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Pommes frites:Fakten über Fritten

Lesezeit: 4 min

Wieso gibt es in Belgien an jeder Ecke eine Pommes-Bude? Wer kam als Erster auf die Idee, sie zu machen? Welche Soßen gibt es? Und wo kommt eigentlich die Kartoffel her? Hier gibt's Antworten.

Von Sabine Buchwald

Stell dir vor: Man kommt aus der Schule und darf Pommes frites kaufen, ohne dass die Mutter meckert. Sie hat einem sogar Geld für eine große Portion und drei verschiedene Soßen mitgegeben. Das klingt nach Schlaraffenland, ist aber in Belgien nicht ungewöhnlich. Dort wurden die frittierten Kartoffelstangen erfunden und gelten als Nationalspeise. Man bekommt sie in edlen Restaurants - dort zum Beispiel mit Muscheln oder zum Steak - und an Imbissbuden. Sie werden quer durchs Land gleichermaßen gern gegessen. Etwa so wie Pizza in Italien. Vergleichbares gibt es in Deutschland eigentlich nicht, außer vielleicht ebenfalls Pommes. Die gelten bei uns aber nicht als Spezialität und werden nicht so aufwendig zubereitet wie in Belgien, wo sie Friets (auf Niederländisch) oder Frites (auf Französisch) heißen. Das Spezielle an ihnen ist, dass sie zweimal in heißem Fett brutzeln. Das soll sie außen besonders knusprig machen und innen schön weich. Es gibt aber noch mehr belgische Besonderheiten: Ein guter Koch schält und schneidet seine Kartoffeln täglich frisch, und er verwendet Rinder-, manchmal sogar Pferdefett zum Frittieren. Das gibt den belgischen Fritten einen besonderes kräftigen Geschmack. Vegetarier haben an ihnen deshalb keine Freude.

Wie sind Pommes frites entstanden?

Die ersten Pommes frites wurden vermutlich in besonders kalten Wintern als Ersatz für frittierten Fisch gegessen. Der Legende nach entstand die Idee um 1650, als die Maas, ein Fluss im heutigen Gebiet von Belgien, zugefroren war. Die Einwohner konnten sich nicht mehr von den kleinen Fischen ernähren, die sie üblicherweise mit Kopf und Schwanz ins heiße Fett warfen. Deshalb sollen sie Kartoffeln in Streifen geschnitten haben (damit sie den Fischchen ähnelten) und stattdessen gebraten haben. Die Pommes (Französisch für Kartoffeln) frites (für frittiert) waren ein nahrhaftes Essen, anfangs besonders für ärmere Leute.

Die Soßen

Ketchup gibt es eher selten dazu. Das empfinden Belgier als viel zu langweilig. Dafür stehen oft 20 und mehr andere dicke Soßen zur Auswahl, in die man die goldgelben Stangen tunken kann. Mayonnaise natürlich, am besten aus Eigelb, Senf und Öl hausgemacht, oder mit Gurkenstückchen, Gewürzen und Chili angereicherte Tunken, die so vielversprechende Namen tragen wie: Andalouse, Cocktail, Brazil oder Samurai. Letztere klingt nicht nur scharf, sie ist es auch. Klug übrigens: Meistens bekommt man die Pommes in einer spitzen Papier- oder Papptüte, die hält sie möglichst lange heiß. Die Soßen, die man fast immer extra bestellen und bezahlen muss, gibt es in der Regel in kleinen Schälchen dazu, die manchmal sogar an den Tüten hängen. Selten sind Soßen obendrauf gekleistert, und auch mit Essig, wie es die Engländer gern haben, gibt es die Pommes nicht. Das weicht sie bekanntermaßen auf. Und lasche Fritten, die mögen die Belgier nicht.

Von der Kartoffel zu Pommes

Die Kartoffel stammt wohl aus Peru. Dort fanden Archäologen in etwa 8000 Jahre alten Gräbern Hinweise darauf. Ursprünglich gab es an die 4000 verschiedene Arten dort - kleine, knubbelige Knollen oder rosa und lila Sorten. Die Seefahrer brachten die Bodenfrucht im 15. und 16. Jahrhundert nach Europa. Sie war dort anfangs vor allem Nahrung für Tiere und arme Leute. Dass sie viel gesundes Vitamin C, Kalzium und Magnesium enthält, ahnte man damals noch nicht. Die beliebteste Kartoffelsorte für Pommes ist in Belgien übrigens die mehligkochende "Bintje".

Frittenbuden

Angeblich gibt es um die 5000 Frittenbuden in ganz Belgien. Bei einer Einwohnerzahl von gut elf Millionen Menschen sind das ganz schön viele. Dennoch: Wer sich die Fritten um die Mittagszeit an einem der fest aufgebauten Häuschen oder Verkaufswagen holt, der muss meist Geduld mitbringen. Egal, ob Schulkinder, Büroangestellte oder Politiker, von denen es in der Hauptstadt Brüssel eine Menge gibt - alle sieht man brav im Duft des Frittierfetts Schlange stehen. Das steigert immerhin den Appetit.

Weltrekord

Daan Vernaillen hält einen ungewöhnlichen Weltrekord: Er hat in dem Ort Sint-Katherina-Lombeek bei Brüssel 125 Stunden lang Pommes zubereitet. Dabei hat er 2000 Pakete in 300 Kilogramm Fett frittiert. Die Belgier essen jährlich etwa 300 Kilo Kartoffeln pro Einwohner. Auch das ist Weltrekord. In Deutschland essen die Menschen 57,9 Kilogramm, in Großbritannien 105 - und im Heimatland der Kartoffel Peru 79 Kilogramm.

Frittenmuseum

In der belgischen Stadt Brügge gibt es das einzige Frittenmuseum der Welt. Es wurde 2008 in einem der schmalen alten Häuser in der Innenstadt eröffnet. Dort erfährt man, wie die Kartoffel nach Europa kam und was es rund um die Pommes so alles gibt. Zum Beispiel verschiedene Schneidemaschinen, mit denen Kartoffeln zu Stäbchen werden. Oder den "Fryrobot" aus dem Jahr 1965. Mit ihm wollte ihr Erfinder Jean Hoeberigs automatisch 100 Portionen Pommes machen. Eine tolle Idee, die sich aber nicht durchgesetzt hat. Im Museumsshop kann man Pommestüten aus Porzellan kaufen, Handcremes aus Kartoffeln und einen Lippenbalsam, der nach Pommes frites riecht und schmeckt. Fast Food für die Lippen also.

Warum heißen Pommes auf Englisch "French Fries"?

Den Namen French Fries, also "französische Fritten", haben wohl im Ersten Weltkrieg amerikanische Soldaten geprägt. Sie sahen ihre belgischen Kollegen Pommes essen und hörten sie dabei Französisch sprechen. Kartoffelchips soll übrigens ein Koch in den USA erfunden haben. Weil sich ein Kunde über seine besonders dicken Pommes beschwerte, schnitt er sie aus Wut kurz entschlossen in ganz dünne Scheibchen. Damit hatte er großen Erfolg.

Kalorien

Weil Pommes das Fett aufnehmen, in dem sie gebacken werden, haben sie viele Kalorien. 100 Gramm haben etwa 316, dazu kommen noch die Kalorien der Soßen. Zum Vergleich: 100 Gramm pure Kartoffeln haben nur 77 Kalorien. Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren brauchen am Tag etwa 2200 Kalorien, Jungen 2500.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2016
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