Recycling:Stoffwechsel

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Die Jeans ist zu kurz, die Socken zu grau und der T-Shirt-Aufdruck irgendwie albern. Was passiert eigentlich mit all den Klamotten, die im Container landen? Zu Besuch in der größten Altkleider-Fabrik der Welt.

Von Antonie Rietzschel

Der Schuh passt gut in die Sommerzeit. Sein rosafarbener Stoff ist dünn und mit kleinen Blümchen bedruckt. Durch einen Gummizug an der Seite kann man schnell hineinschlüpfen. Es ist ein Schuh für kleine Füße, vielleicht trug ihn einmal ein Kind beim Toben auf dem Spielplatz. Irgendwann waren die Füße zu groß oder der Schuh gefiel einfach nicht mehr. Jetzt liegt er in einer gelben Metallbox inmitten von Klamotten und Kuscheltieren, die keiner mehr haben will. Er ist in Bitterfeld-Wolfen gelandet, in der größten Altkleider-Fabrik der Welt.

In Deutschland werden jedes Jahr eine Million Tonnen Altkleider gesammelt, zum Beispiel in Containern vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Die Hilfsorganisation verteilt die Klamotten an Menschen in Not. Doch es gibt mehr Altkleider als Bedürftige. Wohin also mit all den übrigen T-Shirts, Jacken und Hosen? Könnte man die nicht doch noch mal verwenden? Landen sie im Müll, werden sie einfach verbrannt. Das ist schlecht für die Umwelt, weil dabei Schadstoffe freigesetzt werden.

Jedes Stück wird auf Flecken und Löcher überprüft

Die Firma Soex hat sich deshalb etwas anderes ausgedacht: In ihrer Anlage in Bitterfeld-Wolfen sammelt sie gebrauchte Kleidungsstücke. Sie haben dafür eigene Container, kaufen aber auch dem Roten Kreuz Altkleider ab, das damit arme Menschen unterstützt. Außerdem bekommt das Unternehmen Klamotten von großen Modeketten, die in ihren Läden gebrauchte Kleidung sammeln und an Soex verkaufen.

300 Tonnen Altkleider erreichen so täglich per Lastwagen das Firmengelände. Sobald sich die Türen der Transporter öffnen, beginnt ein ausgeklügelter Kreislauf: Mitarbeiter trennen per Hand Kleidersäcke von Bettdecken und Kuscheltieren. Eine Mitarbeiterin sortiert alles aus, was gar nicht erst in der Altkleidersammlung hätte landen dürfen: einen kaputten Föhn, einen Globus, ein altes Radio. Vor Jahren purzelte sogar eine lebendige Schildkröte aus einem Plastikbeutel.

Die Kleidungsstücke landen in großen gelben Säcken. Über Metallschienen gelangen sie in eine riesige Halle und entleeren sich automatisch über langen Tischen, an denen Mitarbeiter stehen. Sie greifen in die Klamottenhaufen, werfen Jacken, Jeans und T-Shirts in extra beschriftete Behälter. Später werden sie genau auf Flecken oder Löcher überprüft und nach Qualität sortiert. Ausgefallene Stücke, wie etwa ein Fellmantel aus den Siebzigerjahren oder ein quietschbuntes Hemd, kommen in die firmeneigenen Läden.

Ist ein T-Shirt zerrissen, wird es zum Putzlappen verarbeitet

Den größten Teil der Kleidung verkauft Soex aber nach Osteuropa oder Afrika, wo Händler sie auf den Märkten verkaufen. In manchen Ländern hat sich mittlerweile ein ganzer Geschäftszweig dafür entwickelt. Gleichzeitig gibt es Zweifel an der Nachhaltigkeit. Denn die billigen Klamotten aus dem Ausland zerstören das Geschäft der einheimischen Stoffhändler. Seit Jahren wollen zum Beispiel Politiker in Tansania und Uganda die Einfuhr verbieten. Doch bisher ist nichts passiert, und in Bitterfeld-Wolfen stapeln sich auch an diesem Tag zu Paketen gepresste Blusen und Hosen. Ziel: Tansania.

An der Packstation endet die erste große Etappe. Kleidung, die sich weder für den Firmenladen noch für die Märkte im Ausland eignet, wird wiederverwertet. Zerrissene T-Shirts oder Pullover liefert Soex an eine Firma, die daraus Putzlappen herstellt. In einer weiteren Halle schneidet eine Maschine Jeanshosen in kleine Streifen, zerhäckselt sie. Mit Metallspitzen bespickte Walzen zerreißen die Fasern, bis nur noch blaue Stoffknäuel übrig sind. Daraus entstehen Teppiche für Maler. Eine Maschine presst sogar Staub zu Briketts, die dann zur Herstellung von Pappe benutzt werden.

Mittlerweile werden auch Schuhe in der Anlage recycelt. Ein Laufband befördert sie direkt in den Schredder. Rohre saugen die einzelnen Materialien ab und sortieren sie mithilfe verschiedener Luftströme nach Schaumstoff, Gummi oder Leder. Am Ende bleiben davon kleine bunte Kügelchen übrig. Sie können für die Herstellung von Bodenmatten oder Schuhsohlen verwendet werden. Möglich, dass auch der rosafarbene Schuh mit den Blumen hier landet.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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