Kate Middleton:Das Mädchen aus Bucklebury

Die Bürgertochter aus Berkshire ist aus einem härteren Holz geschnitzt als das scheue Sensibelchen Diana: Sie gilt als ruhig, diskret, sehr englisch - und hat es geschafft, ein Geheimnis zu bleiben. Das gefällt der Queen, fast wehmütig schauen die Windsors auf so viel Klasse.

Wolfgang Koydl, London

Irgendetwas muss es doch sein, das sie sich von ganzem Herzen von dieser Verbindung erhofft. Den Ruhm? Den Thron? Oder vielleicht - hoffentlich - lebenslanges Glück an der Seite eines geliebten Partners? Denn eine selbstbewusste und kluge Frau wie Catherine Middleton muss wissen, welche Risiken bei einer Einheirat in den Windsor-Clan lauern. Die dysfunktionalen Züge dieser Familie sind schließlich wohl dokumentiert: Kaum eine der Ehen der Royals in den letzten fünf Jahrzehnten kann als gelungen gelten, einschließlich jener, die nicht vor dem Scheidungsrichter endeten.

Und dann ist da noch die dritte Person, die ihr Mann mit in die Ehe bringt: die Schwiegermutter. "Ich wollte sicherstellen, dass meine Mutter Teil der Freude dieser Ehe ist", meinte Prinz William am Verlobungstag. Zuvor hatte er Kate jenen Saphir an den Finger gesteckt, den Lady Diana zu ihrer Verlobung erhalten hatte und den ihr Ex-Mann Charles in einem Pariser Leichenschauhaus von der blutigen Hand zog. Schwarzseher unken bereits über den "Talisman des Todes".

"Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute"

Keine Frau mag es, wenn der Mann seine Mutter in die Zweierbeziehung mit hereinzieht. Doch dass Diana Teil der Verbindung von William mit Catherine Middleton sein würde, war von jenem Augenblick an klar, als die ersten Fotos der Studentenliebe um die Welt gingen. Kate wurde gleichsam zu einer wiedergeborenen Diana: Bei ihr sollte, bei ihr musste gelingen, was bei der unglücklichen und unglückseligen Prinzessin so grauenhaft falsch gelaufen war. Diesmal würde das Märchen perfekt enden: "Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute".

Auch starke Naturen würden wahrscheinlich zusammenbrechen, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Weltbevölkerung derartig hohe Erwartungen auf ihre Schultern legt. Doch Kate Middleton ist nicht eingeknickt in all den langen Jahren, die sie an der Seite Williams im unbarmherzigen Schlaglicht der Klatschpostillen und Paparazzi stand. Allein diese Tatsache zeigt, dass die Bürgertochter aus Berkshire aus einem härteren Holz geschnitzt ist als das scheue Sensibelchen Diana. Die gab einmal zu, dass sie keine Ahnung gehabt habe, auf welches Wagnis sie sich einlassen würde, als sie - gerade 18 Jahre alt - dem 13 Jahre älteren Charles versprochen wurde. Sie hatten einander nur ein paar Monate gekannt, und bis kurz vor der Hochzeitsnacht musste sie den Bräutigam mit "Sir" titulieren. Ihre Ehe unterschied sich kaum von einer mittelalterlichen dynastischen Verbindung, arrangiert von Höflingen und dem Premierminister.

Höhen und Tiefen einer Beziehung

Im Gegensatz dazu hat Catherine Middleton, fraglos unterstützt von ihren pragmatischen Eltern, eine alte Volksweisheit exemplarisch vorgelebt: "Drum prüfe, wer sich ewig bindet". Beinahe zehn Jahre war sie mit dem fast gleichaltrigen William liiert - durch alle Höhen und Tiefen einer Beziehung hindurch -, bevor die beiden ihre Verlobung bekanntgaben. Sie haben sich getrennt und wieder versöhnt, sie haben gemeinsame offizielle Termine wahrgenommen, und sie haben in ihrem Cottage in Wales Tiefkühl-Pizzas in den Herd geschoben und Wäsche aufgehängt. Romantische Flausen sind ihnen dabei vergangen; dafür haben sie genügend von jenem Kitt angehäuft, der Beziehungen dauerhaft zusammenhält.

In diesen Jahren ist Kate gelungen, was der chronisch mitteilungsbedürftigen Diana versagt blieb: Sie ist ein Geheimnis geblieben. Gemessen am weltweiten Interesse weiß die Öffentlichkeit fast nichts über sie, seien es Hobbys, Vorlieben oder Charakterzüge. Selbst als William ihr den Laufpass gab, schüttete sie ihr Herz nicht der Boulevard-Presse aus, sondern wartete still ab - und zeigte sich als "Mädchen mit Klasse", wie eine Freundin sie beschrieb: "Geradlinig, gelassen, diskret, ruhig und sehr englisch." Diese Eigenschaften dürften die Queen für sie eingenommen haben. Denn nichts verzeihen die Royals weniger als Klatsch. Wenn jemand trotz einer beharrlich schnüffelnden Presse so wenig über sich preisgibt, verdient dies Respekt. Das gilt nicht nur für Kate, sondern auch für ihre Eltern und die Geschwister Pippa und James. Sie gehen ebenso zugeknöpft mit den Medien um.

Fassade einer intakten Familie

Es ist denkbar, dass die Windsors ein wenig wehmütig und neidisch auf die Middletons blicken. Die halten nicht nur die Fassade einer intakten Familie aufrecht; allem Anschein nach führen sie tatsächlich ein ziemlich glückliches und ausgeglichenes Leben ohne Skandale oder Seitensprünge. Ihre Eigenschaft, so viel wie möglich gemeinsam zu unternehmen, trug ihnen im Bekanntenkreis den Spitznamen "En masse Middletons" ein. Aufschlussreich ist, dass William sich offenbar lieber im Einfamilienhaus der Schwiegereltern in Bucklebury aufhält, als im Palast seines Vaters. Erst jetzt feierte er das Osterfest bei Kate daheim, und nicht bei der Großmutter in Windsor Castle.

Kate ist keine zweite Diana, aber nicht weniger wichtig ist, dass William ein anderer Mann ist als sein Vater: modern, selbstbewusst, unverklemmt. Zu verdanken hat er dies nicht zuletzt seiner Mutter. Wann immer es ging, versuchte Diana ihre Söhne von der erstickenden Atmosphäre des Hofzeremoniells zu befreien und ihnen kleine Fluchten in ein normales Leben zu ermöglichen. Dass William eine Bürgerliche heiratet und keine europäische Prinzessin oder englische Hochadelige, ist wohl ein Resultat dieser Fürsorge. Und auch Kate hat sich mit der Schwiegermutter arrangiert: Vor wenigen Tagen besuchte sie zusammen mit William Dianas Grab.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: