Projekt Nichtraucher:Ich! Bin! Ruhig!

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Wer denkt, dass es im Urlaub einfacher sei, dem Rauchen für immer zu entsagen, der irrt sich gewaltig. Denn nur in den Ferien warten die wirklich harten Prüfungen.

Jürgen Schmieder

Das Wort Urlaub bedeutete im 19. Jahrhundert "zeitweilige Freistellung vom Dienst". Es beschrieb ganz speziell den Soldaten, der für ein paar Tage aus der Kaserne verschwand und nur das tat, was er wollte - Freiheit pur. Im 21. Jahrhundert weiß man: Der Soldat von damals kann unmöglich verheiratet gewesen sein und war wohl niemals im All-Inclusive-Urlaub auf Sri Lanka. Und bestimmt hat er nicht versucht, sich während dieser Zeit das Rauchen abzugewöhnen. Der Glückliche.

Ich - nervös? Ich bin die Ruhe in Person! (Foto: Foto: iStockphotos)

Der brave Büro-Soldat von heute nimmt die gesammelten Wochenend-Frondienst-Freitage, schlachtet sein armes Sparschwein und fliegt in den Urlaub. Ein paar Tage relaxen, die große Zehe in den Indischen Ozean tauchen und nebenbei am Cocktail schlürfen. Kein Fernseher, kein Handy, kein Computer. In dieser Umgebung sollte sogar Edmund Stoiber entspannen können. Oder Werner Lorant. Oder das HB-Männchen.

Apropos HB-Männchen: So ein Urlaub ist doch genau der richtige Zeitpunkt, um mit dem Rauchen aufzuhören - denkt man. Aber eigentlich sind Ferien die einzige Umgebung außer dem Kino, wo noch für das Rauchen geworben werden darf. Es ist keine explizite Werbung, sondern Product Placement der hundsgemeinen Sorte. Es ist ein schleichender Prozess - und am Ende warten die schlimmsten Prüfungen auf den Abstinenzler.

Wenigstens einige freuen sich

Als Rauchfrei-Neuling fühlt man sich besonders heroisch und überlegen, weil man nun stark ist - obwohl es eigentlich keine Heldentat ist, mit dem Rauchen aufzuhören. Dennoch hält es der Drei-Tage-Abstinenzler mit der Bibel und fühlt sich wie ein umgekehrter Sünder: "Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über 99 Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren." Nur dass sich bei der Rauchentwöhnung nicht der ganze Himmel freut, sondern höchstens ein paar Mitmenschen.

Es beginnt am Flughafen: Ich blicke mitleidig auf die Süchtigen, die sich wie eine Kreuzung aus Lemming und Sardine in diese Raucherboxen zwängen, eine Zigarette einsaugen und um die Wette husten. Tut das gut, wenn man dann noch gesagt bekommt: "Du riechst so gut - und deine Haut sieht fünf Jahre jünger aus!" Ich ignoriere fast die Werbeplakate im Duty-Free-Shop, die eine Stange Marlboro Lights für 25 Euro anpreisen. "Naja, ich könnte doch, so eine auf Vorrat, man weiß ja nie ..." Meine Frau sieht mich an, als hätte ich ihr gerade gesagt, dass sie zugenommen hat, ihre Frisur schrecklich ist und sie nie mehr Schuhe kaufen darf. Wir gehen am Shop vorbei, ohne etwas mitzunehmen.

Der erste Abend im Hotel wird zu einem Live-Werbefilm für die Zigarettenindustrie. Die Gäste stellen nach dem Abendessen so ziemlich jede Situation nach, wegen denen mir das Rauchen tatsächlich und entgegen aller Vernunft Spaß gemacht hat. Ein Gast raucht eine Zigarette nach dem Essen. Ein Pärchen raucht, nachdem es, nunja, von einem romantischen Abenteuer am Strand zurückkehrt. Ein russischer Besucher steckt sich beim Pokern eine Kippe in den Mund und sieht seine Gegner an wie Cincinnati Kid einst Nemesis Lancey Howard vor dem entscheidenden Duell. Jetzt hätte ich auch gern eine. Aber ich bleibe tapfer.

Ich bin gestresst!

Der nächste Tag ist HB-Männchen-Tag. Ich bin tierisch gestresst. Am Morgen habe ich gegen einen russischen Ivan-Drago-Verschnitt - ich glaube sogar, es war Dolph Lundgren - beim Volleyball verloren. Seine Siegeszigarette hätte ich ihm am liebsten auf dem Kopf ausgedrückt. Danach habe ich beim Ausflug die srilankische Zeitmessung kennengelernt. "Gleich" bedeutet "in frühestens einer Stunde", und "eine Stunde zu Fuß" ist ein Tagesmarsch. Normalerweise hätte ich nun drei bis 17 Zigaretten gebraucht, um nicht durchzudrehen. Doch auch wenn ich kurz vor einer Halsschlagaderzerrung stehe: Ich bleibe rauchfrei. Wie? Komplimente von meiner Frau, der Gedanke an zwei dreckige Autos, die ich putzen müsste und mein kranker Ehrgeiz, nicht verlieren zu können.

Die härsteste Prüfung wartet jedoch am letzten Abend. Da sitzen die Einheimischen am Strand herum, rauchen eine Friedenspfeife und laden uns ein. Was soll ich sagen? Ich bin weiter rauchfrei. Ich habe lieber den Russen beim Tennis besiegt und mich ganz ohne Worte mit dem Taxifahrer über die Fahrt zum Flughafen geeinigt: Ich hatte 3.30 Uhr mit ihm vereinbart, bin aber erst um vier Uhr erschienen - und war genau dreißig Sekunden vor ihm da. Man muss nur auf seine Mitmenschen eingehen.

Wo wir gerade von Mitmenschen sprechen. Vielleicht fragen Sie sich, wie es den beiden Mitstreitern Ralf und Lars ergangen sein mag. Ich möchte nur soviel verraten: Lars steht wahrscheinlich gerade in einer Raucherbox am Flughafen - und Ralf versucht davor, eine Zigarette zu schnorren. Über die beiden wird im Himmel keine Freude herrschen - zumindest nicht beim Thema Rauchen.

Lesen Sie nächste Woche: Wie sich Nichtrauchen aufs Flirten auswirkt ...

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