Projekt Nichtraucher:"Einfach nur baaaamm!"

Mentalist Uri Geller wollte ganz Deutschland via TV vom Rauch befreien. Es klappte - weil sich vor Langeweile eingeschlafene Menschen keine Zigarette anzünden können.

Jürgen Schmieder

Was für eine Ankündigung: "Uri Geller will Millionen Raucher bekehren!" So stand es am Nachmittag auf der Homepage von Pro Sieben. Nachrichtenseiten, die sich selbst als seriös betrachten, übernahmen die Sender-Überschrift brav, als wäre sie in Stein gemeißelt und nicht aus schwarzen Pixeln.

Rauch in der Kneipe

Rauchen aufhören mit Uri Geller: nur bedingt erfolgreich

(Foto: Foto: dpa)

Ist aber auch eine Neuigkeit, wenn der israelische Löffelbieger verkündet, er wolle Deutschland rauchfrei machen. Spricht sich sicher rum. Einfaches Kalkül der Kampagne: Wenn nur ein Drittel der deutschen Raucher einschaltet, könnte Pro Sieben die durchwachsenen Quoten (zuletzt 3,3 Millionen) verdoppeln. Ein Hoch dem viralen Marketing.

Moderator Stefan Gödde verkündete am Anfang der Sendung: "Sie werden besser riechen. Sie werden schneller laufen. Sie werden besser aussehen." Wenn er gedurft hätte, dann hätte er auch noch gesagt, dass die Zuschauer eine Million Euro verdienen und den Nobelpreis gewinnen werden.

So aber holte er nur Uri Geller auf die Bühne, der sogleich in seinem ihm typischen Mix aus Wanderprediger und Motivationstrainer erklärte: "I'm always energized!" Um seine Erfolge in der Vergangenheit zu demonstrieren, schalteten Gödde und Geller ins N24-Studio. Dort wurden drei Home-Videos von Zuschauern gezeigt, die Löffel bogen.

Ein Blick ins Internet zeigt andere "Erfolge" von Geller: Er prophezeite einen Erfolg der englischen Nationalelf bei der Fußball-EM 1996 gegen Deutschland. Das Spiel endete bekanntermaßen mit einem Sieg der deutschen Elf.

Bis zur großen Entwöhnung sollte es allerdings dauern, schließlich ist "The Next Uri Geller" eine Casting-Show. Nur soll kein Superstar, Tanzbär oder Topmodel gesucht werden, sondern ein würdiger Nachfolger des Mentalisten-Millionärs. Als Promi-Zeugen waren geladen: Monrose-Sängerin Senna ("Ich glaube an das Spirituelle!"), Moderator Oli P. ("Ich hab's wirklich gesehen!") und die ehemalige Boxerin Regina Halmich ("Es gibt was zwischen Himmel und Erde!") Das Trio war bei jedem Trick der Nachwuchs-Gedankenleser so begeistert, als hätte man ihnen gerade erzählt, Außerirdische wären direkt vor dem Studio gelandet.

In Wahrheit jedoch waren die Darbietungen so interessant wie das Anstehen an einer Supermarktkasse am Freitagabend. Lämmermann-Lookalike Alexander Hartmann klärte im Fortgeschrittenen-Cluedo einen fiktiven Mord auf. Das Promi-Trio durfte sich Ort, Tatwaffe und Mörder ausdenken - Hartmann wusste schon vorher, dass es Kermit mit einem Nudelholz in Sydney war.

"Einfach nur baaaamm!"

Thorsten Strotmann suchte den "Stein der Wahrheit" - ein Trick, den man auch in einer dunklen Gasse im Mallorca-Urlaub geboten bekommt. Leo Martin spielte "Das ist das Haus vom Nikolaus" mit Senna - eine Variante, die man vor neun Jahren schon in David Copperfields Show "You" sehen durfte. Kandidat Farid ließ sich mit Paintball beschießen und wusste schon vorher, dass Oli P. den Bauch treffen würde.

Bei den Darbietungen der Casting-Kandidaten handelte es sich zwar lediglich um professionell produzierte Hütchenspieler-Tricks, dafür gerierte sich Uri Geller auf seinem Juroren-Stuhl wie Yoda bei einer Sitzung der Yedi-Retter. Er lobte jeden seiner Padawan-Schüler ("Perfekte psychologische Manipulation!") und weißt immer wieder darauf hin, dass er am Ende der Sendung ganz Deutschland vom Rauch befreien werde.

Das tat auch Stefan Gödde am Ende der Werbepausen, die interessanter waren als die Sendung selbst. Pro Sieben bewies nämlich, wie personalisierte Werbung im Amazon-Prinzip auszusehen hat. Es gab Hinweise auf die Sendung "Das Jesus Buch", das "Galileo"-Spezial "Ein Code wird entschlüsselt" und auf einen Spielfilm mit Tom Cruise. Wenn Sie diese Sendung sehen, könnten Ihnen auch die anderen gefallen.

Die große Rauchbefreiung kam am Ende der Sendung. Geller stieg herab von seinem Yedi-Ritter-Stuhl und begab sich auf die Bühne. Er erklärte in bester Motivationstrainer-Manier, wie schlimm das mit dem Rauchen ist. Als Beweis zog er an einer Zigarette und blies den Rauch in ein Taschentuch. Er sagte: "Das zeigt, wie dreckig Rauchen ist: gelber Teer, das haben Sie in den Lungen!" Danach gab er den Mediziner und zeigte den Unterschied zwischen einer Raucherlunge und der eines Nichtrauchers. "Sind Sie dumm?", fragt er die Raucher im Saal und an den TV-Schirmen.

Dann brüllte er den Uri-Geller-Spruch: "Achad-Shtayim-Shalosh!" Wer nun glaubte, der Ausruf sei das hebräische Abrakadabra oder zumindest das Mentalisten-"Chacka!", der sah sich getäuscht. Es bedeutet lediglich "Eins, zwei, drei" und ist der reziproke Countdown für den motivierten Zuschauer-Ruf: "Ich höre auf!"

Uri Geller schrie: "Ganz Deutschland soll rufen!" Das hatte eher etwas von Parteitag als von Rauchentwöhnung. Dann regnete es Zigaretten-Schachteln auf die Bühne, Geller umarmte einen Zwei-Minuten-Nichtraucher ("Ich glaube, du hörst auf.") und versicherte sich noch einmal bei Monrose-Senna, dass wirklich alles total übersinnlich war: "Es war einfach nur baaaaaamm!"

Nach der großen Rauchentwöhnung, die auch ein charismatischer Gesundheitsminister hinbekommen hätte, wurde noch eine Telefonnummer eingeblendet. Die Menschen sollen anrufen, damit man "in der nächsten Woche von den Langzeitwirkungen berichten" könne. Nun, Uri Gellers Leben spielt sich eben in Sekunden ab.

Wenn jedoch tatsächlich jemand aufgrund Gellers Performance das Rauchen aufgeben wird, hat der selbsternannte Mentalist sein Ziel erreicht. Die Zuschauer der Sendung jedenfalls haben an diesem Abend nicht mehr geraucht. Ein Mensch, der vor Langeweile eingeschlafen ist, kann sich kaum eine Zigarette anstecken.

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