Es war nicht sehr ersprießlich, ein Bart zu sein in Hollywood, in der klassischen Studiozeit. Ein undankbarer Job. Der Slangausdruck beard bezeichnet jene Menschen, die hilfreich sind, bei einem Star einen korrekten Eindruck beim Publikum zu machen, vor allem was die sexuelle Neigung angeht. Eine Menge falscher Bärte brauchte auch Rock Hudson, der Topstar der Fünfziger und Sechziger, Inbegriff amerikanischer Männlichkeit, empfindsamer Liebhaber der Leinwandfrauen, der in Wirklichkeit jedoch Männer begehrte. Diverse Frauen wurden ihm zur Seite gestellt, um stargerechte "Normalität" zu suggerieren, saßen bei Filmpremieren in der ersten Reihe, die geliebten Männer mussten verschämt in die hinteren Reihen. Traurig und fies erscheint heute, wie damals der Anstand gewahrt, das Geheimnis gehütet wurde, aber ein Outing war absolut nicht denkbar. Starsein war eine closeted existence, das hieß, das wahre Leben blieb im Schrank. Die Wahrheit über Hudsons Homosexualität wurde erst 1984 bekannt, er hatte Aids und starb ein Jahr darauf an den Folgen.
Der Mann, der Rock Hudson unter diesen Bedingungen zum Star machte, und viele andere junge Männer auch, war bestens vernetzt und verstand sein Geschäft: der berüchtigte Hollywood-Agent Henry Willson. Er sah gleich das Potenzial, das in Rock steckte, der damals noch Roy Harold Scherer Jr. hieß und von zu Hause wegwollte.
Hudson musste tiefer sprechen
Willson gab ihm alles, was er brauchte: einen neuen Namen, einen neuen Körper, eine neue Dynamik, eine Karriere. Vor zwei Jahren hat Mark Griffin in einer neuen Hudson-Biografie die vertrackte Geschichte zwischen Hudson und Willson noch einmal ausführlich dargestellt, und wie Homosexualität gehandhabt wurde in Hollywood: "All That Heaven Allows", so hieß auch einer von Rocks erfolgreichsten Filmen.
Henry Willson ließ Rocks Zähne auf seine Kosten korrigieren, sorgte für Rocks Garderobe, schickte ihn zum Schauspiel- und Singunterricht, mit einem Ex-Opernsänger. Rock musste seine Manierismen ablegen, auf männlichere Weise mit Zigaretten hantieren, mit tieferer Stimme sprechen. "The acting can be added later."
Willson war ein Profi, er hatte "the original queer eye for the straight guy", konstatierte Robert Hofler in seiner Willson-Biografie "The Man Who Invented Rock Hudson: The Pretty Boys and Dirty Deals of Henry Willson". Zu den pretty boys zählten auch Guy Madison, Tab Hunter, Chad Everett, Robert Wagner, Troy Donahue, Rory Calhoun. Sie alle mussten - diese perfide Hollywood-Praxis ist durch die MeToo-Debatte publik geworden - sich darbieten auf Willsons Casting Couch für Männer. Sogar Alain Delon war Kandidat dafür, den Willson 1957 in Cannes sah und für Hollywood gewinnen wollte.
Zum Star wurde Rock Hudson, nach einer Reihe von Abenteuerfilmen und Western, durch die Melodramen, die er in den Fünfzigern mit Douglas Sirk machte, "Magnificent Obsession" und "All That Heaven Allows". In "Giganten" spielte er dann neben Elizabeth Taylor und James Dean - und gern wurde kolportiert, Taylor und Hudson hätten beim Dreh gewettet, wer von beiden den kapriziösen Jimmy eher ins Bett kriegen würde. In den Sechzigern erlebte Hudson dann mit Doris Day den ganz großen kratzbürstigen Komödienerfolg, mit "Bettgeflüster".
Hollywood war sehr gut in der Kunst des Weghörens
Willson gilt als der Erzschurke in dieser Erfolgsgeschichte. In der dritten Folge der Netflix-Serie "Hollywood" tauchen Willson und der junge Hudson auf. "Willson war ein fantastischer, verrückter Typ", erzählte Regisseur Ryan Murphy dem Branchenblatt Variety. "Ein Alkoholiker. Er trank Crème de Menthe, war mit der Mafia verstrickt ... Und er fand diese jungen Typen, die fast alle aus schrecklichen familiären Situationen kamen - kaputte Ehen, abwesende Väter - und machte sie zu seinen Klienten. Er war ein gequälter schwuler Mann, der sich über gequälte schwule Männer hermachte." In den Sechzigern ging Willson kaputt, psychisch und finanziell, und Hudson trennte sich von ihm.
Natürlich war es nicht ganz so schwierig, ein derartiges Doppelleben zu managen. Hollywood war klatschsüchtig, prüde und hellhörig, aber auch sehr gut in der Kunst des Weghörens. Geheimnisse waren zumindest halb offen, Doppeldeutiges und Anzügliches gehörten zum Geschäft. Man ergötzte sich an Fake News. Auch die Presse spielte mit, um das Bild von Hollywood nicht zu beschädigen. "Fans drängen den 29-jährigen Rock Hudson", schrieb Life, "zu heiraten - oder zu erklären, warum nicht ..." Nur das fiese Klatschblatt Confidential drohte 1955 mit einem dreisten Enthüllungsbericht. Henry Willson opferte zwei seiner pretty boys, um sein bestes Pferd im Stall zu halten, er machte einen Deal und Confidential meldete genüsslich, dass Rory Calhoun mal in einen Raubüberfall verwickelt war und im Knast gesessen hatte, und Tab Hunter mal verhaftet wurde auf einer dubiosen Männer-Pyjama-Party. Die Hudson-Story wurde fallen gelassen. Und Rock heiratete Willsons Sekretärin Phyllis Gates. Drei Jahre später ließ sie sich scheiden.
Auf der Leinwand war der Schrank immer offen, mehr als einen Spalt, ein anzüglicher Subtext durchzieht die Hudson-Filme. In Sirks "In den Wind geschrieben" verguckt er sich in Lauren Bacall, wird aber von Robert Stack ausgetrickst, seinem Boss, der mit seinen Ölmilliarden protzt - und impotent ist. Ein Impotenter und ein Schwuler kämpfen um eine tolle Frau, und Howard Hawks macht die Demontage perfekt: In "Man's Favorite Sport?" wird Rock von Paula Prentiss und Maria Perschy gnadenlos zerlegt. Er weiß alles übers Angeln und hat den perfekten Ratgeber geschrieben, aber hat noch nie geangelt. Die richtige Praxis geht ihm ab!