Prozess gegen John Galliano:Abgrundtiefer Sturz vom Thron der Mode

Um seine Freiheit zu retten, will John Galliano vor einem Pariser Gericht auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren. Doch egal wie der Prozess wegen antisemitischer Hasstiraden ausgeht - die schlimmste Strafe hat der frühere Dior-Designer bereits erhalten.

Michael Kläsgen, Paris

Auch wenn es ihm schwerfallen dürfte: John Galliano wird an diesem Mittwoch vor Gericht erscheinen, es sei denn, es kommt noch unerwartet etwas Gravierendes dazwischen. Die internationale Presse wird dann mindestens ebenso zahlreich zugegen sein wie bei den Modeschauen, die der 50 Jahre alte Designer bis zu seinem Rausschmiss im März für das Couture-Haus Dior inszenieren durfte. So weit die Gewissheiten.

John Galliano

Im Februar hatte John Galliano betrunken in einem Pariser Lokal andere Gäste rassistisch beschimpft. Mittlerweile hat sich der frühere Chefdesigner des Luxuslabels Dior komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen - und in New York eine Entziehungskur begonnen.

(Foto: AP)

Die Frage ist nun, welcher Galliano da vor der 17. Pariser Strafkammer auflaufen wird. Galliano, der Geläuterte? Galliano, der Kämpfer? Oder doch ein Mann, der einen singulären Aussetzer hatte, an den er sich nicht mehr erinnert?

Angeklagt wegen antisemitischer Hasstiraden

Es wird jedenfalls nicht der sturzbetrunkene Rassist sein, der in dem Video zu sehen ist, das die britische Boulevardzeitung Sun im Februar veröffentlicht hat. Dort ist der Modeschöpfer allein in einer Ecke seiner Stammkneipe "La Perle" im Pariser In-Viertel Marais zu sehen. Galliano - schwarzes Militärkäppi, Oberlippenbärtchen, schwere Zunge - pöbelt seine Tischnachbarn an: "Leute wie Sie sollten tot sein. Ihre Mütter, Ihre Großeltern sollten alle verdammt vergast sein", lallt er und fügt hinzu: "Ich liebe Hitler."

Jetzt ist er wegen antisemitischer Hasstiraden angeklagt und könnte zu sechs Monaten Haft und einer Geldbuße von 22.500 Euro verurteilt werden.

Die für ihn schwerwiegendere Strafe hat er aber schon erhalten: der abgrundtiefe Sturz vom Thron der Mode und die internationale Ächtung. Ein enfant terrible war Galliano von Beginn an. Doch der Vorfall hat ihn zur persona non grata gemacht.

"Ein Zustand der Unzurechnungsfähigkeit"

Es wird nicht leicht werden für seinen Anwalt, den Vorwurf des Antisemitismus aus der Welt zu schaffen. Seine Verteidigungsstrategie läuft darauf hinaus zu zeigen, dass mehrere Personen in Galliano wohnen.

"Er war in einem Zustand der Unzurechnungsfähigkeit", sagt sein Verteidiger Aurélien Hamelle. Ein Mix aus Alkohol und Medikamenten habe bewirkt, dass in dem Bistro ein anderer Galliano sprach als der, der er wirklich ist. Ein ärztliches Attest belege das. "Als er das Video sah, war er geschockt", bekräftigt Hamelle. "In dem Moment wurde er sich seines Verfalls bewusst."

Freunde und Kollegen bestätigten, dass er den Tod seines Lebensgefährten nicht verwunden hatte.

Galliano selber hat sich längst für seinen Ausraster entschuldigt, den das Video ja auch unwiderlegbar zutage befördert hat. Er hat sich zuletzt völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und in New York eine Entziehungskur gemacht. Für ihn geht es darum, Absolution zu erhalten - und irgendwann vielleicht das eigene Comeback inszenieren zu dürfen.

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