Süddeutsche Zeitung

Promis und Liebe - "Schmachtwort der Woche":"Ich habe keine heterosexuellen männlichen Freunde"

Außer ihrem Ehemann David duldet Victoria Beckham nur schwule Männer in ihrer Nähe. Doch warum glauben eigentlich so viele Frauen, dass homosexuelle Männer zwangsläufig die besseren Freundinnen sind?

von Violetta Simon

"Ich habe keine heterosexuellen männlichen Freunde - außer einem, und den habe ich geheiratet", sagte Victoria Beckham Anfang April dem OK-Magazin. Vermutlich war David Beckham der einzige ihrer Freunde, der sich die Nägel lackierte und trotzdem auf prollige dünne Mädchen stand. Also wurde aus der Girl-Group-Sängerin Victoria eine Spielerfrau und aus dem Fußballer David ein metrosexueller Softie. Während David seine Umwelt abwechselnd mit neuen Tattoos und schrägen Frisuren entzückte, bewies "Posh" durch das Tragen von Eulen-Brillen, absatzlosen Plateau-Stiefeln und Jeans in Kindergrößen, dass schlechter Geschmack durchaus die Voraussetzung für eine Designer-Karriere sein kann. Eine weiteres unverzichtbares Element für die 38-Jährige: der schwule Freund.

In weniger aufgeklärten Zeiten galt eine Frau in Begleitung schwuler Männer schnell als bedürftig, weshalb man sie auch als "Gaby" bezeichnete. Der Name stand für ein Mädchen, dessen einzige Chance auf den Umgang mit attraktiven Männern darin lag, sich unter eine Gay-Truppe zu mischen. Heute heißen diese Frauen nicht mehr Gaby, sondern Victoria oder Anne (Hathaway) und sie hängen sich nicht mehr an Schwule, sondern behängen sich mit ihnen wie mit einem modischen Accessoire. Nicht mehr lange, und in Hollywood wird die erste "Rent-a-Gay"-Agentur eröffnen.

Doch warum finden so viele Frauen, dass homosexuelle Männer die besseren Freundinnen sind? Den gängigen Klischees aus Film und Literatur zu urteilen, ist die Sache klar: Beide stehen auf Kerle, shoppen bis der Arzt kommt, plaudern am liebsten über Kosmetik und heulen ins Papiertaschentuch, wenn "Die Hochzeit meines besten Freundes" im TV läuft. Ansonsten kichern sie, einen Chihuahua unterm Arm und einen Veneto Sprizz in der Hand, albern vor sich hin.

Doch bleiben wir bei den Fakten: Mit einem schwulen Mann kann eine Frau eine vertrauensvolle Beziehung haben, ohne dass er mit ihr ins Bett will. Somit können beide sicher sein, sich weder selbst bedrängt fühlen zu müssen, noch als aufdringlich empfunden zu werden. Dasselbe gilt aber auch für Freundinnen - und qualifiziert den homosexuellen Mann nicht zur Busenfreundin 2.0, die man wie eine Louis Vuitton-Tasche mit sich herumschleppt.

Wir Mädels teilen alles

Eine Menge Frauen bestehen jedoch darauf, dass Homosexualität aus einem Mann einen Frauenversteher mit einer Extraportion Mitgefühl macht, den man stundenlang mit Liebeskummer-Geschichten zumüllen kann. Wie kommen sie eigentlich darauf, dass Schwule total begeistert davon sind, wenn man sie zu ihrem Lieblingsspielzeug erklärt und sie knuddelt, wenn einem gerade danach ist? In ihrer "Wir-Mädels-teilen-alles"-Begeisterung sollten Frauen besser die Grenzen erkennen und sich hin und wieder ins Gedächtnis rufen, dass ein Mann, auch ein schwuler, keinen Zyklus hat und sie zum Beispiel nicht mit ihm über Regelbeschwerden plaudern können.

Natürlich ist es wohltuend, jemanden um sich zu haben, der die Aura der Einsamkeit verscheucht, ohne die Signalwirkung der Verfügbarkeit zu beeinträchtigen. Und das Ganze auch noch konkurrenzlos! So ganz sicher sein kann man sich als Frau nämlich nicht, ob die gewagte Hose Begeisterung auslöst, weil man atemberaubend darin aussieht - oder weil die beste Freundin erkannt hat, dass sie daneben noch attraktiver wirkt.

Gerade in Modefragen gehen manche Frauen in ihrem Vertrauen in schwule Männer aber dann doch zu weit: Nicht jeder ist ein Prosecco trinkender Stilberater in Gestalt eines Adonis, der einem wild gestikulierend und mit verdrehten Augen den Fehlkauf ausredet und auch gleich eine perfekte Alternative parat hat. Als gäbe es auf dieser Welt keine Menschen, die sich was aus Kerlen, aber nichts aus Klamotten machen. Sicher, es gibt genügend schwule Männer, die Mode machen - aber eben nicht immer ernstzunehmende, wie die Kollektionen des Schwaben Harald Glööckler beweisen. Eine Freundschaft mit ihm können wohl nur Frauen schätzen, die Wert darauf legen, wie eine Kreuzung aus Transvestit und Truthahn auszusehen.

Sympathische Randgruppe

Ebensowenig sollte man die sexuelle Orientierung eines Menschen mit seinen Charaktereigenschaften verwechseln - auch wenn Victoria Beckham dieser Unterschied nicht klar zu sein scheint. Denn für sie ist Schwulsein offenbar ein Synonym für Sympathie: "Ich liebe schwule Männer", sagte sie einmal ganz pauschal im Gespräch mit der Sun. Das ist in etwa so, als würde George Michael auf einem seiner Konzerte ins Mikrofon brüllen: "Ich liebe Hetero-Frauen!" oder Til Schweiger in der Bild erklären, dass er lesbische Frauen total schätzt.

Was hier als Weltoffenheit daherkommt, ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Reduzierung auf eine sexuelle Orientierung, die auch noch davon ausgeht, dass sich die angesprochene "Randgruppe" angemessen geschmeichelt zu fühlen hat. Dass die Zuneigung jedoch nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruht, bewies Victoria dann auch noch selbst, indem sie hinzufügte: "Tief in mir drin steckt ein schwuler Mann, der hinaus will."

Kein Wunder - ein Schwuler, gefangen im knochigen, silikonverstärkten Körper von Victoria Beckham. Der will nur eins: nichts wie weg.

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