Süddeutsche Zeitung

Prinzessin Victorias Hochzeitstorte:Bitte keine Buttercreme

Sehr groß, sehr weiß und sehr lecker: Victorias Hochzeitstorte ist das Meisterwerk eines deutschen Konditors.

Johan Schloemann

Auch wenn Kälte, Wolken und vielleicht sogar Regen angesagt sind - Millionen werden am Samstag mitfiebern, wenn die Trauung und das Hochzeitsbankett der schwedischen Kronprinzessin Victoria und ihres Verlobten Daniel Westling im Fernsehen übertragen werden. Wer ganz treu royalistisch bis zum Ende ausharrt, der wird dann auch sehen, wie zwischen 22 und 23 Uhr zum Nachtisch im Stockholmer Stadtschloss eine gigantische Hochzeitstorte angeschnitten wird, die für gut 550 Hochzeitsgäste reichen soll. Braut und Bräutigam haben die Torte bei mehreren Verkostungsterminen selbst probiert und, so heißt es, "ihre Gesichtspunkte eingebracht".

Und wer in Schweden zuschaut, der kann zur Hochzeitstorte, noch treuer royalistisch, vor dem heimischen Fernseher eine spezielle Kreation verspeisen: die "Volkstorte" ("Folkets tårta"), eine kleine Populärvariante der Hochzeitstorte, die in den Bäckereien des Landes bereits etwa 300000 Mal verkauft wurde. Die exklusive Riesentorte für den Hochadel und das süße Teilchen für jedermann - beides ist das Werk eines deutschen Konditormeisters, der im rheinischen Merzenich aufgewachsen und ausgebildet ist.

Man muss in die tiefsten Wälder Südschwedens vordringen, um das Geheimnis dieses Erfolges zu entdecken. Hier, in einem kleinen, über einem See gelegenen Städtchen namens Ulricehamn, hat Günther Koerffer vor einem Vierteljahrhundert eine kleine Backstube aufgemacht. Er tat Sirup ins Brot, wie man es damals tat in Schweden, obwohl er selber gesüßtes Brot gar nicht schätzt - inzwischen, sagt er freudig, essen auch die Schweden mehr ungesüßtes Vollkornbrot.

Fürs Geschäft tut man eben alles, doch Günther Koerffers eigentliche Leidenschaft ist das Konditorhandwerk. Man wurde früh auf ihn aufmerksam, als er zeitweise als Dessertmeister in einem Stockholmer Spitzenrestaurant arbeitete - und so war er schon 1976 bei der Hochzeit von Victorias Eltern Carl Gustaf und Silvia für die königliche Hochzeitstorte verantwortlich, 1977 bei Victorias Taufe machte er den Nachtisch.

Günther Koerffer ist aufgestiegen zum "Konditor des Jahres", zum Vorsitzendes schwedischen und sogar des weltweiten Konditorverbandes. Seinem Kleinstadtladen in der Provinz bleibt er treu - das gereicht ihm zum Vorteil, denn sonst, so klagt man im Land, bekommen immer nur die Hauptstädter aus Stockholm Ruhm und Aufträge. In diesen Tagen dirigiert Koerffer an einem geheimen Ort in Stockholm ein Team von weiteren Spitzenkonditoren bei der Konstruktion eines riesigen mehrstöckigen Gebildes, das die Kronprinzessin nicht von der obersten Schicht aus wird anschneiden können, es sei denn, sie stiege auf eine sehr hohe Leiter.

"Die Schweden verabscheuen Buttercreme-Schichten, zu viel Sahne und Gelatine", erläutert der 56-jährige Koerffer mitten in der Arbeitshektik die Unterschiede zum deutschen Tortengeschmack. Über das genaue Aussehen des Meisterstücks muss er sich ausschweigen - der Hof hütet es ebenso als Staatsgeheimnis wie die Einzelheiten des restlichen Menüs. Doch so viel verrät er immerhin: "Sie hat sehr viele verschiedene Geschmacksnoten, es wird eine Geschmacksexplosion."

Die derart explodierenden Zutaten seien mit einer Ausnahme alle schwedischer Herkunft. Die Gäste im Schloss dürfen ein "ziemlich schlichtes, klares, stilreines schwedisches Design" erwarten, so Koerffer. Und auch sonst wird alles natürlich ganz nordisch korrekt: 95 Prozent Bio, 100 Prozent gluten-frei. In jedem Fall aber wird Victorias Torte "sehr groß, sehr weiß und sehr lecker", sagt der Konditor. Und geht weiterspachteln.

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Quelle:
SZ vom 17.06.2010/seng
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