werden. Busse fahren hier nämlich so gut wie keine mehr.

An den verwaisten Haltestellen stehen seit drei Wochen sogenannte Mitfahrbänke, auf denen all jene warten können, die zum Einkaufen oder für Arzttermine doch mal in die Stadt müssen.

Ein Schulbus hin, einer zurück. Der restliche Nahverkehr: eingestellt

Es ist ein Problem, das sich in vielen Gegenden Deutschlands zeigt. Immer mehr Menschen ziehen in die Stadt, für die verbliebene Landbevölkerung gibt es immer weniger Infrastruktur. Mitfahrbänke gibt es deshalb auch in kleinen Ortschaften in Oberbayern, Norddeutschland oder in der Eifel.

"Als ich im Fernsehen einen Bericht über eine Mitfahrbank in Norddeutschland gesehen habe, habe ich sofort gedacht, dass das perfekt für uns wäre", erklärt Andreas Förster, Ortsvorsteher in Ebersdorf. "Unser Busverkehr beschränkt sich inzwischen auf den Schulverkehr, so dass man ohne Auto keine Möglichkeit mehr hat, in die Stadt nach Löbau zu kommen."

Löbau ist die nächstgrößere Kreisstadt. 15 000 Einwohner, drei Kilometer entfernt. Morgens fährt ein Schulbus von Ebersdorf nach Löbau, nachmittags einer zurück. Der restliche Nahverkehr in Ebersdorf: eingestellt.

Schnell sei er im Stadtrat und bei Bewohnern auf Zustimmung gestoßen. Durch einen Kuchenverkauf habe man das nötige Geld aufbringen können, so dass das Projekt rasch umgesetzt werden konnte. An der Bushaltestelle Ebersdorf-Nußbaum hängt nun nicht nur ein orangefarbenes Schild, das auf die Mitfahrbank hinweist, sondern auch eine Anleitung, die Tramper darüber aufklärt, wie das Ganze funktionieren soll. "Hinsetzen, warten und ein wenig hoffen, dass ein guter Autobesitzer anhält und Sie mit in die gewünschte Richtung mitnimmt", heißt es da.

Das Problem: Zurückkommen

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Ist "Trampen 2.0", wie es die Ebersdorfer nennen, also nur eine Option für Rentner? "Sicherlich ist das erst einmal für Leute gedacht, die ohne Zeitdruck in die Stadt wollen", sagt Förster. Es könne schon vorkommen, dass man etwas länger warten müsse oder tatsächlich niemand anhalte. "In solchen Fällen sage ich dann aber immer: Besser gut gesessen als schlecht gelaufen."

Das Zurückkommen sei noch ein Problem. Zwar würden viele der wartenden Bürger mit in die Stadt genommen. Doch wer sich für den Rückweg nicht wieder verabrede, müsse später eben doch auf den einen Bus warten.

Nichtsdestotrotz würden die Bänke so gut angenommen, dass inzwischen zwei weitere Bänke geplant seien. Dass mancher Bedenken hat, sich in das Auto eines Fremden zu setzen, kann Förster verstehen. "Aber im Dorf kennen wir uns ja. Beim Trampen traut man sich eben nicht nur was, man vertraut sich auch."

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