Positiver Fankult:Verrückt nach dir

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Um den angebeteten Stars ihre Verehrung zu beweisen, haben Fans oft die tollsten Einfälle. Manchmal haben die verrückten Ideen sogar etwas Positives. Meint jedenfalls ein Psychologe.

Ines Schipperges

Fans sind bisweilen verrückt, na klar. Das muss nicht immer gleich negativ sein. Verrückte Ideen können den bewunderten Promis durchaus auch viel Freude machen - genauso wie den Fans.

"Man muss natürlich strikt trennen zwischen Verhalten, das anderen Menschen schadet - zum Beispiel Stalking -, und sehr ausgeprägtem Fan-Verhalten", erklärt der Psychologe Martin Huppert.

Zwar leitet sich das Wort "Fan" etymologisch vom negativ besetzten "Fanatiker" ab, wird vom Duden jedoch im Gegensatz zum fanatischen "Eiferer" definiert als "begeisterter Anhänger". Und ein wenig Begeisterung hat schließlich noch niemandem geschadet.

Die Tendenz zum Fansein steckt in den meisten von uns - die Frage ist: Was bringt das Fansein dem Menschen, warum macht er das? "Weil er mit der Sache oder dem Menschen Eigenschaften verbindet, die er selbst gerne besitzen möchte", so Hupperts Begründung.

"So kann das Fansein also auch Anreiz sein, bestimmte Eigenschaften zu entwickeln, zum Beispiel so singen zu können wie mein Lieblingsstar. Manchmal dient das Objekt aber auch dazu 'zu träumen'. Die meisten Ferrari-Fans werden mit großer Wahrscheinlichkeit nie einen besitzen, was aber ihrer Begeisterung keinen Abbruch tut. Gerade die vielen anderen Ferrari-Fans, denen es ähnlich geht, machen diesen 'Chancenlosigkeit' wett."

Ausgeflippte Fans gibt es auch bei Tokio Hotel. Mehrwöchige Campinglager vor den Toren der Konzerthallen sind inzwischen legendär. Durch das Videoportal Youtube hielt ein weiblicher Fan eine Brandrede für ihr Fan-Dasein. Mehr noch: Tokio Hotel macht Deutschland cool und füllt die Kurse des Goethe-Instituts - vor allem mit französischen Teeniemädchen, die jetzt alle Deutsch lernen wollen.

Aber auch die Jungs kennen kaum Grenzen, wenn es darum geht, ihren Idolen möglichst nahe zu kommen - und möglichst ähnlich zu werden. Ein männlicher Fan unterzog sich sogar einer Schönheitsoperation, um auszusehen wie Bill Kaulitz. Der Star ist sein großes Vorbild, und mit dessen Gesicht malt er sich selbst Chancen auf Ruhm und Reichtum aus.

Der New Yorker Kurator Nicholas Weist widmete seinem Lieblingssänger Justin Timberlake eine eigene Kunstausstellung. Der Titel: "If I Told You You Were Beautiful Would You Date Me On The Regular?"

Wer bietet mehr?

Die Versteigerung der eigenen Person ist eine neue Idee der Stars, die Liebe ihrer Fans - für einen guten Zweck, versteht sich - auf die Probe zu stellen.

Gebrauchte Kaugummis, Unterwäsche und handsignierte Brustimplantate - wie sie der Pornostar Mary Carey versteigerte - sind inzwischen anachronistisch. Heute geht es um Haut und Haar, um Leib und Seele - und um das wertvollste, das Stars zu bieten haben: ihre Zeit.

Auf der nächsten Seite: Wie Fans lieben, kreativ sind und gemeinsam schwärmen.

Schauspieler scheinen dabei besser zu laufen als Sänger. Ein Date mit Alicia Keys kam lediglich auf 6300 Dollar (umgerechnet 4000 Euro), ein Date mit P. Diddy auf 12.000 Dollar (7500 Euro). Vorne dabei: 38.000 Dollar (24.000 Euro) für ein Abendessen mit Charlize Theron, 40.000 Dollar (rund 25.000 Euro) für eine Filmpremiere mit Scarlett Johansson.

George Clooney: Seine Küsse sind Gold wert (Foto: Foto: AP)

Kristin Davis lief ihren Kolleginnen den Rang ab: Eine Japanerin zahlte 52.000 Dollar (33.000 Euro) dafür, dass sie die Schauspielerin demnächst auf die "Sex and the City"-Premiere begleiten darf - und ein Paar Jimmy-Choo-Schuhe bekommt sie noch obendrein. Doch nun wurde Davis von ihrem Fan-Thron geschmissen. 375.000 Dollar (knapp 250.000 Euro) bezahlte eine russische Millionärin für einen Kuss von George Clooney und eine gemeinsame einwöchige Reise auf einer Luxus-Yacht.

Der liebende Gedanke

Dabei müssen die Angebeteten nicht einmal so schrecklich berühmt sein, um die Herzen zu berühren und den Geist der Fans zu inspirieren. Das beweist - jedes Jahr neu - die kurzlebige Hysterie um Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar". Und das beweist die Verehrung, die die Fans, unabhängig von wahrem Erfolg und Starfaktor, ihren Favoriten entgegenbringen. So brachten es Lena Gercke (Germany's Next Topmodel 2006) und Leonore Bartsch (Popstars 2006) sogar jeweils zu einem ihnen gewidmeten Song, eigens komponiert, gedichtet und gesungen von ein paar hingerissenen Jungs. Sie erzählen von ihren Sehnsüchten, von ihren Hoffnungen für und ihren Ängsten um das Idol im Kampf um den Castingsieg, beschreiben Schönheit und Ausstrahlung der Mädchen.

Ein Fan-Fotoshooting für Marilyn Manson, ein Nichtraucher-Survivalpaket für Katherine Heigl, ein Theaterstück über Frank Zappa als Hommage an den verstorbenen Musiker: Durch ihren Ideenreichtum und ihre Hingabe, die weder Zeit noch Mühe oder Kosten scheut, zeigen die Fans ihre Liebe, ihre Begeisterung und ihre Sehnsucht.

Fankultur gegen Einsamkeit

Das Wichtigste also am Fansein: die Fankultur. Das gemeinsame Schwärmen für einen Star, die kollektive Bewunderung gibt Rückhalt und kann auch ein gutes Mittel gegen Einsamkeit sein. "Man ist ja in den seltensten Fällen ganz allein Fan. Gerade in Musikszenen wie Hiphop oder auch Metal und Dark Wave spielt der Zusammenhalt unter den Fans eine große Rolle", sagt Huppert.

Besonders für die jungen und oftmals weiblichen Fans ist das Schwärmen ein positiver Schritt auf dem Weg ins Erwachsenwerden, wie Huppert weiß.

Im Mittelpunkt steht dabei durchaus nicht die Erwiderung von Gefühlen. "Das Schwärmen selbst gibt den jungen Fans ein gutes Gefühl", erläutert Huppert. Diese sogenannte Funktionslust - die Lust, die durch den Einsatz körperlicher und seelischer Funktionen entsteht - äußert sich insofern positiv, als das Idol seinem Fan nah und fern zugleich ist. "Aus dieser geschützten Distanz können die Jugendlichen ihre ersten Gefühle für das andere Geschlecht ausleben und ausprobieren - ohne größeres Risiko."

Fanverhalten, so Huppert, ist nur aus zwei Gründen als krankhaft zu bezeichnen: "Wenn man sich selbst oder andere gefährdet."

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