Süddeutsche Zeitung

Rasierte Augenbrauen:Überm Auge oben ohne

Die Modwelt hatte schon immer ihre ganz eigenen Regeln. Für den jüngsten Trend müssen Models neuerdings Haare lassen - im Gesicht.

Verena Stehle

Die Modwelt hatte schon immer ihre ganz eigenen Regeln. Für den jüngsten Trend müssen Models neuerdings Haare lassen - im Gesicht.Auf dem LaufstegWas aussieht, als hätte ein digitaler Retuscheur liederlich gearbeitet, ist das neue Beautyideal: keine Augenbrauen. Etliche Haarbögen, Utensilien gegen Wetter und Schweiß, wurden im Vorfeld der Herbst-Schauen gebleicht und rasiert - bei Balenciaga war jedes Model dran. Ausgerechnet jetzt, wo das Klima verrückt spielt! Und wie soll man noch Wut und Ärger zeigen, ohne die Brauen zu kräuseln? Grob fahrlässig, dieser Trend.Foto: dpa

Backstage bei der ShowDie sonst sehr scharfsinnige New York Times dachte nun, ganz im Ernst, über eine Korrelation des Keine-Augenbrauen-Trends und der Krise nach. Letzte Woche sinnierte sie: "Kann man zu arm sein, um Augenbrauen zu haben?" Und weiter: "Es ist eine Option, sich auszudrücken, ohne Geld auszugeben." Uff. Die Krise dauert an, was kommt als Nächstes? Das Model hier lässt vermuten: Wimpernrodung. Die Haare auf den Zähnen behalten wir aber.Foto: Getty Images

In der FactorySich die Brauen zu sparen, galt lange vor der Krise als chic. Im 16. Jahrhundert ließ Elisabeth I. sie sich vollständig auszupfen, um eine höhere Stirn zu haben. Später recycelte Jane Forth, Rezeptionistin von Andy Warhols Factory, Schauspielerin und Luder der siebziger Jahre, den Trend: Sie rodete ihre Brauen - bis auf zwei Antennen. Wohl deshalb nannte sie das Life-Magazin 1970 das "new face now". Auch neu: Neben ihr wirkte Warhol fast normal.Foto: Getty Images

In ParisAndererseits: Es ist auch ein blitzgescheiter Schachzug der Mode, um endlich mit all den grotesken Brauenformen aufzuräumen. Seien es die Büsche eines Theo Waigel, in denen sich leicht ein Vögelchen verfangen könnte. Oder zum Zebrastreifen ausrasierte Brauen, wie sie Ende der Achtziger der Rapper "Vanilla Ice" trug - noch heute ein Renner in Problembezirken. Und hätte es Mona Lisa in den Louvre geschafft, wenn sie die überzupften Striche mancher Berufsschülerin hätte, wie Nähgarn?Foto: dpa

Auf der TitelseiteDie größte Feindin des Trends dürfte Carine Roitfeld sein, die allmächtige Chefin der französischen Vogue. Wie ihre Tochter Julia kürzlich in einem Interview verriet, wurde im Hause Roitfeld stets eine goldene Stilregel gepredigt: "Trag immer Highheels, Kind, aber zupf dir nie, nie, nie die Brauen." Und nun? Hebt die italienische Vogue das Model Kristen McMenamy aufs Cover, ganz nackig um die Augen. Die Roitfeld ist also nicht annähernd so wichtig wie gefürchtet.Screenshot: sueddeutsche.de/ Quelle: www.style.it

Im TonstudioFür die dämonische und auch ein bisschen psychopathische Ausstrahlung der fehlenden Brauen ist dieser kalkweiße Herr veranwortlich. Gruselrocker Marilyn Manson (Bild), der gerne mit Abnormalem kokettiert. Nur: Wie wird er es auffassen, dass sein Merkmal in der breiten Masse angekommen ist? Wird er's wieder wachsen lassen? So viel steht fest: Manson mit Monobraue - mehr Horror geht nicht.Foto: Getty Images

Auf dem FußballplatzBei keinen Brauen dachte man bislang meist an Aliens. Sechsfache Massenmörder. Oder sechsfache "Weltschiedsrichter des Jahres": Pierluigi Collina befiel in den Achtzigern der Kreisrunde Haarausfall; heute hat er kein Haar mehr am Leib. Und um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Er kommt prima ohne Brauen aus. Kann man sich ihn denn überhaupt MIT vorstellen? Niemals! Dumme Sehgewohnheit; so leicht ist sie zu überlisten.Foto: AFP (Quelle: SZ am Wochenende vom 25.07.09)

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