Rechtsextremismus:"Eine klare Haltung ist wichtig"

In Kindergärten und Schulen muss der Umgang mit Konflikten geschult werden. Ein Gespräch mit der Erziehungswissenschaftlerin und Referentin für Rechtsextremismus Heike Radvan.

Interview von Birgit Herrmann

Was können Eltern tun, wenn sie auf Familien mit offenbar rechtsradikaler Gesinnung treffen?

Heike Radvan: Genau hinsehen, nachfragen, Position beziehen. Viele Symbole und Hinweise aus der rechten Szene werden etwa unter versteckspiel.de erklärt. Man kann auch Absprachen mit anderen Eltern im Umgang mit diesen Familien treffen und sollte sich fragen: Gibt es Kinder, die betroffen sind? Wie kann die Leitung Verbesserungen erwirken? Alleinkämpfertum bringt in solchen Fällen nichts.

Wie erklärt man Kindern Rassismus?

Wenn ein Unterschied zwischen "die" und "wir" konstruiert wird, kann man eigentlich schon von Fremdenfeindlichkeit sprechen. Kinder haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Schon kleine Mädchen und Jungen werden also verstehen, wenn man ihnen sagt: "In unserer Kita sind alle gleich, und wir möchten nicht, dass ein Kind ausgegrenzt wird wegen seiner Haar- oder Hautfarbe. Du möchtest doch auch respektvoll behandelt werden." Es kommt darauf an, ihnen eine klare ablehnende Haltung zu Hass und Ausgrenzung vorzuleben.

Welche Aufgabe haben die Erzieher?

Als problematisch erlebe ich eine mangelnde Konfliktkultur in Kindergärten. Für manche Erzieher scheint es oft schwierig, sich bei politischen Themen zu positionieren. Dabei ist es ihre Aufgabe, für einen diskriminierungsfreien Alltag zu sorgen. Eine klare Haltung den Kindern und den Eltern gegenüber ist also wichtig.

Eine klare Position zu vertreten braucht aber auch Mut.

Ja, hilfreich sind da Schulungen für Erzieher. Über das Bundesprogramm "Demokratie leben!" entstehen gerade viele Modellprojekte. Es gibt auch Stiftungen, die Fortbildungen anbieten. Sinnvoll ist es, sich auf das Leitbild des Kindergartens berufen zu können. Darin sollten Prinzipien wie "Vielfalt", "Schutz vor Diskriminierung" und "Gleichheit aller" stehen. Wenn es zu einem Konflikt mit Eltern kommt, kann sich die Erzieherin darauf berufen.

Wie hat sich die rechtsextreme Szene seit den 90er-Jahren verändert?

Die Vorstellung, dass Frauen unpolitisch und friedliebend sind, wird genutzt. Sie bieten sich als Helferinnen auf Kindergartenfesten an und engagieren sich in Elternbeiräten. Ihre politische Haltung wird dabei oft übersehen. Ist genug Vertrauen da, bringen sie ihre Ideologie ein.

Wie viele Kindergärten sind mit Rechtsextremismus konfrontiert?

Genau kann das keiner sagen, aber es gibt Regionen, wo sich rechtsextreme Kameradschaften konzentrieren und sie mit ihren Familien bewusst hinziehen. Allerdings ist die Präsenz rechter Eltern nur die Hälfte des Problems.

Inwiefern?

Rassistische Äußerungen sind in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Wenn Rassismus nicht als solcher wahrgenommen wird und unwidersprochen stehen bleibt, können Eltern, die ein rechtes Weltbild vertreten, daran anschließen.

Heike Radvan ist Erziehungswissenschaftlerin und Referentin für Rechtsextremismus bei der Amadeu-Antonio-Stiftung und berät Erzieher.

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