Süddeutsche Zeitung

Rolf Zuckowski wird 60:Die singende Nervensäge

Lesezeit: 3 min

"Hallo Mama, hallo Papa" in der Endlosschleife. Das kann Familien spalten. Im Interview muss sich Rolf Zuckowski deshalb immer denselben Vorwurf gefallen lassen: Diese Musik nervt.

Interview: Titus Arnu

Für die einen ist Rolf Zuckowski einer der größten Kinderzimmer-Stars, für die anderen ein unsäglicher Heile-Welt-Poet. Der Hamburger Sänger hat die "Vogelhochzeit" neu vertont und den Kindergarten-Klassiker "Wie schön, dass du geboren bist" gedichtet. Zuckowski, der am Samstag 60 Jahre alt wird, hat gerade ein Album mit seinen 100 beliebtesten Songs veröffentlicht. Lieder wie "Stups, der kleine Osterhase" oder "Du da im Radio" können aber auf längere Sicht Familien emotional spalten. Denn spätestens nach der zwanzigsten Wiederholung nervt diese Musik.

SZ: Herr Zuckowski, Kinder können gar nicht genug kriegen von Ihren Liedern, Eltern sind leicht genervt von den ständigen Wiederholungen. Können Sie das erklären?

Zuckowski: Zunächst mal kann ich das gar nicht bestätigen, weil die stärkste Resonanz auf meine Musik von den Eltern kommt. Meine Post, mein Internet-Gästebuch, die Reaktionen meines Publikums bei den Konzerten sind Zeugnisse des Gegenteils von dem, was Sie sagen. Eltern mögen meine Musik sehr gerne.

SZ: Kinder können gar nicht genug kriegen von Ihren Liedern, Eltern sind leicht genervt von . . .

Zuckowski: Haben Sie das nicht gerade schon mal gefragt?

SZ: Herr Zuckowski, ich habe mit meinen beiden Kindern gefühlte 40.000 Mal Ihre "Vogelhochzeit" hören müssen. Mit Verlaub, aber vielleicht sollten Sie sich zuletzt über Wiederholungen beschweren.

Zuckowski: Na gut, Kinder können mit Ihrem Bedarf an Wiederholungen schon nerven, das gebe ich zu. Ich habe mit meinen Kindern auch viele Reisen gemacht und während der Fahrt immer wieder die gleichen Lieder und Fragen gehört, das war oft eine Herausforderung. Aber ich habe es geschafft, sie ständig auf neue Ideen zu bringen. Und ich habe immer einen Weg gefunden, mit den Wiederholungen aufzuhören, wenn es mir keine Freude mehr gemacht hat.

SZ: Kinder können gar nicht genug kriegen von Ihren Liedern . . .

Zuckowski: Jaja. Auch wenn Sie schon wieder die gleiche Frage stellen - ich versuche mal, anders zu antworten. Ich habe gerade eine Arbeit eines Kinder- und Jugendpsychiaters gelesen über Lieder in der Musiktherapie. Er hat geschrieben, dass Kinder Wiederholungen brauchen, weil sie in einer Welt ständig wechselnder Eindrücke einen Halt geben, ein inneres Zuhause. Gerade, wenn sie unterwegs sind, etwa bei einer langen Autofahrt. Darin drückt sich auch ein Wunsch nach Geborgenheit aus.

SZ: Sie haben mehr als 40 CDs eingespielt, Ihr Repertoire umfasst Hunderte von Liedern, aber sie klingen alle irgendwie gleich. Es ist ja so: Kinder können gar nicht genug kriegen von . . .

Zuckowski: Ja! Ich weiß! Aber auch Erwachsene lieben ganz bestimmte Lieder und hören sie immer wieder. Diese kindliche Sehnsucht nach Beständigkeit bleibt irgendwie erhalten, deshalb haben Sie bestimmt auch Ihre Lieblingslieder. Aber bei Kindern kann das zum Übermaß werden, das ist mir nicht fremd. Wenn Jugendliche ihre Tokio Hotel-Hits zum tausendsten Mal hören, können die Eltern natürlich nichts ausrichten, wenn sie vorschlagen: Lass uns doch lieber etwas gemeinsam singen!

SZ: Mein Sohn würde jetzt sagen: Nochmal! Nochmal! Ich frage also: Kinder können gar nicht genug kriegen von Ihren Liedern . . .

Zuckowski: Ich bin kein Psychologe, aber ich glaube, dass wir uns mit Wiederholungen immer wieder selbst erproben. Varianten machen Spaß. Kinder spüren, dass sie durch Wiederholungen etwas lernen können.

SZ: Erwachsene leider auch. Meine Frau und ich werden den Text von "Hallo Mama, hallo Papa" bestimmt nie wieder vergessen. Oder von "Papi, wach auf". Ich wiederhole deshalb nochmal die Frage: Kinder können . . .

Zuckowski: Ich glaube, Sie wollen testen, bei der wievielten Wiederholung ich ungnädig reagiere! Aber da können Sie lange weiterfragen, ich bin ein sehr gutmütiger Mensch. Man sagt mir nach, dass ich sehr viel Geduld habe. Es sei denn, gut durchdachte Zeitpläne auf einer Tournee werden nicht ernst genommen, dann kann ich unangenehm werden. Ausrasten würde ich das nicht nennen, aber manchmal werde ich schon wütend . . .

SZ: Sorry, kein Mitleid.

Zuckowski: Nochmal: Aus meiner Sicht stimmt das gar nicht mit den Wiederholungen. Ich habe bei 255 Konzerten mein Publikum abstimmen lassen, und bei dieser Wahl sind 303 verschiedene Lieblingslieder genannt worden. Das ist doch sehr vielfältig!

SZ: Was? Können Sie das noch einmal erklären, bitte?

Zuckowski: Na gut. Ich versuche es noch einmal mit anderen Worten. Kennen Sie Kleists Novelle vom Puppenspieler? Da geht es genau um dieses Thema: Wenn ich erklären könnte, warum meine Lieder bei Kindern gut ankommen, dann würden sie vielleicht ihren Zauber verlieren. Deshalb will ich das gar nicht so genau erklären können. Übrigens war ich beim Schreiben der Lieder immer bei meinen Kindern - und bei dem Kind, das ich mal war, so gut ich dem noch nachspüren konnte. Vielleicht hat das den Liedern das Besondere gegeben.

SZ: Kinder können gar nicht . . .

Zuckowski: Okay, eine Antwort kriegen Sie noch. Ich glaube, dass Kinder weniger als Erwachsene von Trends geprägt sind. Sie sind das ehrlichste Publikum. Wenn sie etwas mögen, dann mögen sie es. Deshalb nehme ich es als großes Kompliment, wenn Kinder meine Lieder immer wieder hören und singen wollen.

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Quelle:
SZ vom 9.5.2007
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