Promis und die Liebe - Schmachtwort der Woche:"Augen zu und durch. Wir sind ja Männer"

Mann sein - als wäre damit alles gesagt. Doch was genau bedeutet das überhaupt? Vor allem, dass man keine Ahnung hat, was die anderen von einem erwarten.

von Violetta Simon

Es gibt Situationen, in denen braucht der Mensch Zuspruch. Das gilt sogar für harte Jungs. Man muss nur an die Bayern-Spieler denken, denen noch immer das verlorene Champions-League-Finale im Nacken sitzt. Ausgerechnet jetzt, wo die EM ansteht.

Schmachtwort Jupp Heynckes

Das Schmachtwort der Woche kommt diesmal von Jupp Heynckes.

(Foto: Sophie Kaiser)

Mit Respekt erinnern wir an Jupp Heynckes, der in so einem Moment stets die richtigen Worte findet. Um seine Spieler bei Eiseskälte auf ein bevorstehendes Bundesliga-Spieltag in Hamburg vorzubereiten, hielt er zum Beispiel im Februar eine flammende Blut-, Schweiß- und Tränenrede vor seiner Mannschaft: "Augen zu und durch. Wir sind ja Männer". Damit war dann auch alles geklärt.

War es das? Oder fühlten sich die Spieler nun erst recht verwirrt, sahen sich gegenseitig fragend an und grübelten, was ihr Trainer damit gemeint haben könnte. Da war sie wieder, die Frage: Was ist das überhaupt, ein Mann? Was macht ihn aus, den Mann? Die Anforderungen andern sich ja ständig!

Glaubt man dem Brockhaus, galt er einst als "höchste Verwirklichungsform menschlichen Seins". Doch dann ging es bergab: In den 50ern bestand das Mannsein gerade noch darin, morgens mit einer Aktentasche unterm Arm Richtung Büro zu verschwinden und abends in Pantoffeln zu schlüpfen. Jedes Jahr fand er ein Kind mehr vor, das Taschengeld von ihm wollte. In den 60ern sorgte der Mann zwar weiter für das Einkommen, die Komfortzone "Pantoffeln" aber entfiel - ebenso wie der jährliche Nachwuchs, weil die Gattin es plötzlich vorziehen konnte, die Familienplanung selbst in die Hand zu nehmen.

In den 70ern ließ er sich die Haare wachsen, trug selbstgebatikte T-Shirts und sprang bekifft über die Felder irgendwelcher Musikfestivals. Hauptsache, er verhielt sich nicht wie jene entmachteten Patriarchen, die man bis vor Kurzem noch als Mann bezeichnet hatte.

Alles mitgemacht, nichts erreicht

Der Mann hat alles mitgemacht - und es hat alles nichts genutzt: In den 80ern wurde ein Großteil seiner Geschlechtsgenossen ziemlich uncharmant durch die Scheidungswelle entsorgt. Und während Ina Deter ihnen noch spottend hinterherrief: "Neue Männer braucht das Land!", röchelte er mit der letzten Kraft seiner Selbsterkenntnis: "Der Mann ist sozial und sexuell ein Idiot". Und ertrug sogar, dass der Satz jahrelang programmatisch im Vorwort der Ratgeberreihe "rororo-Mann" zu finden war.

Um seinem desolaten Image das passende Äußere zu verleihen, begann er seine Haare vorne kurz und hinten lang zu tragen. Seine Enttäuschung unterstrich er durch einen grimmigen Schnauzer, der ihm gramgebeugt über den verschlossenen Lippen hing und der ihm ein unnahbares Äußeres verlieh. Der Macho war geboren - und siehe da, er kam richtig gut an bei den Frauen. Zumindest vorübergehend.

Als die Frauen in den 90ern von den harten Jungs wieder genug hatten, war die Stunde des Softies gekommen, an dessen Schulter es sich so wunderbar heulen ließ. Leider waren diese Schultern vielen Frauen zu schmal, so dass der Frauenversteher zur Jahrtausendwende erkennen musste, dass er als WG-Mitglied zwar akzeptiert, als Partner im Bett aber eine Witzfigur war. Vollkommen desillusioniert rief er eine "Männer-Werdungs-Gruppe" ins Leben und suchte nach dem Archetypen in sich. Gefunden hat er ihn bis heute nicht.

So gesehen war es schon ein starkes Stück von Jupp Heynckes, sich da einfach hinzustellen und zu sagen: "Augen zu und durch. Wir sind ja Männer". Wenn überhaupt, funktioniert das Ganze bestenfalls andersrum. Dann würde Jogi Löw seine Kabinenansprache für das erste EM-Spiel so formulieren: "Alle mal herhören! Wie Ihr wisst, sind wir Männer. Ich habe auch keine Ahnung, was genau man von uns erwartet. Ich weiß nur, dass wir es sowieso nie herausfinden werden. Also, sag ich jetzt mal, wäre wohl die beste Strategie: Augen zu und durch!"

Seit Jogi Löw neuerdings einen Werbevertrag mit einem Kosmetikkonzern hat, wäre es durchaus möglich, dass er ihnen anschließend die Waden rasiert und mit einer kühlenden Bodylotion massiert. Und würden sie seinen Rat befolgen, könnten sie dabei einfach mal die Augen schließen und es genießen.

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