Rolle der Frau in Italien:Brave Bikinimädchen

Die italienische Renaissance erfand einst die Figur der stolzen, rätselhaften Schönheit. Unter Berlusconi werden Frauen als willenlose Püppchen verhöhnt.

Kia Vahland

"Dieser italienische Pavillon hätte auch Berlusconi gefallen", lobte der römische Kulturminister Sandro Bondi bei seinem Rundgang über die Kunstbiennale von Venedig. Und da hat er wohl recht. Gleich im Eingangsbereich der italienischen Säle schwingen süßliche Stripperinnen ihre Beine.

berlusconi; AP

So wie sich der Landesvater am liebsten sieht: Berlusconi umringt von scheinbar ergebenen Frauen.

(Foto: Foto: AP)

Lila Licht, Federboa, die Figuren sind nur von den Stöckelschuhen bis zum Bauchnabel gepinselt. Es folgt eine Installation von Mikrofonen voller Strasssteine. Berlusconis Showwelt ist angekommen im nationalen Kunstauftritt, deren Kuratoren Beatrice Buscaroli und Luca Beatrice schon vorab gegen Arte povera wetterten: Die Kunst der sechziger Jahre aus armen Materialien sei "unserer Kunstgeschichte fremd".

Wenn etwas der italienischen Kunstgeschichte fremd ist, dann ist es das Gebaren des aktuellen Regierungschefs. Seine Art, schöne Frauen mittels Geld und Macht öffentlich zu Püppchen zu degradieren, verhöhnt außer den Betroffenen unter anderen auch Dantes Höllenführerin Beatrice, Petrarcas widerspenstige Laura, Leonardo da Vincis undurchsichtige Gioconda und seine melancholische Ginevra de' Benci.

Die italienische Literatur und Kunst des ausgehenden Mittelalters und der Renaissance verdankt ihren Weltruhm vor allem solchen großen, vielschichtigen weiblichen Figuren. Undurchdringliche Frauengestalten, die mit ihrem Eigensinn verführen und sich dann wieder ins Reich der Kunst entziehen. Frauen, die nicht lieb sind, aber so liebenswert, dass ein Mann sich verletzlich zeigen kann und so seinen Stoff findet für Gedichte und Gemälde.

Das war einmal die - männliche! - Imagination südlich der Alpen. Sie brauchte ein ihr würdiges Gegenüber und fand es in der ebenfalls komplexen Figur der rätselhaften Frau. In der Renaissance führte das in Venedig dazu, dass etliche Kurtisanen Petrarcas "Canzoniere" auswendig lernten, um ihren Marktwert zu steigen.

Es galt, die rein ökonomische Beziehung von Freier und Prostituierter zu verschleiern - also musste eine Hure wenigstens so tun, als sei sie so kompliziert wie Petrarcas Laura. Und in den besseren Kreisen verehrten Mitte des 16. Jahrhunderts Maler und Literaten gerne adelige, keusche Witwen wie Vittoria Colonna, die selbst dichteten und sich am intellektuellen Diskurs beteiligten.

Natürlich ging es den Frauen in dieser Zeit deshalb nicht besser als anderswo. Die realen belle donne waren in der Regel entrechtet, wurden zwangsverheiratet, hatten kaum Erbansprüche. Aber in der kollektiven Phantasie galten sie keineswegs als willenlose Geschöpfe, sondern ihnen kam ein gewisser Subjektstatus zu - was etwa Leonardo feixen ließ über die hilflosen Kunstbetrachter, die der emotionalen Kraft seiner femininen Figuren ausgeliefert waren.

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Bestechung, wenn nicht gar Erpressung

Bestechung oder gar Erpressung?

Jacob Burckhardt staunte später über die italienische Frauenverehrung, die gerade den Stolzen, Unwilligen galt. Und noch in der italienischen Populärkultur, im Kino und in den canzoni der Liedermacher, aber auch im Alltag wirkte bis vor kurzem etwas von diesem besonderen Geschlechterverhältnis nach. Selbst die größten Muttersöhnchen und Aufschneider lernten früh, dass sie ohne Respekt nicht weit kommen.

Damit ist es offenbar vorbei. Das italienische Fernsehen eifert seit Jahren dem Geschlechterverständnis seines Herrn nach: faltige, joviale Moderatoren im hochgeschlossenen Anzug werden von braven Bikinimädchen angehimmelt. Alles, was die Herren zu bieten haben, ist Prominenz und Geld. Dieser Tausch beruht auf Bestechung, um nicht zu sagen: Erpressung.

Denn welche Chance hat eine knapp 18-Jährige wie Noemi Letizia, die von früh auf mit der Bildwelt Berlusconis zugedröhnt wurde und dann plötzlich einen Anruf vom Regierungschef bekam, weil der ihre Bewerbungsmappe an eine Modellagentur abgefangen hatte? So erzählt es jedenfalls in italienischen Zeitungen Noemis Exfreund, dessen Beziehung demnach über solche Anrufe und den Folgen zu Bruch ging. Es heißt, Berlusconi habe der jungen Frau eine politische Karriere versprochen.

Und wenn nicht dieser, dann anderen. Zuletzt im Europawahlkampf hätte Berlusconi am liebsten alle Kandidatinnen bei Big Brother & Co. rekrutiert. Sie sollen ihn schmücken, so wie es in dieser Weltsicht offenbar der einzige Daseinszweck gutaussehender Frauen ist, die angebliche Potenz des Landesvaters öffentlich zu belegen. Das Problem ist nur, dass dieses Spektakel, die schamlose Inszenierung von Machtmissbrauch auf Kosten junger Frauen, sich langsam in das visuelle Gedächtnis des Landes frisst.

So verrohen noch die Manieren und es verroht auch das Selbstverständnis als Kunstnation. Der italienische Pavillon der Kunstbiennale ist ein erstes Warnzeichen - vor zwei Jahren war hier noch eine medienkritische Arbeit Francesco Vezzolis zu erleben. Werden 2011 in Venedig die blankgeputzten Bronzen nackter Frauen ausgestellt, die man jetzt zwischen den lebendigen Bikinimädchen auf den Paparazzo-Fotos aus El País von Berlusconis Villa in Sardinien sieht?

Zu guter, da hellsichtiger Kunst hat Silvio Berlusconi jedenfalls ein gespaltenes Verhältnis. Vor einem Jahr ließ er den nackten Busen auf einer Tiepolo-Reproduktion verhüllen, vor der er fotografiert werden sollte. Das Problem war vermutlich weniger die Nackte als der Greis, der sie auf dem Bild umarmt: Er versinnbildlicht bei Tiepolo die Zeit und damit die Sterblichkeit auch jener alten Männer, die sich an jungen Frauen festhalten.

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