Prinzessin Diana:Der Tod tat, wie ihm geheißen

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Auch anlässlich des meisterhaften Kinofilms "The Queen". Eine Erinnerung an Lady Diana Spencer, die vor zehn Jahren starb.

Wolf Wondratschek

Sie war einverstanden zu sterben, nicht vielleicht mit dem Datum und schon gar nicht, nehme ich mal zu ihren Gunsten an, mit diesem Trottel von Playboy an ihrer Seite, aber es hat keine getroffen, die nicht selbst hin und wieder mit genau jenem Gedanken gespielt hätte: was wäre, wenn alles ein Ende hätte.

Ich kehre die Frage, die hier gestellt wird, also um. Früher oder später, morgen oder übermorgen, in fünf, zehn oder zwanzig Jahren hätte sie sich diesen Tod gewünscht, eine kurze, schmerzlose Sache, ein Katapultstart ins Jenseits, nur vielleicht mit weniger finalen Zufälligkeiten.

Daran gedacht muß sie haben, denn die Zweifel waren inzwischen chronisch, ob aus ihrem insgesamt verpfuschten Leben noch etwas hätte werden können. Wohl nicht. Angeträumt war ein Leben in Liebe und Festbeleuchtung. Daraus wurde Gleichgültigkeit und Haß - und die Beleuchtung kam von den Scheinwerfern der Weltpresse und den Taschenlampen der Paparazzis.

Von Anfang an ging die ganze Angelegenheit schief. Vom ersten Liebesblick an war sie die Gefangene eines Windsors. Ein Liebling war sie nur jenseits der Umgrenzungen der Schlösser Britanniens.

Isoliert wie sie war, hatte sie zwei Optionen: sich zu fügen oder zu rebellieren. Naiv wie es ihr gut zu Gesicht stand, wählte sie das Risiko, sich nicht alles gefallen zu lassen. Das rächte sich natürlich.

Mit dem englischen Königshaus ist nicht zu spaßen, soviel habe auch ich, wenn auch nur aus den Augenwinkeln, mitgekriegt. Es begann bei Hof keine Liebes-, sondern eine Leidensgeschichte. Ich bin fällig, mag sie gedacht haben. Ich bin wertlos geworden. So ein Leben kann nicht gutgehen. Es ist ja gar kein Leben mehr. Es ist billig wie die Ware, die ich geworden bin. Was ich tue oder unterlasse, alles wird in Bild und Schrift komplett kommentiert.

Soll das so weitergehen? Wäre da Totsein nicht schöner?

Sie war damals noch zu jung, um Ernst zu machen. Und das Schicksal hatte es, wie wir wissen, auf ein späteres Datum abgesehen. Bis dahin experimentierte sie mit Gefühlen, den eigenen und denen der Männer, in die sie ihre orientierungslose Sehnsucht, erlöst zu werden, investierte. Vergeblich.

Sie war die Dumme, die noch an Höhepunkte glaubte, während sich die Helden ihres Herzens mit Heimlichkeiten zufrieden gaben - und dem Reibach, den sie mit Enthüllungen machen könnten. Bald war sie an allem schuld. Nun gut, dann war sie (rebellisch wie sie sich fühlte) eben an allem schuld. Es war ein Vergnügen, sich dissident zu verhalten, nicht ins Konzept zu passen. Sie hatte Rückendeckung: das Volk, die Menschen rund um den Globus. Es begann kitschig zu werden, nach Massengeschmack. Daß auch Märchen Schiffbruch erleiden, ist dem, auch wenn er an Märchen glaubt, Trost genug.

Je konfuser sie sich benahm, um so stärker stiegen ihre Sympathiewerte. Ein weltweites Weinen hatte begonnen um die Ungeliebte, das dann Orkanstärke erreichte, als sie endlich ihre Ruhe hatte und der Sarg zu war. So dumm war sie ja nicht, daß ihr das Mitleid aller nicht gehörig auf den Wecker ging.

Sie legte einen Zahn zu, benahm sich wie eine Single - und ging mit den Tests bis an die Grenze der Selbstzerstörung. Todeswünsche wurden Gewohnheit. Aber noch kochte sie ja vor Wut, Enttäuschung. Noch wartete ja das nächste Rendezvous. Ihr Berufsleben bestand darin, sich nichts anmerken zu lassen. Was auf Dauer nur eine Schauspielerin hätte schaffen können, die sie nicht war. Ein privates Leben hatte sie nur, wenn sie Regeln verletzte.

Durch Magersucht sich in Luft aufzulösen, haute nicht hin. Durch Kinder die Liebe zu retten auch nicht. Der junge Windsor ging fremd. Das tat sie dann auch - aber in welcher Hoffnung? Das läßt sich nicht durchhalten. Dazu kam die Scham über fortwährend falsche Lebensentscheidungen. Die Rebellion verkam zur Rache.

Die böse Entdeckung, unglücklich zu sein, lag hinter ihr. Die andere, unglücklich bleiben zu müssen, stand ihr bevor. Also Tod, nimm mir die Arbeit ab. Mach es kurz und schmerzlos. Und mach dir nicht die Mühe, mich zu bedauern.

Der Tod tat, wie ihm geheißen. Nur, er bestimmte den Zeitpunkt, den Ort und die Art ihres Sterbens. Nachträglich kann man feststellen, daß der Tod sie beschützte, denn inzwischen kennen wir mehr von der Vorgeschichte. Neben ihr gab es noch einen Menschen, der sich rächen wollte. Mister Al Fayed sen., der Vater jenes Dodi, in dessen Arme sie geflüchtet war.

Dieser Al Fayed wollte die britische Staatsbürgerschaft - und kriegte sie nicht. Dafür kontaktierte er das schwächste Glied der gesamten Windsor-Clique, eben das unglückliche Nesthäkchen. Wenn er sich schon von den Ministern Englands beleidigen lassen mußte, so würde er auf dem höchst denkbaren Niveau zurückschlagen - und das Königshaus beleidigen.

Es mußte die Prinzessin seinen Sohn heiraten, der ja zu sonst nichts taugte als zu dieser Art von Sport. Das war die Situation. Und ein Skandal dazu. Eine junge Frau, mißbraucht im Ränkespiel der Mächtigen. Ein Shakespeare-Stoff, wenn wir Dodi als halben Mohren durchgehen lassen wollen. Britannien gegen Ägypten.

Abendland gegen Morgenland

Wer hält diesem Pendelverkehr denn auf Dauer stand? Wer schafft die Differenz zwischen Tagebuch und Verfassung, Kopftuch und Krone, Sex und Sorge (um die Kinder), Audienz und Einsamkeit? Warum, mag sie sich gefragt haben, diese Attacken der Angst mitten hinein in jede Euphorie?

Es ist, läßt sich festhalten, außer der Geburt zweier gesunder Söhne so gut wie alles schiefgelaufen. Das muß sich rächen. Auch das. Ich bin eine Mutter ohne das letzte Wort. Ich bin die untreue Ehefrau. Ich bin an sich noch immer eine kommende Königin, trete aber dem Autismus der höfischen Existenz auch im Bikini entgegen. Andererseits bin ich wieder mehr denn je das Mädchen vor meiner Verlobung, also Diana Spencer, die versucht, das begonnene und mißratene Märchen wieder aus der Welt zu schaffen. Was bleibt von ihr? Was blieb?

Sie wurde die Luxusadresse für den tieftraurigen Blick. Manchmal schien es, als berührte sie, mit den Zehenspitzen wenigstens, das rettende Ufer, aber die Leidensgeschichte ging weiter, in die nächste Runde. Auch wenn es altmodisch klingt, sie hatte sich den Eintritt in ein Kloster längst verdient. Aber natürlich sind das keine modernen Lösungen. Und wie gesagt, jetzt war sie ja doppelt gefangen, eingefangen von Al Fayed sen. auch noch mit dem stumpfen Trumpf eines Sohnes, der nur das Geldausgeben gelernt hatte.

Sie lebte und sie litt, und beides nur noch symbolisch. Der letzte Liebhaber war, was die Windsors betraf, eine brisante Mischung. Mehr Ärger war nicht zu erzeugen. Und sie, die sie Höhepunkte liebte, war auf dem Gipfel der Unverschämtheit angekommen.

Der Ägypter war die offene Kriegserklärung. Und gleichzeitig ein verzweifeltes Unternehmen, aus dem Berufsleben einer Prinzessin auszusteigen. Mehr denn je war sie ein Welterfolg. Liebesgeschichten, die sich nicht als Leidensgeschichten ausweisen können, fehlt die Fallhöhe. Die Inszenierung ging, wenn auch privat ungewollt, auf. Aber das Timing liegt, wie bemerkt, beim Tod. Er repräsentiert die unüberbietbare Klimax jeder Liebesgeschichte. Ohne ihn scheint die Liebe nicht zu haben zu sein, nicht in den Passionen, die so sehr nach ihrem Geschmack waren. So ein Leben gehört einem nicht mehr. Es kennt weder heilsame Entladungen noch Heilung.

Die Verweigerung des Gehorsams brachte keine alternativen Wunder zustande. Es blieb beim Tagesgeschäft des Unglücklichseins, etwas Selbstgenuß in der Abwechslung, ein bißchen Kult zur Ablenkung. Und, nicht zuletzt, die Qualen der Schuld, wenn sie an ihre heranwachsenden Söhne dachte. Sie muß die Heimsuchung des Verstehens gefürchtet haben, mehr als das Sterben. Erspart geblieben wäre ihr dieser Moment nicht, auch in fünf, zehn oder zwanzig Jahren nicht, auch nicht nach einigen fälligen Reparaturen am Lebenswandel.

Von Cioran stammt die Bemerkung, daß das einzige sichere Zeichen, daß einer alles verstanden hätte, wäre, daß er anfinge, besinnungslos zu weinen. Sie selbst hatte noch nicht einmal damit begonnen, das Navigieren zu lernen auf diesem Ozean der Tränen. Den Windsors war sie, anders als den Menschen, die sie nach ihrem Tod beweinten, keine Träne wert. Fast könnte man sagen, sie haben es ihr gegönnt, nicht mehr auf Erden sein zu müssen.

So war die Gnade ihres Verschwindens ein Vorteil für beide. Daß Al Fayed sen. von Mord sprach, bringt die ganze Geschichte in die Nähe zur Bühne, dem wahren Ort solcher Dramen.

Der Text ist enthalten in dem Band "Die weißen Jahre. Reportagen und Stories" von Wolf Wondratschek, der im Februar bei dtv in München erscheint. Im Sinne des Autors haben wir den Text in der alten Rechtschreibung belassen.

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