Raumfahrt:Der doppelte Astronaut

Die amerikanischen Zwillingsbrüder Mark und Scott Kelly sind beide Raumfahrer. Zuletzt war nur einer von ihnen im All. Ein Glücksfall für die Wissenschaft.

Von Alexander Stirn

Lange Zeit waren die Zwillinge Mark und Scott Kelly einfach auseinanderzuhalten. Mark hatte eine Glatze und einen Schnauzbart. Bruder Scott hatte die gleiche Frisur, war aber auch unter der Nase perfekt rasiert. Inzwischen ist Marks Schnauzer weg, dafür gibt es einen anderen Unterschied - der fällt allerdings nicht so leicht auf: Scott Kelly ist gerade 340 Tage lang durchs All geflogen. Sein sechs Minuten älterer Bruder Mark musste dagegen am Boden bleiben.

Was wie eine Strafaktion für freches Verhalten klingt, hat wissenschaftliche Gründe. Mark und Scott Kelly sind Raumfahrer. Im Dienste der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa sind sie in der Vergangenheit mehrmals ins All geflogen. Doch während sich Mark inzwischen zur Ruhe gesetzt hat, wollte Scott ein letztes Mal hoch hinaus.

Die Nasa nutzte diese Gelegenheit: Sie schickte Scott Kelly ein knappes Jahr lang zur Internationalen Raumstation, und damit länger als je einen Amerikaner zuvor. Zudem untersuchte sie, wie sich Scotts Körper während dieser langen Zeit in einer ungewohnten Umgebung verändert - ganz besonders im Vergleich zu seinem auf der Erde zurückgebliebenen Bruder Mark.

Solche "Zwillingsexperimente" sind in der Wissenschaft sehr beliebt. Normalerweise unterscheidet sich jeder Mensch von jedem anderen Menschen auf der Erde. Dadurch fällt es Forschern schwer zu entscheiden, ob eine körperliche Schwäche (zum Beispiel ein schlaffer Muskel) direkt mit dem Aufenthalt im Weltall zusammenhängt oder vererbt worden ist. Zwillinge wie Mark und Scott Kelly sind dagegen fast identisch; die Baupläne ihrer Körper stimmen haarklein überein. Tritt bei Scott während seiner Zeit auf der Raumstation ein Wehwehchen auf, das Mark nicht hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Beschwerden mit dem Aufenthalt im All zusammenhängen.

Scott Kelly, Mark Kelly

Scott (links) und Mark Kelly sind beide Astronauten. Man sieht nicht gleich, dass sie eineiige Zwillinge sind, weil 52 Lebensjahre dann doch ein paar unterschiedliche Spuren hinterlassen.

(Foto: NASA/dpa)

Und es gibt vieles, was wehtun kann. Auf der Erde stellt die Schwerkraft sicher, dass Tische, Autos und Menschen nicht davonfliegen. Sie drückt alles und jeden gegen den Boden. Im All ist diese Kraft nicht spürbar. Die Astronauten schweben, ihre Knochen und Muskeln bauen ohne die ständige Belastung ab. Außerdem wird ihr Körper von gefährlichen Strahlen bombardiert - ähnlich wie beim Röntgen während des Zahnarztbesuchs, wenn aus Sicherheitsgründen alle anderen den Raum verlassen müssen.

In einer Raumstation, die in nur 400 Kilometern Höhe um die Erde kreist, ist all das nicht so schlimm. Eines Tages sollen Menschen aber zum Mars aufbrechen, dem roten Nachbarplaneten der Erde - und dorthin dauert allein der schwerelose Hinflug neun Monate. Um Erfahrungen zu sammeln, musste Scott Kelly daher fast ein Jahr lang im All bleiben.

Und das Zwillingsexperiment ist noch nicht abgeschlossen: Auch nach der Rückkehr werden Mark und Scott weiter verglichen - um zu sehen, wie der Körper mit der erneuten Schwerkraft klarkommt.

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