Ein Hochsicherheitssaal, fensterlos. Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart stehen vier Terroristen der Roten-Armee-Fraktion, Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe. Aber an diesem 3. Juni 1975 gibt’s nervigerweise gerade mal profane Tonprobleme.
Ulrike Meinhof: „Hört man das?“
Vorsitzender Richter: „Schlecht. Wir wollen mal sehen, dass Ihr Mikrofon auch in Gang kommt.“
Meinhof: „Gut. Es handelt sich bei diesen Herren um Zwangsverteidiger. Keiner von denen hat im Geringsten das Recht …“
Vorsitzender: „Halt. ’s läuft über Band. Frau Meinhof, entschuldigen Sie bitte, es läuft nicht auf Band. Wir müssen’s ja aufs Protokoll bekommen. Es ist nicht meine Schuld.“
Ulrike Meinhof, die Angeklagte, versucht, ein Statement des Protests gegen dieses Gericht zu verlesen, das ihr einen „Zwangsverteidiger“ oktroyiert habe – sie wird unterbrochen von dem Richter, Theodor Prinzing. Mit ausgesuchter Höflichkeit. Er hat eine Tochter, die mit der RAF sympathisiert haben soll. Es ist eine kleine Szene, die ich in dem Buch „Die Stammheim-Protokolle“ gefunden habe, editiert von den Rechtswissenschaftlern Florian Jeßberger und Inga Schuchmann. Hübsch ist, wie alle Beteiligten im Saal, die sich sonst so hart angehen, hier ausnahmsweise mal im Frust vereint sind. Anders als üblich hatte sich das Gericht entschieden, die Verhandlung auf Band aufzuzeichnen. Aber die Tücken der Technik hat man dann x-mal verwünscht – gemeinsam. So gesehen: wahrscheinlich sogar ganz gut für die Atmosphäre.
Vorsitzender: „’s tut mir leid, dass das Band nicht läuft, ich hätte es lieber reibungslos, dass es draufkommt. Ist das jetzt gewährleistet? Bitte Frau Meinhof, wenn Sie doch nochmals beginnen wollen.“
Meinhof: „Ja, es ist einfach. Es handelt sich bei diesen Zwangsverteidigern um Instrumente der Bundesanwaltschaft.“
Protokollführer: „Es geht immer noch nicht.“
Wenn man heute auf solche Prozesse zurückblickt, erinnert man sich oft nur an die Höhepunkte, an den RAF-Anwalt Otto Schily etwa, der dem Richter zurief: „Ihre Robe wird immer kürzer und das Krokodil darunter immer sichtbarer!“ Aber wie die Menschen tickten, das erkennt man anhand solcher ungeplanter, kleiner Momente der Verunsicherung – vielleicht auch ganz gut. So wie in dem Moment, als der Vorsitzende fragt: „Ist hier niemand von der Technik da, dass dieses Ding da klappt?“ Oder wie er nach einer Aussage Meinhofs zum Tonband-Betreuer hinüberschaut, mit der bangen Frage: „Ist das aufs Protokoll aufgenommen?“
Antwort: „Nein.“
Am Ende hat sich zumindest an diesem 3. Juni 1975 herausgestellt, dass Meinhof einfach den Schalter des Mikrofons nicht richtig betätigt hatte.
