Sarah F., Leihmutter: "Ich habe schon früh darüber nachgedacht, Leihmutter zu werden. Dann habe ich erst zwei eigene Kinder bekommen, zwei Jungs, sie sind heute drei und fünf Jahre alt. Ich selbst bin 29. Mein Ex-Mann und ich teilen uns das Sorgerecht. Wir leben beide in der gleichen Stadt in Oklahoma und holen die Kids nach der Arbeit abwechselnd vom Kindergarten ab.
2014 habe ich über eine Freundin von einer Leihmütteragentur in Kalifornien erfahren und mir die Bewerbungsunterlagen zuschicken lassen. Ich wusste ja nicht, ob ich überhaupt in Frage komme. Die Rückmeldung war positiv, aber ich habe gemerkt, dass ich noch nicht so weit bin. Erst zwei Jahre später habe ich mein Profil freischalten lassen.
Die Agentur ist dafür zuständig, die Klienten mit den passenden Leihmüttern zusammenzubringen. Ich bin gläubige Christin, deshalb war mir wichtig, dass es sich um ein heterosexuelles Paar handelt, das selbst keine Kinder bekommen kann. Hier in den USA gibt es viele Leute, die einfach nur keine Schwangerschaft durchmachen wollen und ihr Kind deshalb von einer Leihmutter austragen lassen. Für so etwas würde ich meinen Körper nie hergeben.
Ich habe mich zu dem Schritt entschlossen, weil ich mir ein Leben ohne meine beiden Jungs nicht vorstellen könnte und weil mir Menschen leidtun, bei denen es mit dem Kinderkriegen nicht klappt. Ich selbst werde schnell schwanger und habe meine bisherigen Schwangerschaften als etwas sehr Schönes erlebt. Klar habe ich auch eine Aufwandsentschädigung bekommen. Aber darum ging es nicht. Hätte ich es auch ohne das Geld gemacht? Ja. Ist das Geld ein schöner Nebeneffekt? Natürlich.
Zum ersten Mal habe ich Lilian und Max aus Deutschland in einem Skype-Interview gesehen, das war im November 2016. Wir waren uns sympathisch und dann ging alles ganz schnell. Im Dezember haben wir uns in Kalifornien getroffen, hatten ein paar medizinische Untersuchungen, dann wurde mir die befruchtete Eizelle eingesetzt.
Meine Familie hat sich Sorgen gemacht, ob ich es wirklich schaffen würde, ein Kind neun Monate in mir zu tragen und dann wegzugeben. Trotzdem haben sie mich sehr unterstützt. Ich selbst hatte kein Problem mit der Situation. Ich habe das Baby in meinem Bauch nie als meines betrachtet. Es war immer das von Lilian und Max.
Während der Schwangerschaft sind wir in Kontakt geblieben, haben geskyped oder gemailt. Ich bin froh, dass sie so gelassen waren und mir nicht gesagt haben, was ich essen oder wie oft ich mich bewegen soll. Es gibt eine Klausel im Standard-Vertrag, in dem steht, dass die Eltern des Babys die Leihmutter zum Ernährungsberater oder zum Psychologen schicken können, wenn sie das für notwendig halten. Verrückt, oder? Lilian hat mich lediglich gebeten, nicht zu schwer zu heben, das finde ich normal.
Das Geschäft mit dem unerfüllten Kinderwunsch boomt. Welche Erfahrungen haben etwa eine Leihmutter oder ein Spenderkind mit der Reproduktionsmedizin gemacht? Und müssen wir uns früher mit dem Ende der eigenen Fruchtbarkeit beschäftigen? Lesen Sie hier alle Texte zum Thema.
Vier Wochen vor dem Termin ist plötzlich meine Fruchtblase geplatzt. Ich habe sofort bei Lilian und Max angerufen, sie waren zu dem Zeitpunkt ja noch in Deutschland. 25 Stunden nach dem Anruf kamen sie durch die Tür des Krankenhauses - und konnten noch live im Kreißsaal dabei sein. Die Geburt selbst verlief entspannt und ohne Komplikationen. Die beiden haben die Kleine wie abgemacht direkt zu sich genommen und sind mit ihr in die gegenüberliegende Ecke des Kreißsaals gegangen, um die wichtigen ersten Minuten mit ihr zu erleben. In getrennten Zimmern haben wir uns von der Geburt erholt.
Für die kommende Zeit ist vertraglich festgelegt, dass ich einmal im Jahr um den Geburtstag herum informiert werde, wie es dem Kind geht. Gerade haben wir aber deutlich öfter Kontakt, Lilian und Max haben uns zu sich nach Deutschland eingeladen und wir würden uns freuen, wenn sie mal wieder vorbeikämen. Ich sehe mich nicht als zweite Mutter von Lola. Sollte sie mich irgendwann näher kennenlernen wollen, wenn sie älter ist, bin ich dafür absolut offen. Aber unsere Beziehung wäre dann eher wie die einer Tante zu ihrer Nichte. Lilian ist und bleibt die Mutter.
Nach dieser Erfahrung kann ich mir vorstellen, noch einmal ein Kind für ein Paar auszutragen. Wenn Lilian und Max noch eines wollen, auf jeden Fall. Seit ich mit meinem neuen Freund zusammen bin, denke ich auch darüber nach, noch mal ein eigenes Kind zu bekommen. Das hatte ich zuvor ausgeschlossen. Zuerst mache ich auf jeden Fall ein Jahr Pause. Ein bisschen anstrengend ist so eine Schwangerschaft dann doch."
Claudia Wiesemann, Medizinethikerin: "Über Jahrhunderte wurden Frauen, die keine Kinder bekommen konnten bemitleidet, weil sie etwas Wichtiges nicht erreicht hatten. Dieses Stigma hat sich bis vor kurzem auch auf Eltern übertragen, die sich ihren Kinderwunsch durch einen medizinischen Eingriff erfüllt haben. Das ganze Thema gehörte in die Schmuddelecke.
Glücklicherweise hat sich da einiges getan. Sich assistieren zu lassen, ist mittlerweile ganz normal. Natürlich entsteht dadurch ein gewisser Druck, das, was medizinisch möglich ist, auch umzusetzen. Wer trotz Reproduktionsmedizin immer noch keine Kinder bekommt, wird nun doppelt schief angeschaut."
Gertraud Klemm, Adoptivmutter: "Mein Mann und ich konnten keine Kinder bekommen, aber wir haben uns bewusst gegen eine Kinderwunschbehandlung entschieden. Ich wollte der Natur nichts abtrotzen. Wenn man wie ich als Biologin sieht, wie mühelos sich die Natur fortpflanzt, ist das auch eine Frage des Respektes vor Naturgesetzen. Außerdem gibt es so viele Kinder auf der Welt, die Eltern brauchen. Es gibt nicht das Recht auf eigene Kinder, auf Fortpflanzung der eigenen Gene, aber ich finde, jedes Kind hat das Recht auf Eltern.
Außerdem sind Kinderwunsch-Kinder immer auch Verkaufsprodukte. Die Industrie tut so, als könnte jeder ein Kind bekommen, dabei ist der Preis hoch. Und ich meine damit nicht den finanziellen Preis, ich spreche von den vielen Fehlgeburten, von den körperlichen und seelischen Wunden, die so eine Behandlung einem zufügt. Fast drei Viertel der Frauen haben danach immer noch kein Baby. Darüber wird nur nie gesprochen.
Wir haben zwei schwarze Kinder aus Südafrika adoptiert. Das erste Kind haben wir nach einem halben Jahr bekommen, auf das zweite haben wir sechs Jahre gewartet. Sie sind heute elf und vier. Als Mutter habe ich mich nicht sofort gefühlt, es hat mehrere Monate gedauert. Etwa so lange wie eine Schwangerschaft. Bis ich wusste: Das bleibt jetzt. Die Liebe kommt sehr schnell, aber es dauert, bis man sein Leben angepasst hat. Mein Mann und ich mussten unser Berufsleben von 100 auf 0 zurückfahren. Innerhalb von drei Wochen. So lange hat es gedauert vom Bescheid bis zum Kind.
Die Umgebung hat erst einmal positiv reagiert. Egoistisch fand es eigentlich keiner, dass wir zwei Kinder adoptiert haben. Im Gegenteil: Viele haben uns gelobt, dass wir nur helfen wollen, Gutes tun wollen, haben uns bewundert, dass wir so ein Wagnis eingehen. Das fand ich seltsam, denn eine Schwangerschaft ist doch auch ein Wagnis. Es gibt keine Kontrolle, keinen Qualitätsanspruch an das Kind - ob es nun das eigene ist oder ob es adoptiert wurde.
Gleichzeitig werde ich oft als Mutter zweiter Klasse behandelt: Als jemand, der es nicht geschafft hat, Kinder zu gebären. Als sei Schwangerschaft eine Leistung und ich zu faul oder keine richtige Frau. Mir wird auch unterstellt, die Bindung zu meinen Kindern sei nicht so groß, weil sie nicht leiblich sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ein leibliches Kind noch intensiver lieben könnte; aber wahrscheinlich wäre die Liebe qualitativ anders.
Die Gene werden überschätzt. Die meisten wichtigen Beziehungen, die wir eingehen, haben nichts mit Genen zu tun. Mit dem Mann, mit dem wir Kinder bekommen, sind wir beispielsweise nicht verwandt. Und ich glaube, der Wunsch nach Fortpflanzung hat auch immer etwas mit Eitelkeit und Sicherheit zu tun. Mit Selbstverliebtheit und der Hoffnung auf Unsterblichkeit."