Projekt Nichtraucher:Raucher sind die cooleren Menschen

Die angesagten Jungs auf dem Schulhof waren stets die, die geraucht haben. Warum hat sich daran auch heute nichts geändert? Eine Erklärung.

Jürgen Schmieder

Es gibt Adjektive, die Menschen gerne auf sich angewandt wissen. Attraktiv gehört dazu, sympathisch steht ebenfalls oben auf der Liste. Das Über-Adjektiv allerdings ist cool. Für einen Teenager bedeutet das Wort eine raison d'etre. In einem Internet-Lexikon steht: "Coolness, also Cool-Sein, gilt mittlerweile in weiten Kreisen der Gesellschaft als anstrebenswerte Persönlichkeitseigenschaft. In einigen Subkulturen ist das Ideal von Coolness besonders ausgeprägt." Cool ist einfach cool - nicht umsonst wird Oscar Wildes Buchtitel für den Spruch "The Importance of Being Cool" missbraucht - Cool sein ist wichtiger als ernst sein.

Raucher sind die cooleren Menschen

Raucher sind die cooleren Menschen.

(Foto: Foto: iStock)

Die Bedeutung von "cool" hat seinen Usprung im Jazz. Wenn es im Club zu heiß wurde und die Musiker zu schwitzen begannen, dann spielten sie ein paar ruhigere Lieder, um sich nicht anstrengen zu müssen. Leise Drums, vorsichtiger Bass, lockere Trompete. Kein Wunder, dass Jazz als eine der coolsten Musikrichtungen gilt.

Es gab auch einmal eine Zeit, da war das Rauchen cool. Es begann mit Marlene Dietrich, wurde von Jimmy Stewart aufrechterhalten und endete irgendwann mit John Travoltas letzter Kippe in "Pulp Fiction". Doch nicht nur im Film, sondern auch auf dem Schulhof, auf Partys und in Kneipen waren die coolen Jungs meist die, die geraucht haben.

In diesem Jahrhundert freilich ist es völlig uncool, Raucher zu sein. Es wundert einen schon, dass in besagtem Internet-Lexikon beim Begriff "cool" nicht steht, dass nicht "uncool" das Gegenteil von "cool" ist, sondern "Raucher". Diese luftverpestenden, ignoranten, willensschwachen, kurz: nicht-coolen Menschen.

Ausgerechnet jetzt erscheint eine Studie, die besagt, dass 83 Prozent aller professionellen Jazz-Musiker rauchen. Ja schlimmer noch, die meisten von ihnen rauchen, während sie den Bass bedienen oder die Drums streichen. Nur die Trompeter würden aus nachvollziebaren Gründen während des Spiels auf eine Kippe verzichten.

Wie kann man sich das erklären? Wie können diese coolen Typen mit ihrer coolen Musik solch ein uncooles Hobby wie das Rauchen haben?

Das würde nämlich auch mein Verhalten in den vergangenen Wochen erklären: Wenn Kollegen zum Rauchen ins Treppenhaus wandern, gehe ich einfach mit. Wenn ein Kumpel die Bar zum "Smirten" verlässt, bin ich dabei. Ich stelle mich bei Partys sogar mit auf den Balkon - obwohl es eiskalt da draußen ist.

Warum ist das so? Es kommt mir so vor, als wäre ich nicht süchtig nach dem Rauchen, sondern nach einer Raucher-Clique. Bei den Rauchern geht es zu wie in der Jungs-Gruppe damals in der Schule. Es wird Blödsinn getrieben, gelacht, geschäkert. Hin und wieder erzählt einer einen schlechten Witz. Es ist einfach cool, dabei zu sein.

Immer-noch-Raucher Ralf stellt in seiner gewohnt zurückhaltenden Art fest: "Wir sind einfach cool!" Recht hat er: Raucher sind die cooleren Menschen! Wenn sie nur nicht rauchen würden.

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