Porträt:Das andere Ende vom Lied

Porträt: Jodelte im DDR-TV: Stefanie Hertel.

Jodelte im DDR-TV: Stefanie Hertel.

(Foto: A. Stingl / Schumann + Stingl)

Stefanie Hertel ist erst 38 Jahre alt und schon seit 35 Jahren steht die Volksmusiksängerin auf der Bühne. Ihr erstes Buch aber handelt von Kräutern.

Von Claudia Fromme

Es gibt in der Fernsehsatire "Trixie Wonderland" eine schöne Szene. Olli Dittrich spielt darin die überkandidelte Schlagersängerin Trixie Dörfel, die in einer winterweißen Villa schwärmt, dass ihr Ex-Mann Peter Pudel zum Fest Nieswurz geschenkt hat. Die Dörfel brüht sich einen Tee aus dem Kraut, freundlich sekundiert von Schlagersängerin Stefanie Hertel, die sich als Moderatorin selbst spielt. Sie lächeln dentalweiß, als Dörfel vom bitteren Nachgeschmack erzählt. Ist sicher so, Nieswurz ist hochgiftig.

Natürlich wird es nicht erwähnt, ist gerade so schön kuschelig, am Ende stirbt auch keine. Aber man fragt sich, ob Olli Dittrich der größere Respekt gebührt für den Film oder doch Stefanie Hertel, denn Dörfel ist auch eine feinfiese Karikatur der Sängerin.

Was auffällt, wenn man Stefanie Hertel dann trifft, ist ihr Lachen. Nicht das perlende Showgrinsen, das sie anknipst, wenn irgendwo die Musi spielt, sondern ein feines, abwartendes Lächeln. Sie hat als Treffpunkt das Café im Landkaufhaus Mayer im Chiemgau vorgeschlagen, sie wohnt in der Nähe, wollte ohnehin einkaufen. Getreide gibt es hier, Kuhhalfter, Lichtkraft-Ohrkerzen und Galgantwurzel nach Hildegard von Bingen, und da schließt sich der Kreis. Hertel hat ein Buch geschrieben, "Über jeden Bach führt eine Brücke", das ein Kräuterbuch werden sollte, aber ein Drittel Heimatgeschichte, ein Drittel Biografie und nur ein Drittel Kräuterbuch geworden ist.

Den Nieswurz sucht man darin vergebens, aber es steht ein Rezept für Angelikawurzelansatz drin, und dass Baldrian gegen Liebeskummer hilft, Bärentraubenblätter gegen Pigmentflecken und Brennnesseln gegen Glatzen. Überhaupt, Brennnesseln. Wenn Hertel auf Tour ist, sucht sie morgens Kräuter. Oft findet sie Nesseln, in Stadtparks etwa, die sie für einen Tee im Hotel mit bloßer Hand rupft. "Wer Angst hat, ist zu vorsichtig", sagt sie. "Wenn man sie mit kräftigem Griff gleich totmacht, tut es nicht weh." Wieder lächelt sie, und man fragt sich, wie das geht mit dem Totmachen, ihre Hände sind fein manikürt.

Stefan Mross nannte sie einst "Mauserl", aber über ihn will sie nicht mehr gerne sprechen

Auf Kräuter wäre man bei der Schlagersängerin nicht direkt gekommen. Darauf, dass sie sich einer Parodie der heilen Schlagerwelt bei Olli Dittrich aussetzt, noch weniger. Warum? "Warum nicht?", fragt sie zurück, als sei die Frage ungewöhnlich und nicht ihre Rolle in der Satire. "Eintönigkeit ist langweilig, und die Leute wollen Show."

Stefanie Hertel ist 38 Jahre alt und steht seit 35 Jahren auf der Bühne, sie weiß, wovon sie redet. Sie tourt, seit sie Kind ist, erst im Trabant, dann im Wartburg, dann im Westwagen, auch nach der Wende immer mit einer soliden Fanbasis im Osten. Fast alle Auftritte finden dort statt, ihre Haus-Postille ist Super-Illu, ihr Heimatsender der MDR. Das ist insofern erstaunlich, denn Hertel ist zwar in Oelsnitz im Vogtland geboren, lebt aber seit 20 Jahren in Bayern. "Ich habe schon in der DDR Karriere gemacht", sagt sie, für viele sei sie daher immer noch: eine von uns. Dass ein DDR-Star im Westen reüssiert, ist die Ausnahme. Die Karriere ihres Vaters Eberhard, ein großer Volksmusiker im Osten, war mit der Wende vorbei.

Mit sechs Jahren hatte Stefanie Hertel mit dem Lied "Ich wünsch' mir einen kleinen Teddybär" ihren ersten Fernsehauftritt beim "Oberhofer Bauernmarkt", dem "Blauen Bock" des DDR-Fernsehens. Sie trug Dirndl und jodelte, dass den Zuschauern schwindelig wurde, was vielleicht auch daran lag, dass man im Vogtland weder jodelt noch Dirndl trägt. Als Zwölfjährige gewann sie den Grand Prix der Volksmusik mit "Über jedes Bacherl geht a Brückerl", ein anderer früher Hit ist "So a Stückerl heile Welt". Heute singt sie mitunter Lieder im Vogtländischen Dialekt, tritt mit dem Genre "Dirndlrock" auf (Volksmusik mit Stromgitarre), und mit NDW-Markus singt sie im Duett "Kleine Taschenlampe brenn".

Und dann ist da noch Stefan Mross.

Natürlich sucht man ihn sofort in Hertels Buch. Lange führten sie im Boulevard die Berufsbezeichnung "Traumpaar der Volksmusik". Hinter der Bühne lasen der Westbub und das Ostmädchen Werner-Comics, auf der Bühne boten sie mit frischem Gesicht zünftige Lieder feil, und 1994 gestand Mross: "Sie is mei Mauserl." Sie bekamen eine Tochter, 2006 heirateten sie, sechs Jahre später kam die Scheidung. Hertel findet im Buch zwar "Ich war ein Lausmädel", Mross aber ging in die Vollen. Trunken fuhr er mit dem Auto in ein Sanitätshaus, später bezichtigte ihn ein Studiotrompeter, auf seinen Alben nicht selber zu spielen. Ein Gutachter beschied ihm "stümperhaftes" Spiel. Karl Moik lud ihn zum Vorblasen in den Stadl - mit mauem Ausgang.

Lange Geschichte, lange vorbei, aber natürlich kleben die alten Sachen an Stefanie Hertel, auch wenn sie "seit sieben Jahren sehr glücklich" mit dem österreichischen Musiker Lanny Lanner ist. Im Buch mit seinen 300 Seiten wird Mross nur gestreift, der Leser des Goldenen Blattes sollte sein Geld anders verwenden. "Ich wollte nicht Skandale zutage fördern und mein tiefstes Inneres preisgeben", sagt Hertel. Sie habe ein Buch schreiben wollen mit Geschichten, die sie berühren - und vielleicht andere. Sie müsse nicht über Dinge sprechen, die längst vorbei sind. "Manchmal ist ein Lied auch zu Ende gesungen."

Auch im Buch geht es um Dinge, die längst vorbei sind, um Opa Kurts Schwibbögen, Oma Ernas Erdäpfelkuhng, die Kräutersuche als Kind in sächsischer Flur, die Volksmusik in der DDR. Hertel schreibt berührend nostalgisch, aber nicht verklärt ostalgisch. Sie berichtet, wie ihr Vater, ein einstiger Melker, der Partei als Sänger verdächtig wurde, als die Tochter von Fans aus Salzgitter Post bekam. Westkontakte! Sie schreibt, wie ihre Mutter, die im Dezember gestorben ist, einen Teddy eliminiert hat, den es von der Stasi für einen Auftritt gab, weil sie befürchtete, dass er verwanzt ist. Costa Cordalis schenkte ihr vor der Wende einen Kaugummi, den sie tagelang kaute und dann mit ihrer Freundin teilte. Maria und Margot Hellwig gaben ihr nach der Wende 50 Mark, als sie im Wartburg zum Auftritt im Westen angeknattert kam. "Die wussten ja, da kommen die armen Ossis."

Die Zeiten sind vorbei, die Zeit im Café auch. Stefanie Hertel will noch einkaufen. Obst und Getreide. Kräuter? Erstmals lacht sie laut auf. "Die kaufe ich nicht, die suche ich mir selber", sagt sie und schüttelt verwundert den Kopf.

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