Rechtsstreit um neue Lebensmittel:Süßer als Zucker

Unerlaubte Zusätze im Bio-Joghurt? Das sogenannte Honigkraut wird gern als Süßungsmittel in Lebensmitteln verwendet. Nach einer EU-Verordnung könnte es damit bald vorbei sein. Wenn der süße Sud der Pflanze als neuartiges Lebensmittel eingestuft wird, könnte das Folgen haben für die gesamte Bio-Branche.

Otto Fritscher

Eine delikate Frage beschäftigt die Richter am Münchner Verwaltungsgericht: Darf ein Bio-Joghurt mit Tee aus der Stevia-Pflanze gesüßt werden?

Erfrischend und gesund: Joghurt-Desserts sind rasch zubereitet

In der Werbung für Bio-Joghurt gibt es das oft:"nur mit natürlichen Süßungsmitteln" - eins davon ist das Honigkraut.

(Foto: dpa-tmn)

Dieser natürliche Tee hat eine wesentlich höhere Süßkraft als Zucker. Strittig ist allerdings die Frage, ob Stevia-Tee unter die Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union fällt - und damit ein verbotener Joghurtzusatz wäre. Was aussieht wie ein Rechtsstreit zwischen der kleinen Andechser Bio-Molkerei Scheitz und der Lebensmittelüberwachung im zuständigen Starnberger Landratsamt, könnte allerdings durchaus bundesweit Folgen für andere Produzenten von Bio-Lebensmitteln haben.

Es ist ein komplizierter juristischer Sachverhalt, in dem es im Kern darum geht, ob Stevia-Tee schon vor dem Mai 1997 in Europa "in nennenswertem Umfang" getrunken worden ist. Wäre dies der Fall, fiele Stevia-Tee nicht unter die Novel-Food-Verordnung der EU und dürfte frei als Zusatz verwendet werden. Die Behörden gehen von rund zwölf Millionen Tassen Stevia-Tee aus, die vor 1997 in Europa getrunken worden seien - Molkerei-Inhaberin Barbara Scheitz will nun vor Gericht belegen, dass es mindestens 61 Millionen Tassen gewesen seien. Fiele Stevia-Tee unter die EU-Verordnung, wäre ein jahrelanges und teures Zulassungsverfahren die Folge.

Barbara Scheitz hatte den Bio-Joghurt, der 2,3 Prozent Stevia-Tee enthält, im Februar 2011 auf den Markt gebracht. Im April nahm das Unternehmen die Becher freiwillig aus den Regalen der Lebensmittelgeschäfte und Reformhäuser, weil die Behörden Bedenken wegen des Zusatzes von Stevia-Tee erhoben hatten. Seit 1. September ist der Joghurt aber wieder im Handel, da das Münchner Verwaltungsgericht die Behörden verpflichtete hatte, bis zur endgültigen Verhandlung, die am Mittwoch stattfand, nicht mehr gegen Scheitz vorzugehen. Ein Urteil wird in den nächsten Tagen erwartet.

Auch die Mönche im Ort haben gegen die Molkerei geklagt

Stevia-Tee wird aus den Blättern einer Pflanze namens Stevia rebaudiana gekocht, deren deutscher Name Honigkraut oder Süßkraut auf ihre Eigenschaft hinweist: Stevia hat eine hundertfach höhere Süßkraft als Zucker. Die Pflanze wächst vornehmlich in Südamerika. Unumstritten ist sie als Badezusatz, in der Schweiz ist sie auch in bestimmten Lebensmitteln erlaubt.

Die Bio-Molkerei Scheitz hatte in den vergangenen Monaten auch Aufsehen erregt, weil sie im Rechtsstreit mit den Mönchen des benachbarten Klosters Andechs liegt. Diese stören sich an dem Ausdruck "Tradition seit 1908", mit dem Scheitz wirbt. Bislang siegte die Molkerei vor Gericht. Dass die Klosterbierbrauer und der Milchproduzent in dem idyllischen Ort oberhalb des Ammersees offenbar nicht miteinander auskommen, wunderte jedoch die Richter.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: