Prinzessin Victoria heiratet:Eine Orgie der Romantik

Kein Tag ohne Kritik, Enthüllungen und aufgeregte Debatten: Stockholm fiebert der Hochzeit von Kronprinzessin Victoria mit Fitnesstrainer Daniel aus Ockelbo entgegen. Und alle dürfen mitreden.

Gunnar Herrmann

In Märchen wird der schwierige Teil der Geschichte ja oft weggelassen. "Und dann heiratete die Prinzessin und lebte mit ihrem Prinzen glücklich bis ans Lebensende", heißt es meistens zum Schluss. Dabei beginnt für eine echte Prinzessin das wirkliche Drama ja erst mit den Hochzeitsvorbereitungen. Das müssen Schwedens Kronprinzessin Victoria und ihr Daniel gerade erfahren.

Gäste verfolgen Victorias Hochzeit auf Bildschirmen

Keine Privatparty, sondern ein Staatsakt: die schwediesche Kornprinzessin Victoria und ihr Verlobter Daniel Westling heiraten am 19. Juni.

(Foto: dpa)

Am 19. Juni wollen sich die beiden im Stockholmer Dom das Jawort geben. Und derzeit vergeht kein Tag ohne Kritik, Enthüllungen und aufgeregte Debatten. Da ist zum Beispiel die Frage, wer Victoria zum Altar geleiten darf. Die Prinzessin selbst hatte diese Aufgabe ihrem Vater Carl XVI. Gustaf zugedacht und damit einen kleinen Proteststurm ausgelöst. Denn im gleichberechtigten Schweden ist es unüblich, dass der Vater die Braut an den Schwiegersohn weiterreicht. Dort schreiten Mann und Frau traditionell gemeinsam zum Altar. Mehrere Geistliche forderten die Prinzessin darum auf, sich die Sache noch mal zu überlegen.

Der König darf mit

Sogar Erzbischof Anders Wejryd, Oberhaupt der Schwedischen Kirche, riet von der Brautübergabe durch den Vater ab. Zeitungskommentatoren wetterten, Victorias Vorstellung von ihrer Hochzeit sei mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau unvereinbar. Die Prinzessin setzte sich am Ende trotzdem durch. Der König darf also mit zum Altar.

Die Episode zeigt, dass die Hochzeit am 19. Juni keine gewöhnliche Privatparty der High Society ist. Sie ist ein Staatsakt. Ein teurer dazu: 20 Millionen Kronen (gut zwei Millionen Euro) wird das Jawort kosten. Der König zahlt die Hälfte aus seiner Privatschatulle, die andere Hälfte müssen die Untertanen mit ihren Steuern aufbringen. Das große Fest von Victoria und Daniel ist das Fest aller Schweden. Und darum dürfen sie auch alle mitreden, wenn es um die Hochzeitsplanung geht.

Schon am Stockholmer Flughafen lächeln Victoria und Daniel Westling den Besuchern von riesigen Plakaten entgegen. Die Stadt hat eine Kampagne unter dem Motto "Love 2010" gestartet, um Touristen anzulocken. Und tatsächlich hält der Sommer der Liebe Hotelpersonal, Fabrikanten und Verkäufer in Atem.

"Ekel vor dieser Veranstaltung"

Die Souvenirläden in den engen Gassen der Altstadt feiern eine wahre Orgie der Romantik. Hier lächeln die Kronprinzessin und ihr ehemaliger Fitnesstrainer in den Schaufenstern von Tabletts, Tassen, Tellern und Postkarten. Wenn man sich an dem Kitsch sattgesehen hat, kann man die Brauleute aufessen: Ein Chocolatier hat ihr Verlobungsfoto auf Zuckerguss gebannt und Pralinen damit dekoriert.

Natürlich sind nicht alle Schweden begeistert von diesem Wirbel. Der Widerstand formiert sich zum Beispiel in der Szenekneipe "Strand", im ehemaligen Arbeiterviertel Södermalm. Dort feiert das Team des linken Magazins Re:public das Erscheinen seiner 16. Ausgabe. Es ist bezeichnend, dass Victoria und Daniel es selbst bei einer Zeitschrift mit diesem antiroyalistischen Namen aufs Titelblatt geschafft haben. Ein Foto der beiden kündigt ein "Hochzeits-Special" ein.

Das Magazin hat freilich einen eher kritischen Zugang zum Thema gewählt - die Redaktion ließ vier Schriftsteller Spottverse über die Königsfamilie schreiben. Ursprünglich hatte ein Stockholmer Kunstmuseum die bekanntesten Poeten des Landes aufgefordert, Liebesgedichte für Victoria und Daniel zu verfassen. Die Strophen sollten am Hochzeitstag vorgetragen werden. Doch das Museum bekam gleich von mehreren Autoren eine herbe Abfuhr. Göran Greider etwa, ein bekannter Kolumnist, scherzte: "Meine Frau ist Mitglied der Republikanischen Vereinigung. Die lässt sich scheiden, wenn ich so was schreibe."

Spottverse statt Liebesgedichte

Und der Dichter Thomas Tidholm teilte empört mit: "Der Ekel, den ich vor dieser Veranstaltung empfinde, lässt sich nicht in Worte fassen." Nun haben Tidholm und Greider statt der Liebesgedichte für Victoria also Spottverse für Re:public geschrieben. Greider macht sich in seinem Text vor allem über Carl XVI. Gustaf lustig. "Er ist der größte Sozialhilfeempfänger des Landes", liest er vor. Eine Anspielung auf die jährliche Apanage von umgerechnet gut zwölf Millionen Euro. Die Lacher im "Strand" sind Greider bei solchen Sätzen sicher. Und die Kneipe ist gut besucht. In einer Art Gegenbewegung zum allgemeinen Monarchiefieber profitieren nämlich auch die Königskritiker von der royalen Trauung. So konnte Schwedens Republikanische Vereinigung seit der Verlobung von Victoria und Daniel vor gut einem Jahr ihre Mitgliederzahl verdoppeln.

Royaler Rummel

Sorgen muss man sich im Schloss deshalb aber nicht machen. Die Republikaner sind in Schweden nach wie vor in der Minderheit und nehmen es mit Humor. Greiders Angriffe sind witzig, nicht wütend. "Ich habe das Königshaus nie richtig hassen können, obwohl ich es versucht habe", gesteht er an einer anderen Stelle in seinem Gedicht. Für Königin Silvia hegt der streitbare Schreiber sogar Bewunderung. "Sie ist der Teil des Königshauses, der am besten funktioniert", sagt er im Gespräch nach der Lesung. "PR-mäßig war sie eine enorme Bereicherung. Leider."

Greider lehnt die Monarchie nicht nur ab, weil er sie undemokratisch findet. Er fühlt sich von dem royalen Rummel auch emotional beeinträchtigt. "Unsere ganze Sicht auf Liebe und Beziehungen wird irgendwie geprägt durch dieses ständige Märchen, das uns da erzählt wird." Das Märchen geht so: Eine hübsche, junge Prinzessin verliebt sich im Fitness-Studio in ihren Trainer.

Weitere Prüfungen

Das Paar muss sich gegen den mächtigen König durchsetzen, der die Liaison seiner Tochter mit dem "Mann aus dem Volk" zunächst missbilligt. Und es gibt weitere Prüfungen. Zum Beispiel die "Liebeskrise am Hof", die kürzlich die Hochzeitsvorbereitungen überschattete, als Victorias Schwester Madeleine sich von ihrem untreuen Verlobten trennte. Oder die Nierentransplantation vor einem Jahr: Daniel Westling bekam ein Spenderorgan von seinem Vater, weil seine Niere durch eine Krankheit geschädigt war. Doch nach all diesen Prüfungen siegt am Ende natürlich die Liebe. So ist es immer.

Am 19. Juni wird also der Junge aus Ockelbo mit seiner Prinzessin (und ihrem Vater) vor den Altar treten, wo aus dem Fitnesstrainer ein Herzog wird. Anschließend wird das Paar im Triumph durch Stockholm ziehen, erst in einer Kutsche, dann in einem goldverzierten Holzboot. Die Massen werden den Brautleuten zujubeln, bevor Victoria und Daniel zum rauschenden Ball ins Schloss zurückkehren. Und dort leben sie dann glücklich bis an ihr Lebensende.

Oder nicht? Die Geschichte ist ja mit der Hochzeit längst nicht abgeschlossen. Wenn Daniel Westling Interviews gibt, dann wird er immer gefragt, ob seine Nierenkrankheit erblich ist. Sie ist es nicht. Die Frage mag auf den ersten Blick privat erscheinen. Aber Westlings Erbmasse ist jetzt eben auch eine Staatsangelegenheit, schließlich geht es um die Thronfolge.

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