Pro und contra Heirat:Das große Zögern

Verliebt, verlobt ... Doch warum sollten Paare heiraten? Der gesellschaftliche Druck und die ökonomischen Motive schwinden.

Nina von Hardenberg

Die Hochzeit soll der schönste Tag im Leben sein. Ein Paar möchte für immer zusammenbleiben, und es bekennt dies öffentlich vor Familie und Freunden bei einem großen Fest und oft auch noch in der Kirche. Die Romantik dieses Moments ist immer noch ein beliebter Stoff für Kinofilme.

Ehe, istock

Traut sie sich oder doch nicht? In Deutschland hat der Lebensbund an Attraktivität verloren.

(Foto: Foto: istock)

In der Wirklichkeit aber, so scheint es, hat dieser Lebensbund längst an Attraktion verloren. Immer mehr Paare verzichten auf den formellen Akt der Eheschließung. 2007 lebten nach neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts 2,4 Millionen Paare in Deutschland ohne Trauschein zusammen in einem Haushalt - gut ein Drittel mehr als noch im Jahr 1996.

Im gleichen Zeitraum hat die Zahl der Eheschließungen um 14 Prozent abgenommen auf zuletzt 396000 Neuvermählungen im vergangenen Jahr. Sind die Deutschen ehemüde geworden? Ist Heiraten aus der Mode gekommen?

Sicher ist, dass die Paare heute länger zögern. Die Deutschen entscheiden sich immer später für die Ehe und nicht ohne sich vorher gründlich zu prüfen. Die große Mehrheit der Paare hat das Zusammenleben bereits in einer gemeinsamen Wohnung erprobt.

"Die nichteheliche Lebensform ist bei jüngeren und kinderlosen Paaren heute fast schon ein Normalfall", erklärt der Bremer Familienforscher Johannes Huinink. Das schlägt sich auch in der Statistik nieder: Frauen, die in nichtehelichen Partnerschaften lebten, waren 2007 im Schnitt 37,7 Jahre alt, Männer 40,3 Jahre. Sie waren damit deutlich jünger als Ehefrauen (52,1 Jahre) bzw. Ehemänner (54,9 Jahre).

Da der gesellschaftliche Druck zu heiraten nachgelassen hat, ist das Zusammenleben ohne Trauschein zu einer Art Vorehe geworden, zu einer modernen Form der Verlobungszeit.

Moderne Paare vermählten sich oft erst dann, wenn sie Kinder bekommen wollen, oder bereits Kinder da sind, erklärt Huinink: "Die Ehe ohne Kinder verliert an Boden." Tatsächlich lebten 2007 bei gut zwei Drittel der nichtehelichen Lebensgemeinschaften keine Kinder im Haushalt. 28 Prozent zogen mindestens ein minderjähriges Kind groß. Dagegen wohnten nur bei der Hälfte aller Ehepaare keine Kinder. (Zum Teil auch, weil die Kinder schon ausgezogen waren.) 34 Prozent der Paare zogen zumindest ein minderjähriges Kind groß.

Doch nicht nur die kinderlose Ehe wird immer seltener, auch insgesamt nimmt die Zahl der Trauungen seit Jahren ab - eine Tendenz, die sich nach Auffassung von Familienforschern noch fortsetzen wird.

Hauptgrund hierfür ist die wachsende finanzielle Unabhängigkeit der Frauen. Die traditionelle Ehe war auch ein Versorgungsvertrag: Die Frauen zogen die Kinder groß, und die Männer sorgten für das Einkommen und die Altersabsicherung. In dem Maße aber, in dem die Frauen eigenes Geld verdienen, verliert die Ehe diese Versicherungsfunktion.

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Das große Zögern

Besonders deutlich zeigt dies der Vergleich zwischen den alten und den neuen Bundesländern. In der DDR, in der Frauenerwerbstätigkeit gesichert war, nahm auch die Zahl der Scheidungen zu. Bis heute ist die nichteheliche Partnerschaft in Ostdeutschland viel verbreiteter als im Westen. In manchen Regionen liegt der Anteil der nichtehelichen Neugeborenen bei mehr als 60 Prozent.

Wie schnell Paare ihre Einstellung zur Ehe überdenken, wenn sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen ändern, zeigten zuletzt auch die Hartz-IV-Gesetze. Die Reform machte manchen Arbeitslosen plötzlich heiratswillig, denn nur Eheleute können ihre Partner noch kostenlos mitversichern. Andererseits zogen viele langjährige unverheiratete Paare auseinander, um nicht als "Erwerbsgemeinschaft" zu gelten, die auch ohne Trauschein gegenseitig zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden kann.

In diesem Sinne dürfte die von der Bundesregierung beschlossene Unterhaltsreform die Heiratslust weiter dämpfen. Denn das Gesetz hat die klassische Ehefrau und Mutter quasi abgeschafft. Wenn eine Frau heute diese Rolle wählt, übernimmt sie das Risiko, im Scheidungsfall schlecht dazustehen.

Denn anders als früher richtet sich die Unterhaltszahlung des Mannes im Falle der Trennung nicht mehr einfach am bisherigen Familieneinkommen, sondern es wird auch berücksichtigt, welchen Beruf die Frau, die für die Kinder pausiert hat, früher ausgeübt hat und wie viel sie heute verdienen könnte. Auch müssen geschiedene Ehefrauen neuerdings hinter einer neuen Lebensgefährtin zurückstehen, wenn diese mit dem Ex-Mann kleine Kinder hat und das Geld nicht für alle reicht.

Die Ehe "lohnt" sich also nicht mehr wirklich. Ist sie also deshalb ein Auslaufmodell?

Wohl kaum. Mit mehr als 18 Millionen solcher Verbindungen ist die Ehe in Deutschland immer noch die häufigste Form des Zusammenlebens von Paaren. Allerdings haben sich die Motive verschoben. Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Druck, eine feste Verbindung einzugehen, spielt eine geringere Rolle. Ungebrochen ist aber offenbar die Sehnsucht nach dauerhafter Liebe und Partnerschaft - und das, obwohl fast jede zweite Ehe geschieden wird. Der hartnäckige Optimismus ist nicht völlig unberechtigt: Eheleute sind im Schnitt glücklicher und leben länger, sagen Glücksforscher.

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