Präimplantations-Diagnostik:Gentests an Embryonen nicht strafbar

Neue Regeln für Leben und Tod: Der Bundesgerichtshof hat einen Arzt freigesprochen, der Embryonen auf genetische Defekte untersucht hat - und die "schadhaften" sterben ließ.

Die Untersuchung von Embryonen auf Erbrankheiten außerhalb des Mutterleibs, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID), verstößt nicht gegen das Embryonenschutzgesetz, entschied der Bundesgerichtshof in Leipzig - die umstrittenen Gentests an künstlich befruchteten Embryonen sind damit nicht strafbar.

Künstliche Befruchtung

Das Monitorfoto zeigt die Injektion einer Samenzelle in eine Eizelle mittels Mikropipette bei einer künstlichen Befruchtung. Der Arzt, der nun freigesprochen wurde, hatte "schadhafte" Embryonen aussortiert.

(Foto: dpa)

In dem Prozess musste sich ein 47-jähriger Berliner Gynäkologe verantworten, dem ein Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz vorgeworfen wurde. Der Arzt hatte in den Jahren 2005 bis 2006 bei drei Paaren die befruchteten Eizellen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter auf genetische Auffälligkeiten hin untersucht und in Abstimmung mit den Frauen nur die nicht mit Gendefekten behafteten Eizellen übertragen. Die restlichen "schadhaften" Embryonen ließ er absterben.

Im Falle einer Verurteilung hätten dem Angeklagten bis zu drei Jahren Haft gedroht.

Der Frauenarzt hatte sich im Januar 2006 selbst bei der Staatsanwaltschaft Berlin angezeigt. Die Ermittlungen wurden zunächst jedoch eingestellt. Erst nach Bekanntwerden eines weiteren Falls wurde die Staatsanwaltschaft wieder aktiv. In erster Instanz wurde der Angeklagte im vergangenen Jahr vom Landgericht Berlin freigesprochen.

Er habe nicht entgegen, sondern gerade in der Absicht gehandelt, bei seinen Patientinnen eine Schwangerschaft herbeizuführen, hieß es in der Begründung. Die Berliner Staatsanwaltschaft als Kläger argumentiert jedoch, dass die als Präimplantationsdiagnostik bezeichnete Voruntersuchung gegen das Embryonenschutzgesetz verstoße, das eine Entnahme von Eizellen aus einem anderen Grund als zur Herbeiführung einer Schwangerschaft verbietet.

Bei der PID testen Mediziner im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Erbkrankheiten oder Chromosomendefekte. Zeigt sich dabei eine mögliche Krankheit, wird der Embryo gegebenenfalls nicht in den Mutterleib eingesetzt. Vor allem Krankheiten, die entstehen, wenn ein Mensch zu viele oder zu wenig Chromosomen (Erbgutträger) hat, können durch die PID erfasst werden. Dazu gehört das Down-Syndrom, bei dem das Chromosom 21 drei statt zwei Mal vorhanden ist. Aufwendiger sind Untersuchungen auf einzelne veränderte Gene, mit denen sich beispielsweise Muskelschwund, Lungen- und Stoffwechselkrankheiten oder Bluterkrankheit feststellen lassen.

Kritiker sehen in der Präimplantationsdiagnostik eine unzulässige Bewertung von Leben. "Die Gefahr besteht, dass wir Starken uns anmaßen, zu sagen, dass das andere Leben nicht sein soll, weil es aus unserer Perspektive weniger wertvoll ist", sagt der renommierte Medizinethiker Giovanni Maio.

Die gesetzliche und gesellschaftliche Akzeptanz der PID sei ein "Rückschritt einer Gesellschaft hin zu einer Entsolidarisierung und Negativbewertung des nicht leistungsfähigen Lebens".

Kritiker befürchten, dass die Methode außerdem weiter führen wird, als bei Paaren mit dem Risiko für Erbkrankheiten angewendet zu werden. Embryonen könnten in Zukunft nach Geschlecht aussortiert werden, weil sich die Eltern eben einen Jungen oder ein Mädchen wünschen.

Schlagzeilen wie die Geburt von Rettergeschwistern im Ausland tragen zu der Diskussion bei. Dabei werden Embryonen mit bestimmten Eigenschaften der weißen Blutkörperchen selektiert, damit das aus ihnen heranwachsende Kind einem kranken Geschwister mit der Spende passender Zellen helfen kann.

Medizinethiker Maio fordert vom Gesetzgeber nun ein explizites Verbot der PID. Im Embryonenschutzgesetz, das von 1990 stammt, wird die Methode bislang nicht erwähnt.

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