Psychologie:Umweltbelastung im Kopf

Wer sich von gefährlichen Substanzen besonders bedroht glaubt, fühlt sich auch eher krank - unabhängig von der realen Gefahr.

Fabian Seyfried

Eine große Gesundheitsgefahr bestand für die Studenten der Universität Bonn vermutlich nicht: In der Luft in einem Gebäude auf dem Campus der Universität war zwar PCB (polychlorierte Biphenyle) gemessen worden - allerdings nur leicht erhöhte Mengen.

Umweltbelastung wird offenbar auf gefühlt

Umweltbelastung wird offenbar auf gefühlt.

(Foto: Foto: dpa)

Dennoch litten manche Akademiker nach eigenen Angaben stark unter den Folgen der Luftbelastung.

Psychologen der Universität Bonn und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim befragten daraufhin rund 300 Studenten, die in dem betroffenen Gebäude ein- und ausgegangen waren - mit überraschendem Ergebnis: Die gefühlte Belastung stand mit einer tatsächlichen offenbar in keinem Zusammenhang, meldet die Universität Bonn.

Vielmehr stellten die Forscher mittels einer Umfrage fest, dass fast ausschließlich solche Personen über Symptome klagten, die das Risiko von Umweltgiften generell hoch einschätzten.

So äußerten sich gerade diese Hochschüler auch besonders besorgt auf Fragen nach Zahnfüllungen aus Amalgam. Aus diesem Material können geringe Mengen giftigen Quecksilbers austreten.

Je ängstlicher die Studierenden solche Fragen beantworteten, desto mehr Krankheitssymptome gaben sie auch zu Protokoll, erklärt Claudia Forsthövel, Leiterin der Untersuchung.

Ob sie sich häufig oder selten in dem belasteten Gebäude aufgehalten hatten, spielte dagegen keine Rolle.

Wie ein Placebo-Effekt

Die Wissenschaftler fanden noch weitere Hinweise auf einen psychologischen Effekt.

Stellten Sie zuerst die Frage nach der Aufenthaltsdauer in dem belasteten Gebäude und anschließend nach körperlichen Beschwerden, gaben die Studenten deutlich mehr Symptome zu Protokoll als bei umgekehrter Reihenfolge.

Schema-Aktivierung nennt dies Frank Kaspers von der Universität Bonn. Indem sich die Betroffenen zunächst vor Augen führen, wie häufig sie krankmachenden Umweltgiften ausgesetzt waren, fallen ihnen automatisch mehr Krankheitssymptome ein, die davon hervorgerufen wurden.

Bedauerlich sei, dass man die befragten Studenten nicht auch ärztlich untersuchen konnte, so der Psychologe. Wünschenswert wären in diesem Zusammenhang sicher interdisziplinär angelegte Studien unter Beteiligung der Medizin, so Kaspers.

Trotzdem gehen die Psychologen davon aus, dass es sich bei den Reaktionen der Studenten um ein Beispiel für so genannte Multiple Chemische Sensitivität (MCS) handelt, bei der die Symptome nicht durch Umweltgifte sondern durch psychologische Mechanismen hervorgerufen werden.

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