Süddeutsche Zeitung

Rope Skipping:Fesselspiele und Kindheitserinnerungen

Lesezeit: 4 min

Stahlseile werden zur Peitsche und Striemen zieren den Rücken: Rope Skipping ist mehr als Seilspringen. Viel mehr.

Julia Häglsperger

"Und jetzt?", frage ich die Frau im Sportdress, auf dem in großen, weißen Lettern JUMP steht. "Na, springen", sagt sie und schon höre ich nur noch ihr Seil, das mit einem Wusch die Luft durchschneidet, die großen Buchstaben auf ihrer Brust verschwimmen. Die dicke Kordel mit Holzgriffen, mit der man früher Seil sprang, ist sowas von gestern! Heute benutzt man neonfarbene Kunststoffseile und geht damit zum Rope Skipping. So heißt Seilspringen heute.

Los geht es mit dem Sprung, mit dem man sich früher im Hinterhof die Zeit vertrieb. Beim Easy Jump läuft man ganz normal und schwingt dabei das Seil - nur macht man das Ganze doppelt so schnell. Pro Seildurchschwung kommt ein Fuß auf dem Boden auf und man selbst immer mehr aus der Puste.

Nach kurzem Probieren klappt es zwar bereits ganz gut, allerdings schlägt das Herz jetzt schon bis zum Hals. Ein Blick auf die Turnhallen-Uhr am Wettersteinplatz verrät, dass erst zwanzig Minuten vergangen sind. Folgen noch siebzig.

Da kommt es gerade recht, dass ein Teil der Gruppe nun zum "Speedlaufen" übergeht und zum Glück auch jemand zum Zählen der Sprünge abgestellt wird - eine willkommene Pause zum Verschnaufen. Trainerin Sylvia Kramhöller legt eine CD ein: "Judges ready, skippers ready, set, go", schallt es aus den Boxen.

Dann springt die Hälfte der kleinen Rope-Skipping-Gruppe des TSV Turnerbund München los, die andere Hälfte zählt. Von draußen muss es sich anhören als würde gerade eine Elenfantenhorde durch die Turnhalle laufen.

Nichts für Wellness-Sportler

Geistig komme ich jetzt voll auf meine Kosten, denn meine mir zugeteilte Springerin wirbelt nur so durch die Luft. Das Seil ist fast gar nicht mehr zu sehen, das Zählen wird zum Schätzspiel. Jetzt bin ich an der Reihe, mein Ehrgeiz ist geweckt.

Die Stimme ertönt aus den Boxen, das Adrenalin steigt: "Set, go!" Ich springe, was das Zeug hält, immer wieder verheddere ich mich aber in meinem pinkfarbenen Seil. Statt eleganter Sprünge also Fesselspiele. Nach eineinhalb Minuten bin ich schon wieder außer Puste, an meinen Beinen läuft bereits jetzt der Schweiß in kleinen Rinnsalen hinab. Rope Skippen ist definitiv nichts für Wellness-Sportler.

Rope Skipping ist mehr als Seilspringen

Anfang der achtziger Jahre organisierte der Lehrer Wolfgang Westrich einen Schüleraustausch nach Amerika. Als er dort wie wild springende Schüler sah, hatte er die Idee, Rope Skipping auch in Deutschland bekannt zu machen, im Kampf gegen die jugendliche Bewegungslosigkeit.

Vereinzelt wurde sie zwar in Vereinen und Turngruppen umgesetzt, erst zehn Jahre später aber nahm der Deutsche Turnerbund den Newcomer-Sport ins Programm auf. Heute finden sogar Wettkämpfe im Rope Skipping statt.

In diesen Wettkämpfen treten die Skipper in verschiedenen Kategorien gegeneinander an: dem Speedlaufen, dem Double Dutch und dem Wheel. Während man im Speedlaufen auf sich allein gestellt ist, ist in den anderen zwei Disziplinen Teamwork gefragt. Beim Double Dutch schwingen zwei Seilschläger, die sich gegenüberstehen, zeitversetzt zwei lange Seile. Ein Akteur springt in den Seilen und kann sein Können zeigen - von schnellem Laufen bis hin zum Sprung in den Handstand.

Beim Wheel bilden mehrere Skipper eine Kette, indem sie je einen Griff ihres Seils an den linken und rechten Nachbarn weitergeben. Im Springen lassen sich dann Tricks wie Drehungen oder Platzwechsel realisieren.

Sado-Maso-Spiele in der Turnhalle

Wie beim Eiskunstlaufen so gibt es auch beim Rope Skipping neben der Pflicht die Kür. Beim Freestyle führt jeder Springer eine Kombination von Tricks vor - und der Zuschauer staunt, was man alles mit einem Seil anstellen kann.

Auch davon kann ich mich in der kleinen Turnhalle überzeugen. Ein paar der Teilnehmer wirbeln mit ihrem Seil nur so durch die Luft, springen dabei in den Handstand und in den Liegestütz. Teilweise springen die Skipper auch mit einem Stahlseil, da damit noch schnellere Jumps möglich sind. Innerhalb eines Sprunges kann man das Seil dreimal unter seinen Füßen durchschwingen - oder man kann sich ziemlich weh tun dabei.

Nach dem Versuch, wenigstens den Double Under hinzubekommen, also zwei Seildurchschläge pro Sprung, befürchte ich, beim nächsten Schwimmbadbesuch der Sado-Maso-Spiele verdächtigt zu werden, weil sich das Seil allzu oft mit Schwung an die falsche Stelle verirrt und Peitschenhiebe auf meinen Rücken prasseln. Es ist ein schmaler Grat zwischen Sport und Selbstgeißelung, aber das weiß man ja.

Die Skipperin neben mir lacht und meint, wir könnten ja zwischendurch mal beim Long Rope entspannen. Seil springen und entspannen - das hört sich nach der ersten Rope-Skipping-Erfahrung eher paradox an, aber da ist es plötzlich - das gute alte, dicke Seil, wenn auch nicht aus braunem Hanf, sondern aus weiß-blauer Kordel.

Während zwei Mitsportler also das ungefähr fünf Meter lange Seil schwingen, springe ich auf und ab. Sofort ist man wieder in seine Kindheit versetzt, als man mit fliegenden Zöpfen zwischen Mama und Papa seine Sprünge probte. Natürlich wird aber auch beim Long Rope das Tempo schnell erhöht. Drehungen oder ein zweiter Skipper kommen hinzu, oder aber sogar das gefürchtete Kunststoffseil mit dem man im Long Rope wiederum Seil springt. Als ich das versuche, lande ich erneut ganz schnell von den Kindheitserinnerungen bei den Fesselspielen.

Springen, vorbeischwingen, kreuzen

Trainerin Sylvia lobpreist den Effekt des schweißtreibenden Sportes: "Zehn Minuten Seilspringen bringen den gleichen Trainingseffekt wie dreißig Minuten Dauerlauf", erklärt sie. Gleichzeitig stärkt man beim Seilspringen Herz und Kreislauf, trainiert die Koordinationsfähigkeit, fördert Beweglichkeit und Rhythmusgefühl und strafft die Muskulatur.

Durch den schnellen Erfolg macht das richtig Spaß. Auch bei mir nimmt das Rope Skipping nach einer hüpfend verbrachten Stunde langsam Form an. Gekonnt absolviere ich drei Easy Jumps, einen Side Swing, bei dem das Seil am Körper vorbeigeschwungen wird, und gehe dann in den Criss Cross über, bei dem man die Arme vor dem Körper überkreuzt. Springen, vorbeischwingen, kreuzen - fertig. Verschwitzt und glücklich stehe ich meinen ersten Rope-Skipping-Trick. Wäre auf meinem Sportdress JUMP gestanden, hätten die anderen Skipper vielleicht schon leichte Schwierigkeiten beim Entziffern gehabt.

In München gibt es zwei Vereine, in denen man Rope Skipping ausprobieren kann. Die Rope-Skipping-Gruppe des TSV Turnerbund München trainiert immer montags von 19:30 bis 21 Uhr in der Fromundstraße 1. Im TSV Waldtrudering treffen sich Einsteiger jeden Montag um 15:30 Uhr im Vereinsheim im Rotkehlchenweg 2.

Weitere Informationen beim Deutschen Turnerbund.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.518947
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/jüsc/bilu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.