Süddeutsche Zeitung

Rauchen abgewöhnen:Schon wieder Nichtraucher

Mit dem Rauchen aufhören ist ganz einfach. Wer das behauptet, hat noch keinen Entzug durchgemacht. Aber es gibt tatsächliche sichere Wege aus der Abhängigkeit.

Dennis Ballwieser

Mit dem Rauchen aufzuhören ist so einfach. Wie bitte? Scheitert nicht beinahe jeder Raucher täglich daran, seine Sucht zu besiegen? Natürlich, genauso ist es. Lediglich die Versprechen, mit denen eine Entwöhnungsindustrie um angehende Ex-Raucher wirbt, klingen, als sei es eine lässige Kleinigkeit, für immer vom Tabak zu lassen.

Ob in nur zwei Stunden durch Hypnose, in 24 Stunden dank der vermeintlichen Weltsensation Anti-Nikotin oder mit Hilfe einer einmaligen Sitzung Laser-Akupunktur - Internet und Buchhandel versprechen einfache Hilfe für Nikotinabhängige.

Allen Carrs Langzeit-Bestseller "Endlich Nichtraucher!" ist davon noch die seriöseste Variante. "Das kann sogar helfen", sagt Stephan Mühlig, Psychologe an der Technischen Universität Chemnitz. "Ob das alleine funktioniert, ist allerdings bei wirklich abhängigen Rauchern fraglich." Die unseriösen Angebote und Ratgeber rauben jedoch wirklich wirksamen Therapien für Raucher die Aufmerksamkeit. Denn echte Hilfe gibt es tatsächlich.

Die doppelte Abhängigkeit

Beinahe ein Drittel der Deutschen raucht. Die meisten regelmäßigen Raucher gibt es in der Altersgruppe von 18bis 29 Jahren in der Gesundheitssurvey genannten Umfrage des Statistischen Bundesamtes. Am deutlichsten gehen die Zahlen bei den über 65-Jährigen nach unten: Raucht zwischen 45 und 64 Jahren noch mehr als jeder Fünfte, ist es vom Rentenalter an nur noch jeder Zwanzigste.

"Die Hälfte der Raucher hört auf, ohne irgendeine Hilfe in Anspruch zu nehmen", sagt Stephan Mühlig. "Wenn man sich die Statistiken anschaut, scheinen die einfach zu verschwinden. Nicht weil sie sterben, sondern weil sie den Absprung schaffen."

Soweit die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass die andere Hälfte der Raucher sich enorm schwer tut, endgültig die Finger von der Zigarette zu lassen. Viele, die regelmäßig daran scheitern, suchen Rat und landen schließlich bei Quacksalbern, die unterschiedlichste und oft unseriöse Wege zum Erfolg versprechen.

Dabei ist Psychologen und Medizinern eigentlich bekannt, welche Methoden funktionieren. "Mit einer Kombination aus psychologischer Verhaltenstherapie und medikamentöser Unterstützung bleibt knapp die Hälfte auch nach einem Jahr noch rauchfrei", sagt Mühlig. "Alles andere schneidet dagegen in Studien nicht besser ab als Placebos."

"Es ist nicht allein die Nikotinsucht, sie müssen das Verhalten des Rauchers ändern, und das geht nur langfristig", sagt Anil Batra, Psychiater an der Uniklinik Tübingen. Von Psychologen und Medizinern überwiegend ambulant als Gruppentherapie angebotene Entwöhnungsprogramme dauern deshalb mehrere Wochen.

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Bloß nicht rückfällig werden

Die Verhaltenstherapie gibt Rauchern Methoden an die Hand, mit deren Hilfe sie nach dem Rauchstopp vermeiden sollen, wieder zur Zigarette zu greifen. "Die Patienten werden ja nicht unmittelbar nach dem Aufhören rückfällig", sagt Stephan Mühlig. "Das dauert zwei, drei Monate. Dann gehen die Zahlen rauf, das ist bei allen Verfahren so."

Mühlig will auch endlich herausfinden, was die Raucher langfristig wieder zur Zigarette greifen lässt. "Es sind vermutlich nicht Entzugserscheinungen oder der unbedingte Wille, auf der Stelle eine Zigarette zu rauchen, das sogenannte Craving", sagt Mühlig. "Wir vermuten eher Stimmungsschwankungen und Leichtsinn als Ursachen." Von Herbst an will er Ex-Rauchern Taschencomputer mitgeben, in die Patienten regelmäßig eingeben sollen, wie es ihnen geht und was aus ihrer Sicht der Grund ist, weshalb sie gerade gerne zur Zigarette greifen würden.

Ein Mix aus körperlichen und psychischen Faktoren macht es so schwierig, das Rauchen aufzugeben. "Es gibt sicher eine biologische Empfänglichkeit bei vielen Rauchern, also eine genetische Vorprägung für das Rauchen", sagt der Psychiater Jochen Mutschler von der Universität Heidelberg. "Außerdem ist Rauchen lerntheoretisch gemein: Das Erlebnis ist sofort positiv, negative Folgen kommen sehr spät."

Weil starke Raucher nicht nur psychisch an der Zigarette hängen, sondern auch der Körper nach Nikotin verlangt, setzen die Therapeuten Medikamente ein. Nikotinersatz mit Hilfe von Pflastern, Kaugummis und Nasensprays soll den Körper langsam von der Droge entwöhnen. Mit Bupropion und Vareniclin stehen den Therapeuten noch zwei weitere Wirkstoffe zur Verfügung, die den Nikotinrezeptor im Gehirn zum Ziel haben.

Gerade Vareniclin ist aber umstritten. Es gibt Berichte, nach denen depressive Patienten, die auch Vareniclin einnahmen, sich umzubringen versuchten. Kritiker fordern deshalb, das Medikament zu verbieten. In den USA warnt seit Juli ein Hinweis auf der Schachtel vor Nebenwirkungen. "Wir wissen um die Bedenken bei Vareniclin und achten auf Nebenwirkungen", sagt Jochen Mutschler. "Depressive Patienten sollten Vareniclin nicht bekommen." Allerdings stehe immer noch das ursprünglich als Antidepressivum eingeführte Bupropion zur Verfügung.

Selbst die in Kliniken angebotenen Programme dauern jedoch nicht lange genug, um vorhersehbare Rückfälle zu verhindern. Ein Kuriosum der Gesundheitspolitik verhindert, dass die Ex-Raucher länger von Therapeuten begleitet werden. Krankenkassen dürfen die Behandlung der Nikotinsucht gar nicht bezahlen. Eine sogenannte Tabakentwöhnung kann deshalb nur als Prävention späterer Schäden des Rauchens unterstützt werden.

Dafür hat die Kasse jährlich bis zu 75 Euro pro Patient zur Verfügung. Und die Krankenkasse muss in jedem einzelnen Fall gefragt werden, ob sie den Zuschuss bezahlt. Müssen die Raucher ihre Entwöhnung selbst bezahlen, sinkt aber die Motivation. "Obwohl die benötigten Medikamente nur etwa so teuer sind wie 20 Zigaretten täglich, ist die Bereitschaft gering, das selbst zu tragen", sagt Jochen Mutschler. "Es machen schon mehr mit, wenn zum Beispiel der Arbeitgeber die Behandlung übernimmt."

Kritisch sehen Mediziner und Psychologen den gedankenlosen Umgang mit bekannten Ersatzprodukten wie Nikotinpflastern, -kaugummis und -nasenspray. "Nikotinersatz kann für körperlich abhängige Raucher zur Entwöhnung dazugehören.

Doch auch bei diesen scheinbar einfachen Medikamenten gibt es Nebenwirkungen und man kann sie falsch verwenden", sagt Stephan Mühlig. "Wenn sie zum Beispiel jedes Mal ein Nikotinkaugummi nehmen, statt eine Zigarette zu rauchen, fördern sie den Suchtmechanismus, statt ihn abzustellen."

Solange aber ernsthafte Therapien kaum bezahlt werden, wird nicht nur die falsche Verwendung frei verkäuflicher Nikotinkaugummis weitergehen. Auch die meist sinnlosen, dafür aber mit Geld-zurück-Garantie beworbenen Methoden aus dem Netz werden weiter Käufer finden.

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SZ vom 28.07.2009/mmk
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