Promis gegen Krankheiten:"Wir machen jetzt mal 'ne Depressionsgala"

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Harald Schmidt, Franz Beckenbauer, Verona Pooth - immer mehr Prominente lassen sich in den Dienst von Medizin und Pharmaindustrie stellen.

Werner Bartens

"Vier Millionen Depressive in Deutschland - das kann nicht nur am Fernsehprogramm liegen!" So präsentiert sich Harald Schmidt als Schirmherr der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, die Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.

Harald Schmidt: Mit Sekt und Canapees gegen tiefe Trauer (Foto: Foto: dpa)

Dann kokettiert er damit, dass man keine Witze über Kranke machen solle: "Zu unseriöser Einstieg in ein ernstes Thema? Genau darum geht es. Um den Unterschied zwischen total depri sein, wenn der neue SUV mit den falschen Fußmatten ausgeliefert wird, und einer ernst zu nehmenden Volkskrankheit."

Die Depression ist unbestritten ein fürchterliches Leiden. Schmidt engagiert sich, weil "das Erkennen der Symptome und die mögliche Behandlung der Krankheit einer großen Öffentlichkeit vermittelt werden" sollen. "Klingt ehrenwert", sagt der Bremer Gesundheitswissenschaftler Norbert Schmacke. "In den vergangenen Jahren sind etliche Ärzte aber immer vorsichtiger geworden, trauernde oder stimmungslabile Menschen gleich als depressiv zu stigmatisieren."

In der Kritik steht auch, dass unter Mithilfe von Ärzten und Pharmaindustrie inzwischen bei zu vielen Menschen eine Depression diagnostiziert wird - die Zahl der psychisch Kranken habe jedoch nicht zugenommen, wohl aber die derjenigen, die so behandelt werden. Solche Feinheiten, wie auch die Tatsache, dass Antidepressiva nicht so viel nutzen, wie vermutet, bleiben oft auf der Strecke, wenn Prominente sich von Industrie und Medizin einspannen lassen.

Schwärmen für den Computertomographen

Ob Pelé für Viagra dahin geht, wo es wehtut ("Sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber") oder mit dem Evergreen "Burning ring of fire" von Johnny Cash für Hämorrhoidensalbe geworben wird: Unter Prominenten und solchen, die sich dafür halten, hat es mittlerweile Tradition, für eine vermeintlich gute Sache einzutreten.

Der Aufruf zur Darmspiegelung hat der Rubrik "Was macht eigentlich?" den Rang streitig gemacht. Mittlerweile werben Nina Ruge, Verona Pooth, Christine Neubauer und die unvermeidliche Maria Furtwängler unter dem Motto "I feel good" für die Inspektion der Darmwände.

Seit die Felix-Burda-Stiftung viel Geld aufwendet, um über Darmkrebs zu informieren, sind Untersuchungen des Enddarms populär geworden. Ex-Moderatorin Susan Stahnke hat sich im März 2002 sogar dabei filmen lassen ("Ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass man gesund ist"). Ihre Hollywood-Karriere haben die Szenen mit innerer Beteiligung allerdings nicht befördert.

"Prominente haben Verantwortung und finden Nachahmer", sagt Gesundheitswissenschaftler Schmacke. "Ich bin aber skeptisch, ob sie die Zeit haben, sich etwa mit den Qualitätsanforderungen an das Screening zu beschäftigen." Es sei tief im Bewusstsein verankert, dass Früherkennung gut ist - "dabei muss der Nutzen erst belegt sein".

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Unfreiwillig ehrliche Werbung

Der Erfolg der Kampagnen ist nicht zu unterschätzen. "Es klingt zynisch, aber seit der junge Burda gestorben ist, haben wir Fachärzte finanziell keine Sorgen mehr", sagt ein Darm-Experte, der nicht genannt werden will. Nun kann die Darmspiegelung in der Tat hilfreich sein, um Tumore aufzudecken. DieAufklärung darüber, wie groß das Risiko für Darmkrebs tatsächlich ist und welche Chancen und Risiken mit der Untersuchung einhergehen, kommen in der Promi-Werbung aber zu kurz.

Aus Begeisterung über die schönen Bilder machen Prominente auch schon mal bei medizinisch völlig unsinnigen Tests mit. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA warnt beispielsweise vor dem Check im Ganzkörper-CT. Ohne Beschwerden und konkrete Indikation sei der Schaden größer als der Nutzen. Trotzdem haben diagnostische Zentren Konjunktur, die das Ganzkörper-Screening in der Röhre anbieten. Die US-Moderatorin Oprah Winfrey schwärmte von der Untersuchung, Franz Beckenbauer ließ sich ebenfalls durchleuchten.

Jeder nimmt die Prominenz, die er kriegt. Im Universitätsklinikum Essen hat sich der ehemalige Boxweltmeister Dariusz Michalczewski, der Tiger mit der platten Nase, in die Röhre gelegt. Die Aufnahme seines geschundenen Körpers ist koloriert worden. Ob der Boxer bei seiner Berufsausübung Schaden genommen hat, war dem Bild nicht zu entnehmen.

Um Ehrlichkeit geht es in der Werbung zwar selten, aber Prominente, die sich von Medizin und Pharmaindustrie einspannen lassen, könnten Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Uwe Ochsenknecht, der für das Haarwuchsmittel Propecia wirbt, ist ein gutes Beispiel. Hier ist für jeden deutlich, um was es bei dieser PR geht, denn Ochsenknechts Kopf offenbart schonungslos, wie dezent das Mittel wirkt. Besser wären noch eindeutigere Aussagen. So könnte Jan Ullrich für den Blutspendedienst werben, Boris Becker für Kondome. Radfahrer des Team Telekom müssten das Krebsmittel Epo anpreisen. Das hilft nämlich wirklich.

© SZ vom 12.6.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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