Sarah F., Leihmutter: "Ich habe schon früh darüber nachgedacht, Leihmutter zu werden. Dann habe ich erst zwei eigene Kinder bekommen, zwei Jungs, sie sind heute drei und fünf Jahre alt. Ich selbst bin 29. Mein Ex-Mann und ich teilen uns das Sorgerecht. Wir leben beide in der gleichen Stadt in Oklahoma und holen die Kids nach der Arbeit abwechselnd vom Kindergarten ab.
2014 habe ich über eine Freundin von einer Leihmütteragentur in Kalifornien erfahren und mir die Bewerbungsunterlagen zuschicken lassen. Ich wusste ja nicht, ob ich überhaupt in Frage komme. Die Rückmeldung war positiv, aber ich habe gemerkt, dass ich noch nicht so weit bin. Erst zwei Jahre später habe ich mein Profil freischalten lassen.
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Die Agentur ist dafür zuständig, die Klienten mit den passenden Leihmüttern zusammenzubringen. Ich bin gläubige Christin, deshalb war mir wichtig, dass es sich um ein heterosexuelles Paar handelt, das selbst keine Kinder bekommen kann. Hier in den USA gibt es viele Leute, die einfach nur keine Schwangerschaft durchmachen wollen und ihr Kind deshalb von einer Leihmutter austragen lassen. Für so etwas würde ich meinen Körper nie hergeben.
Ich habe mich zu dem Schritt entschlossen, weil ich mir ein Leben ohne meine beiden Jungs nicht vorstellen könnte und weil mir Menschen leidtun, bei denen es mit dem Kinderkriegen nicht klappt. Ich selbst werde schnell schwanger und habe meine bisherigen Schwangerschaften als etwas sehr Schönes erlebt. Klar habe ich auch eine Aufwandsentschädigung bekommen. Aber darum ging es nicht. Hätte ich es auch ohne das Geld gemacht? Ja. Ist das Geld ein schöner Nebeneffekt? Natürlich.
Zum ersten Mal habe ich Lilian und Max aus Deutschland in einem Skype-Interview gesehen, das war im November 2016. Wir waren uns sympathisch und dann ging alles ganz schnell. Im Dezember haben wir uns in Kalifornien getroffen, hatten ein paar medizinische Untersuchungen, dann wurde mir die befruchtete Eizelle eingesetzt.
Meine Familie hat sich Sorgen gemacht, ob ich es wirklich schaffen würde, ein Kind neun Monate in mir zu tragen und dann wegzugeben. Trotzdem haben sie mich sehr unterstützt. Ich selbst hatte kein Problem mit der Situation. Ich habe das Baby in meinem Bauch nie als meines betrachtet. Es war immer das von Lilian und Max.
Während der Schwangerschaft sind wir in Kontakt geblieben, haben geskyped oder gemailt. Ich bin froh, dass sie so gelassen waren und mir nicht gesagt haben, was ich essen oder wie oft ich mich bewegen soll. Es gibt eine Klausel im Standard-Vertrag, in dem steht, dass die Eltern des Babys die Leihmutter zum Ernährungsberater oder zum Psychologen schicken können, wenn sie das für notwendig halten. Verrückt, oder? Lilian hat mich lediglich gebeten, nicht zu schwer zu heben, das finde ich normal.
Vier Wochen vor dem Termin ist plötzlich meine Fruchtblase geplatzt. Ich habe sofort bei Lilian und Max angerufen, sie waren zu dem Zeitpunkt ja noch in Deutschland. 25 Stunden nach dem Anruf kamen sie durch die Tür des Krankenhauses - und konnten noch live im Kreißsaal dabei sein. Die Geburt selbst verlief entspannt und ohne Komplikationen. Die beiden haben die Kleine wie abgemacht direkt zu sich genommen und sind mit ihr in die gegenüberliegende Ecke des Kreißsaals gegangen, um die wichtigen ersten Minuten mit ihr zu erleben. In getrennten Zimmern haben wir uns von der Geburt erholt.
Für die kommende Zeit ist vertraglich festgelegt, dass ich einmal im Jahr um den Geburtstag herum informiert werde, wie es dem Kind geht. Gerade haben wir aber deutlich öfter Kontakt, Lilian und Max haben uns zu sich nach Deutschland eingeladen und wir würden uns freuen, wenn sie mal wieder vorbeikämen. Ich sehe mich nicht als zweite Mutter von Lola. Sollte sie mich irgendwann näher kennenlernen wollen, wenn sie älter ist, bin ich dafür absolut offen. Aber unsere Beziehung wäre dann eher wie die einer Tante zu ihrer Nichte. Lilian ist und bleibt die Mutter.
Nach dieser Erfahrung kann ich mir vorstellen, noch einmal ein Kind für ein Paar auszutragen. Wenn Lilian und Max noch eines wollen, auf jeden Fall. Seit ich mit meinem neuen Freund zusammen bin, denke ich auch darüber nach, noch mal ein eigenes Kind zu bekommen. Das hatte ich zuvor ausgeschlossen. Zuerst mache ich auf jeden Fall ein Jahr Pause. Ein bisschen anstrengend ist so eine Schwangerschaft dann doch."
Claudia Wiesemann, Medizinethikerin: "Über Jahrhunderte wurden Frauen, die keine Kinder bekommen konnten bemitleidet, weil sie etwas Wichtiges nicht erreicht hatten. Dieses Stigma hat sich bis vor kurzem auch auf Eltern übertragen, die sich ihren Kinderwunsch durch einen medizinischen Eingriff erfüllt haben. Das ganze Thema gehörte in die Schmuddelecke.
Glücklicherweise hat sich da einiges getan. Sich assistieren zu lassen, ist mittlerweile ganz normal. Natürlich entsteht dadurch ein gewisser Druck, das, was medizinisch möglich ist, auch umzusetzen. Wer trotz Reproduktionsmedizin immer noch keine Kinder bekommt, wird nun doppelt schief angeschaut."
Gertraud Klemm, Adoptivmutter: "Mein Mann und ich konnten keine Kinder bekommen, aber wir haben uns bewusst gegen eine Kinderwunschbehandlung entschieden. Ich wollte der Natur nichts abtrotzen. Wenn man wie ich als Biologin sieht, wie mühelos sich die Natur fortpflanzt, ist das auch eine Frage des Respektes vor Naturgesetzen. Außerdem gibt es so viele Kinder auf der Welt, die Eltern brauchen. Es gibt nicht das Recht auf eigene Kinder, auf Fortpflanzung der eigenen Gene, aber ich finde, jedes Kind hat das Recht auf Eltern.
Außerdem sind Kinderwunsch-Kinder immer auch Verkaufsprodukte. Die Industrie tut so, als könnte jeder ein Kind bekommen, dabei ist der Preis hoch. Und ich meine damit nicht den finanziellen Preis, ich spreche von den vielen Fehlgeburten, von den körperlichen und seelischen Wunden, die so eine Behandlung einem zufügt. Fast drei Viertel der Frauen haben danach immer noch kein Baby. Darüber wird nur nie gesprochen.
Wir haben zwei schwarze Kinder aus Südafrika adoptiert. Das erste Kind haben wir nach einem halben Jahr bekommen, auf das zweite haben wir sechs Jahre gewartet. Sie sind heute elf und vier. Als Mutter habe ich mich nicht sofort gefühlt, es hat mehrere Monate gedauert. Etwa so lange wie eine Schwangerschaft. Bis ich wusste: Das bleibt jetzt. Die Liebe kommt sehr schnell, aber es dauert, bis man sein Leben angepasst hat. Mein Mann und ich mussten unser Berufsleben von 100 auf 0 zurückfahren. Innerhalb von drei Wochen. So lange hat es gedauert vom Bescheid bis zum Kind.
Die Umgebung hat erst einmal positiv reagiert. Egoistisch fand es eigentlich keiner, dass wir zwei Kinder adoptiert haben. Im Gegenteil: Viele haben uns gelobt, dass wir nur helfen wollen, Gutes tun wollen, haben uns bewundert, dass wir so ein Wagnis eingehen. Das fand ich seltsam, denn eine Schwangerschaft ist doch auch ein Wagnis. Es gibt keine Kontrolle, keinen Qualitätsanspruch an das Kind - ob es nun das eigene ist oder ob es adoptiert wurde.
Gleichzeitig werde ich oft als Mutter zweiter Klasse behandelt: Als jemand, der es nicht geschafft hat, Kinder zu gebären. Als sei Schwangerschaft eine Leistung und ich zu faul oder keine richtige Frau. Mir wird auch unterstellt, die Bindung zu meinen Kindern sei nicht so groß, weil sie nicht leiblich sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich ein leibliches Kind noch intensiver lieben könnte; aber wahrscheinlich wäre die Liebe qualitativ anders.
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Die Gene werden überschätzt. Die meisten wichtigen Beziehungen, die wir eingehen, haben nichts mit Genen zu tun. Mit dem Mann, mit dem wir Kinder bekommen, sind wir beispielsweise nicht verwandt. Und ich glaube, der Wunsch nach Fortpflanzung hat auch immer etwas mit Eitelkeit und Sicherheit zu tun. Mit Selbstverliebtheit und der Hoffnung auf Unsterblichkeit."
Anke T.*, Klientin einer Kinderwunschklinik: Seit drei Jahren versuchen mein Mann und ich, ein Kind zu bekommen, wir sind beide Mitte dreißig. Mir war es immer sehr wichtig, Kinder zu haben. Ich hätte nie damit gerechnet, dass das vielleicht nicht klappt. Jahrelang verhütet man und dann wünscht man sich ein Baby - und es passiert nichts.
Nachdem wir es längere Zeit erfolglos probiert hatten, ließ mein Mann ein Spermiogramm machen. Die Ärzte sagten uns, dass wir wohl auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen werden, weil etwas mit seinen Spermien nicht stimmt. Das war natürlich ein Schock. Wir sind dann zu einem anderen Arzt gegangen, in eine Kinderwunschklinik. Das Spermiogramm dort zeigte ein anderes Ergebnis. Also ließ ich mich untersuchen. Es wurden Myome bei mir festgestellt, Wucherungen in der Gebärmutter. Diese verhindern, dass sich eine befruchtete Eizelle einnisten kann. Da war klar, dass ich schuld bin an unserer Kinderlosigkeit, wenn man das so sagen kann.
Danach folgte eine Odyssee an Arztbesuchen. Ich ließ mich operieren, um die Myome zu entfernen. Wir probierten es zwei weitere Jahre lang - ohne Erfolg. Schließlich entschieden wir, es doch mit einer künstlichen Befruchtung zu versuchen. Meine Myome waren inzwischen nachgewachsen, also musste ich noch einmal operiert werden. Nun ist mein Körper im bestmöglichen Zustand für eine künstliche Befruchtung, deshalb wollen wir nicht länger warten.
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In Deutschland hat etwa jedes sechste Paar Schwierigkeiten, ohne ärztliche Hilfe ein Kind zu bekommen. Ein Überblick über Behandlungsmöglichkeiten - und ihre Risiken.
Zuerst werden mir bald Hormone gespritzt. Danach werden mir unter Narkose Eizellen entnommen, in einem Reagenzglas befruchtet und anschließend ohne Narkose wieder eingesetzt. Und dann müssen wir hoffen, dass sich ein Baby entwickelt. Diese Behandlung ist sehr teuer, mehrere tausend Euro, noch mehr, wenn es beim ersten Versuch nicht klappt.
Zum Glück stellen mein Mann und ich fest, dass wir auch in dieser Krise ein gutes Team sind. Ich bin froh, dass wir beide eine künstliche Befruchtung nicht für verwerflich halten. Ich könnte ja auch mit jemandem verheiratet sein, der sich das überhaupt nicht vorstellen kann. Trotzdem ist die Situation oft belastend für unsere Beziehung. Man redet immerzu über ein Problem, was man nicht sofort oder möglicherweise gar nicht lösen kann. Das macht traurig. Auch überschattet es unser Sexualleben, weil die Unbekümmertheit verschwunden ist.
Inzwischen sind wir vorsichtiger geworden mit dem Optimismus. Wenn man drei Jahre lang immer wieder Enttäuschungen erlebt, fällt es schwer, zuversichtlich zu sein. Manchmal überlegen wir uns aus Spaß Babynamen. Oder wir denken darüber nach, dass wir vielleicht Zwillinge bekommen. Bei einer künstlichen Befruchtung kann das ja gut passieren. Oft überwiegt aber die Angst, dass es nicht klappt.
Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen werde, wenn ich nie Kinder bekomme, ich will nicht daran denken. Ich hätte mir nie vorstellen können, keine Kinder zu haben. Nun sehen wir überall in unserem Umfeld Schwangere, nur bei uns klappt es nicht.
Andreas Jantke, Kinderwunscharzt: "In den vergangenen Jahren ist die Hemmschwelle deutlich nach unten gegangen, was künstliche Befruchtung angeht. Der Besuch in der Kinderwunschklinik ist quasi en vogue. Das liegt mitunter daran, dass sich die Leute im Internet über ihre Möglichkeiten informieren. Kaum jemand wartet mehr, bis er vom Gynäkologen geschickt wird. Das ist aus unserer Sicht absolut zu begrüßen - die Leute wurden früher oft jahrelang vertröstet.
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Gleichzeitig haben viele Menschen jetzt überzogene Erwartungen an die Reproduktionsmedizin. Wir können nicht jedem helfen und mit zunehmendem Alter wird es auch für uns Kinderwunschärzte schwierig, noch etwas auszurichten. Wir rechnen jeder Patientin vor, wie hoch ihre Wahrscheinlichkeit ist, schwanger zu werden. Bei Frauen, die 44 oder 45 sind, liegt sie in der Regel unter fünf Prozent. Trotzdem gibt es immer wieder Paare, die es dann zumindest noch ein, zwei Mal probieren. An einem gewissen Punkt ist es dann an uns, die Notbremse zu ziehen."
Sunny Müller, Spenderkind: "Ich bin eines von etwa 100 000 Samenspenderkindern in Deutschland. 1979 bin ich in Westberlin gezeugt worden. Als ich zehn Jahre alt war, wurde plötzlich eine Familiensitzung einberufen. Meine Eltern wollten eigentlich warten bis ich 18 bin, aber dann hat sich ein Bekannter von ihnen verplappert. Mein Vater, von dem meine Mutter sich schon lange getrennt hatte, kam extra vorbei. Alle hatten betroffene Gesichter und ich habe richtig Angst bekommen. Meine Eltern haben dann so rumgedruckst, zuerst habe ich gedacht, ich wäre adoptiert worden. Das wäre total schlimm gewesen, ich kannte ja die Fotos von meiner Mutter mit dem dicken Bauch. Ich dachte, das Baby wäre vielleicht gestorben und ich sei der Ersatz.
Als mein Papa endlich erklärt hat, dass er nicht mein biologischer Vater ist, war ich richtig erleichtert. Ich hab die ganze Aufregung nicht mehr verstanden. "Das ist doch kein Ding, ändert sich doch nichts. Du bist doch trotzdem mein Papa", hab ich gesagt. Ich war stolz, dass meine Eltern 2000 Mark für mich bezahlt haben.
All die Jahre habe ich nicht mehr daran gedacht, auch als mein Papa 2004 gestorben ist nicht. Erst als 2013 das Gerichtsurteil kam, dass wir Spenderkinder ein Recht haben zu erfahren, woher wir stammen, wurde ich neugierig. Ich habe noch einmal mit meiner Mutter gesprochen und versucht, den Arzt von damals zu kontaktieren, aber er ist 1994 gestorben. Ich habe dann trotzdem ein langes Schreiben an die Klinik geschickt. Sie haben mir mit einem Standardbrief geantwortet, das hat mich ziemlich ernüchtert.
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Meine einzige Chance, meinen biologischen Vater zu finden, ist, dass er sich als Spender registrieren lässt. Wenn endlich das Gesetz kommt, dass Spender von Unterhaltspflichten befreit werden, macht er das vielleicht. Mir geht es nicht ums Geld, ich will einfach wissen, was das für ein Mensch ist, der mich gezeugt hat. Ich will mit ihm reden und hören wie er lebt, will wissen, ob er eine eigene Familie hat, will erfahren, wie er denkt. Ich brauche keinen Papa-Ersatz, aber ein Stück Identität fehlt mir schon.
Ich selbst will keine Kinder, ich bin fast 37, aber der Wunsch hat sich nie eingestellt. Ich bin dafür zu egoistisch. Ein Kind würde mich zu sehr einschränken. Mit meiner Geschichte hat das nichts zu tun, denke ich. Im Gegenteil: Ich habe nichts gegen Kinderwunschbehandlungen. Wichtig ist nur, dass die Eltern richtig damit umgehen und von Anfang an offen zu ihren Kindern sind."
Johannes Daunderer, Anwalt für Medizin- und Strafrecht: In Deutschland ist nur die Samenspende erlaubt, die Eizellspende wird dagegen massiv strafrechtlich verfolgt. Im EU-Ausland, in Spanien beispielsweise oder in Tschechien, ist mehr erlaubt. Sobald ein deutscher Arzt bei einer im Ausland durchgeführten Eizellspende auch nur einen Befund einer Patientin an den ausländischen Arzt weitergibt, wird gleich seine Praxis durchsucht, er wird mit einem Strafverfahren wegen Verdachts der Beihilfe zur Eizellspende überzogen. Ich finde das nicht richtig. Deutsche Ärzte werden hier zu Unrecht kriminalisiert. Muss es denn immer so einen Irrsinn geben?
Und das alles nur, weil es unsere Strafverfolgungsbehörden viel zu häufig nicht schaffen, das geltende Gesetz richtig anzuwenden und auszulegen. Stattdessen lässt man es zu, dass Paare für eine Eizellspende oder eine Leihmutterschaft ins Ausland flüchten. So kriminalisiert man die Reproduktionsmediziner, die in Deutschland die weitere medizinische Versorgung der Paare gewährleisten - dabei ist doch klar, dass im Ausland eine Behandlung nicht immer risikofrei ist und es oft um viel Geld geht.
Ich bin nicht dafür, die Eizellspende oder Leihmutterschaft auch in Deutschland zu erlauben, aber man darf die Ärzte nicht dafür kriminalisieren, dass sie ihre Arbeit machen. Das deutsche Embryonenschutzgesetz ist besser als sein Ruf. Wenn man es aber zu Lasten unserer Ärzteschaft auslegt und verbieten will, was an sich erlaubt ist, dann wird es absurd und schadet den Patienten und Ärzten in unserem Land."
Susanne R.*, Mutter von zwei Kinderwunsch-Kindern: Mein Mann und ich haben schon früh herausgefunden, dass wir auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen. Er ist unfruchtbar. Weil wir trotzdem Kinder haben wollten, entschlossen wir uns für eine künstliche Befruchtung. Zuerst waren wir bei einer Samenbank, die jeglichen Kontakt zu den Spendern ausschloss. Als ich schon mit den gespendeten Samen befruchtet war, wurde uns klar, wie wichtig es für uns wäre, dass unser Kind Kontakt zu seinem biologischen Vater haben kann. Dann wurde ich aber sowieso nicht schwanger.
Wir wandten uns an eine Kinderwunschpraxis. Dort wurde mit Spendersamen unsere Tochter gezeugt, sie ist heute fünf. Die Befruchtung geschah durch eine Insemination, das Sperma wurde also direkt in die Gebärmutter eingeführt. Drei Jahre später entstand durch eine ICSI-Behandlung unser Sohn. Dabei werden Eizellen entnommen, im Labor wird das Sperma injiziert, dann werden die befruchteten Eizellen in die Gebärmutter eingesetzt. Unsere beiden Kinder sind mit dem Sperma unterschiedlicher Spender gezeugt.
Am Anfang hatte ich Bedenken, mich mit Spendersamen befruchten zu lassen. Ich fand den Gedanken beunruhigend, das etwas in meinem Körper wachsen würde, das nicht wirklich zu mir gehört. Aber als ich schwanger wurde, hatten wir keinen Zweifel mehr daran, dass das Baby unseres war.
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Späte Schwangerschaft? Kein Problem, gaukeln alte Promimütter und geschäftstüchtige Mediziner vor. Viele Paare glauben das nur zu gern - dabei schwindet die Fruchtbarkeit viel früher als gedacht.
Aussuchen konnten wir uns die Spender nicht, das hat die Samenbank übernommen. In manchen Samenbanken gibt es einen Katalog mit Spendern, da stehen dann ihre Hautfarbe, Haarfarbe, Religion und Hobbies. Doch das war uns zu doof, uns war es egal, ob der biologische Vater eine Brille trägt oder evangelisch ist.
Wir gehen offen damit um, dass unsere Kinder durch eine Samenspende gezeugt wurden. Unser Sohn weiß noch nicht genau Bescheid, er ist noch zu klein, aber unsere Tochter schon. Als sie drei Jahre alt war, habe ich ihr genau erklärt, wie sie entstanden ist. Das war gar nicht so leicht, schließlich muss man erst einmal mit der normalen Aufklärung anfangen, den Bienchen und Blümchen, bevor man die komplizierten Sachen erklären kann. Zum Glück gibt es ein gutes Kinderbuch, "Die Geschichte unserer Familie" von Petra Thorn, das ich sehr empfehlen kann.
Im Moment haben wir keinen Kontakt zu unseren Spendern, da sie das nicht möchten. Aber unsere Kinder können sie kontaktieren, wenn sie volljährig sind. Manchmal hätte ich gerne ein Foto der Spender. Ich wüsste zum Beispiel gerne, von wem mein Sohn seine Nase geerbt hat, denn von mir hat er sie sicher nicht.
Bis jetzt kommt meine Tochter sehr gut damit zurecht, dass sie von einem Spender gezeugt wurde. Ich schätze aber, dass sie mehr darüber nachdenken und mehr Fragen stellen wird, wenn sie älter wird. Letztens hat meine Tochter gefragt, ob Spenderkinder besser sind als andere Kinder, das gibt einem schon zu denken.
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Für meinen Mann ist unsere familiäre Situation kein Problem. Er betrachtet die Kinder nun ganz selbstverständlich als seine eigenen. Neugierig auf die Spender, so wie ich, ist er aber nicht.
Björn S.*, Spenderkind und Samenspender: Ich kenne beide Seiten: Die des Spenderkindes und die des Spenders. Dass ich in der DDR durch eine Samenspende entstanden bin, habe ich erst mit 34 erfahren. Ich habe einen DNA-Test gemacht und meine Eltern zur Rede gestellt. Sie wollen am liebsten nicht mehr darüber reden, aber ich habe mir zum Ziel gesetzt, Transparenz zu schaffen.
Ich habe nichts gegen Kinderwunschbehandlungen, ich finde nur, sie sind sehr elternzentriert. Es geht immer nur um die Paare, die Perspektive der Kinder wird oft vergessen. Ich halte die größtmögliche Transparenz von Anfang an für ganz wichtig. Eben weil ich erlebt habe, was es mit einem macht, wenn so etwas verheimlicht wird. Meine Eltern haben versucht zu verdrängen, dass ich zwei Väter habe. Aber das kann man nicht verdrängen, ich habe das gemerkt. Schon als Kind habe ich gespürt, dass irgendetwas fehlt.
Vor zwei Jahren habe ich angefangen, mich mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Zufällig kam relativ zeitgleich ein befreundetes lesbisches Paar auf mich zu: Sie suchten einen Samenspender. "Das muss Schicksal sein", habe ich da gedacht. Ich habe mich für diese Samenspende entschieden, aber unter bestimmten Voraussetzungen: Ich spende nicht gegen Geld, ich bleibe nicht anonym und werde für die entstehenden Babys nicht unbekannt bleiben. Das Kind wird bei den Frauen leben, aber es wird immer klar sein, dass ich der Vater bin. Warum ich das tue? Ich will dem Leben etwas zurückgeben, ich will meinen Freundinnen helfen, die sich so sehr ein Kind wünschen und ich habe auch ein politisches Anliegen: Ich möchte dazu beitragen, das antiquierte Bild von Familie und Elternschaft zu erweitern, eben weil heute so vieles möglich ist. Und ich möchte ein neuer Typus von Spender sein.
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Samenspende ist in Deutschland immer noch eine Dienstleistung. Das ist schade. Kinderwunschzentren behaupten gerne: Würden wir keine Aufwandsentschädigung zahlen und Anonymität garantieren, würden uns die Spender abspringen. Ich glaube nicht, dass das so ist. Großbritannien und Australien zeigen, dass es auch anders geht. Und das will ich auch.
Bibiana Felipe González, Eizellspenderin aus Madrid [nach Angaben der Europäischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (ESHRE) wird die Hälfte der europaweit vorgenommenen Eizellspenden in Spanien durchgeführt, Anm. d. Red.]: Ich habe drei Mal Eizellen gespendet. Das erste Mal, um einen finanziellen Engpass zu überbrücken: Ich war vorübergehend arbeitslos und mit der Miete im Rückstand. Die beiden Male danach habe ich es wegen des tollen Gefühls gemacht, das mir die erste Spende gegeben hatte: Es macht mich glücklich, dass ich andere Menschen glücklich machen konnte. Jeder sollte ein kleines Sandkorn dazu beitragen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen; das ist meines.
Ich habe um die Tausend Euro pro Spende bekommen. Das Geld der letzten beiden Eingriffe habe ich zurückgelegt, ich möchte nach Kanada für einen Studienaufenthalt. Ich habe schon ein Politikwissenschaftsstudium abgeschlossen und finanziere mir nun das zweite Studium mit Nebenjobs - von Kellnern bis Putzen. Ich lebe bescheiden und bin nicht der Typ, der sich von dem Geld teure Taschen oder ähnlichen Plunder kaufen würde.
Trotzdem halte ich die Entschädigung für uns Spenderinnen für zu gering, vor allem im Vergleich zu der Summe, die die Kliniken von ihren Patientinnen bekommen. Eine Bekannte von mir hat für ihre Eizellenbehandlung 15 000 Euro bezahlt. Ich habe die hormonellen Behandlungen gut vertragen, hatte aber die für diese Eingriffe üblichen Schmerzen - wie Regelschmerzen, nur ungefähr vier Mal so schlimm. Nach der letzten Behandlung hatte ich auch eine leichte Blutung.
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Ich habe mir mehrere Kliniken angesehen und gleich die aussortiert, die mich am Telefon fragten, ob ich dunkelhäutige Verwandte hätte - vermutlich wegen meines kanarischen Akzents, ich komme ursprünglich aus Teneriffa. Vor jedem Eingriff musste ich mich einem psychologischen Test unterziehen, um die Reife meiner Persönlichkeit festzustellen.
Gegner der Behandlung, die angeblich um das Wohl der Spenderinnen besorgt sind, halte ich für scheinheilig. Die Frauenrechtlerinnen unter ihnen haben meiner Meinung nach ein falsches Verständnis von Feminismus: Gerade das Recht einer jeden Erwachsenen, über ihren eigenen Körper bestimmen zu können, sollte uns Feministinnen am Herzen liegen.
Die mit meinen Eizellen gezeugten Babys sehe ich nicht als "meine" an. Die Mutter ist diejenige, die das Kind austrägt und aufzieht - und die Gene des Vaters kommen schließlich auch noch dazu. Ich begrüße es, dass die Eizellenspende in Spanien per Gesetz anonym bleibt. Ob ich selbst Kinder haben möchte, habe ich noch nicht entschieden. Zur Zeit habe ich keinen Partner und beruflich noch einiges vor. Nach der letzten Spende habe ich aber beschlossen, mir demnächst Eizellen einfrieren zu lassen. Sollte ich je Kinder bekommen, würde ich ihnen auf jeden Fall von den Spenden erzählen.
Anja Graef, ungewollt kinderlos: Es gibt keine Erklärung, warum mein Mann und ich keine Kinder bekommen können. Das ist gar nicht so unüblich: In einem Drittel der Fälle liegt die Ursache beim Mann, in einem Drittel bei der Frau und beim letzten Drittel kann keine Ursache gefunden werden.
Ein Jahr lang haben wir es auf natürlichem Weg probiert, ohne dass etwas passiert ist, dann haben wir uns an eine Kinderwunschklinik gewandt. Das war 2012. Der fünfte Versuch der künstlichen Befruchtung war tatsächlich erfolgreich und wir erwarteten eineiige Zwillinge. Das war ein unbeschreibliches Gefühl, wir konnten es zuerst kaum glauben. Doch leider verloren wir die Babys am Ende der sechzehnten Schwangerschaftswoche. Wir waren untröstlich, zu diesem Zeitpunkt waren wir gerade kurz davor, all unseren Freunden die guten Neuigkeiten zu verkünden. Doch immerhin wussten wir jetzt, dass ich schwanger werden kann. Wir waren wieder voller Zuversicht und probierten es viele weitere Male. Leider ohne Erfolg.
Letztes Jahr haben wir beschlossen, es nicht weiter zu versuchen. Mein Körper hat nicht mehr mitgemacht nach den vielen Eingriffen. Meine Zyklen waren durcheinander, ich hatte körperliche Schmerzen und habe durch die Hormone stark zugenommen. Auch psychisch war das ständige Schwanken zwischen Hoffnung und Enttäuschung sehr belastend. Wenn man versucht, ein Kind zu bekommen, ist es, als würde man in einen Strudel geraten; irgendwann muss man einen Ausweg daraus finden, sonst kommt man nie zu einem Ende.
Und natürlich muss man auch die Finanzen bedenken - künstliche Befruchtungen sind ja nicht gerade günstig. Wir mussten alles selbst zahlen, ich würde mir wünschen, dass diese Bestimmungen für die Finanzierung endlich geändert werden.
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Wir haben uns nun als Adoptiveltern beworben. Mehr können wir nicht tun, wir müssen abwarten. Doch das ist eher aussichtslos: Es gibt nur sehr wenige Adoptiv- und Pflegekinder und viel zu viele Paare, die sich bewerben. Außerdem werden meist jüngere Bewerberpaare bevorzugt, sodass wir mit Mitte 40 vermutlich zu alt sind. Ich kann das nicht nachvollziehen, wir können schließlich genauso liebevolle Eltern sein wie jüngere Paare.
Sollte es nicht klappen, denke ich inzwischen, dass wir auch ohne Kinder glücklich sein können. Ein unerfüllter Kinderwunsch belastet jede Beziehung, manch eine zerbricht daran. Zum Glück hat uns diese Zeit eher noch näher zusammengebracht. Besonders den Verlust der Zwillinge haben mein Mann und ich gemeinsam betrauert. Wenn Kinder jetzt noch als zusätzliches Geschenk dazu kommen, würde sich unser Herzenswunsch erfüllen, aber wir wissen, dass niemand darauf einen Anspruch hat. Wir sind nun dabei, unser Leben neu auszurichten.
Um mit dem unerfüllten Kinderwunsch umzugehen, habe ich vor zwei Jahren eine Selbsthilfegruppe gegründet. Ansonsten versuche ich, Entspannungsübungen in meinen Alltag einzubauen. Ich praktiziere Yoga, meditiere und mache Atemübungen. All diese Strategien helfen mir dabei, loszulassen und mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich vielleicht nie Kinder haben werde.