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Risiko Alkohol:Ein Gläschen in Ehren

Die einen warnen vor schleichendem Alkoholismus, die anderen sehen im täglichen Schluck Rotwein das beste Mittel gegen einen Herzinfarkt. Wer hat Recht im beliebten Stammtischstreit?

Rotwein schützt vor Herzinfarkt? Weintrinker sind gesünder als Biertrinker? Und: Ein Gläschen am Abend hat doch wohl noch niemandem geschadet? Um die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkohol hat wahrscheinlich schon jeder Stammtisch gestritten. Und sich ergebnislos vertagt.

Der Mediziner sieht da klarer: "Man kann nicht grundsätzlich sagen, dass es eine Grenze für unschädlichen Alkoholkonsum gibt", sagt der Arzt Jens Reimer aus Hamburg, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin in Hamburg.

Die Chemikalie Ethanol - nichts anderes ist der berauschende Stoff in Bier und Wein - sei ein Nervengift. Mit jedem Schluck opfern wir der Genussbefriedigung einige unserer Milliarden Nervenzellen.

Und dass auch die Körperorgane durch die toxischen Effekte des Alkohols und seiner Stoffwechselprodukte angegriffen werden, ist kein Geheimnis. Unbestrittene Langzeitfolgen sind Leberschäden und ein erhöhtes Krebsrisiko. Nicht zu vergessen die Gefahr, durch regelmäßiges Trinken abhängig zu werden.

Raubbau an der eigenen Intelligenz

Generationen von Bier- und Weinfreunden wissen aber auch, dass es immer auf die Dosis ankommt. Den Raubbau an der eigenen Intelligenz und Gesundheit kann sich nur leisten, wer moderat vorgeht.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt, dass Frauen täglich nicht mehr als 20 Gramm Alkohol zu sich nehmen sollten. Männer dürfen mit 30 Gramm etwas mehr trinken. Den WHO-Grenzwert haben Frauen nach rund einem halben Liter Bier erreicht. Bei Wein ist schon nach einem Glas Schluss. Männern gesteht die WHO etwa 0,75 Liter Bier und 0,3 Liter Wein zu.

Wer die Empfehlung der WHO beherzigt, frönt dem sogenannten risikoarmen Alkoholkonsum. "Einen völlig risikofreien Alkoholkonsum gibt es nicht", warnt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in Hamm in einer Broschüre zum Thema. Außerdem ist der Grat schmal, auf dem sich moderate Trinker bewegen: Ab 40 Gramm beziehungsweise 60 Gramm beginnt für Frauen und Männer bereits der gefährliche Konsum.

So wie ein Medikament an verschiedenen Stellen im biochemischen Räderwerk des Körper seine Wirkungen entfaltet - und neben der beabsichtigten Hauptwirkung mehr oder wenige schädliche Nebenwirkungen zur Folge hat - greift auch der "Wirkstoff" Alkohol auf unterschiedliche Weise in den Organismus ein.

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Drei positive Effekte

Und tatsächlich: Neben den hinlänglich bekannten Gesundheitsgefahren gibt es auch gesundheitsfördernde Wirkungen. Alkoholkonsum schützt vor koronaren Herzerkrankungen. Zudem gibt es Hinweise, dass ein bisschen Alkohol auch vor Alzheimer, Thrombosen oder Darmkrebs schützen kann.

"Der Alkohol sorgt für drei Effekte, die günstig für die Vorbeugung von Herzkreislauferkrankungen sind", erklärt der Kardiologe Armin Imhof von der Uniklinik Ulm. Alkohol verändere die Fettwerte im Blut. Vor allem die HDL-Werte - das gute Cholesterin - würden angehoben. Zudem verdünne Alkohol das Blut und habe eine entzündungshemmende Wirkung.

"Die günstigen Effekte sind unabhängig von der Art des Getränkes'', sagt Imhof. Zwar gebe es Hinweise darauf, dass Zusatzstoffe im Wein oder Bier - etwa Polyphenole - auch einen möglicherweise schützenden Effekt haben. "Ich bin aber der Ansicht, dass der deutlichste Effekt am Alkohol liegt."

Welche Schlüsse sollten Herzkranke daraus ziehen? "Es ist völlig klar, dass wir niemandem sagen, trinken Sie Alkohol für Ihr Herz", sagt Imhof. Die DHS stößt ins gleiche Horn: "Es wäre falsch, Alkoholkonsum als prophylaktische Maßnahme gegen koronare Herzerkrankungen zu propagieren", heißt es. Die Risiken, eine andere Krankheit zu erleiden oder abhängig zu werden, seien unvergleichlich höher. Und schließlich kommt es auch hier auf die Dosis an.

Der beste schützende Effekt für das Herz sei bei einem Alkoholkonsum von sechs Gramm pro Tag festgestellt worden, sagt Armin Imhof. Dafür lohnt sich das Öffnen einer Flasche eigentlich nicht.

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dpa/Arnd Petry/mmk
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