Politisch korrekte Mode:Wir sind grün, aber hipp!

Ganz schön in Mode, die Natur: Organische Kleidung hat den Muff des Leinensacks verloren. Hier erfahren Sie, was geht und was nicht.

Antje Wewer

Die Erkennungsmerkmale des modernen Lifestyle-Ökos sehen so aus: in der Geldbörse eine Mitgliedskarte vom nahen Biosupermarkt, im Badezimmer Dr. Hauschka Kosmetik, im Kühlfach ein Sixpack Bionade und im Schrank mindestens ein Dutzend T-Shirts von American Apparel.

Sandalen

Von wegen Jesuslatschen: So sexy kann öko sein

(Foto: Foto: istock)

Der junge, ambitionierte Besserverdiener (gern kreativschaffend) macht derzeit einen auf Grün. Das unausgesprochene Motto: konsumiere mit gutem Gewissen - dann hast du doppelt so viel Spaß. Und der Shopping-Kater bleibt aus.

Inzwischen haben wir alle kapiert, dass Ökomode nicht mehr aus kratzigen Wollpullovern oder sackartigen Leinenkleidern bestehen muss. Noch dazu ist sie bezahlbar geworden. Die Bio-Baumwoll-Kollektion von ,,H&M'', die im März in die Läden kam, war innerhalb von wenigen Wochen ausverkauft.

Lag es daran, dass die Kunden verrückt nach Baumwolle sind, die ohne schädliche Pestizide und künstliche Düngemittel hergestellt ist? Denken sie während der Anprobe entzückt darüber nach, dass sie beim Kauf des 9,90 Euro preiswerten T-Shirts die Gesundheit der Bauern, das Grundwasser, die Tiere und die Böden schonen? Oder gefällt ihnen einfach der hübsche Schnitt des Hängerkleidchens, das in aktuellen Farben wie Aubergine, Rosé oder Cremeweiß angeboten wird und für diesen Preis nirgendwo anders zu haben ist?

Als die schwedische Modekette Mitte der Neunziger ihre Kollektion ,,Nature Calling'' aus ungefärbter Baumwolle auf den Markt brachte, war das Feedback nur mäßig, die Linie wurde schnell wieder eingestellt. Vielleicht, weil H&M damals der Zeit voraus war. Vielleicht aber auch, weil die Teile so langweilig aussahen, dass man selbst in seiner Feldenkrais-Klasse damit kein Aufsehen erregt hätte.

Vorbei die Zeit der Jutesäcke

Der Trendforscher Peter Wippermann erklärt sich den Siegeszug von ,,Ethical Fashion'' so: ,,Es geht um das gute Gefühl beim Kaufen, nach dem sich immer mehr Menschen sehnen. Je amerikanischer unser Leben wird, desto mehr verlagert sich Politik in den Konsum. Da bin ich der Entscheider und kann, wenn auch nur im Kleinen, was bewegen.''

Als Erkennungszeichen der Mittzwanziger, die Haltung mit Sexappeal kombinieren wollen, nennt er den dünnen Baumwollschal von American Apparel, den sich die Menschen um ihren Hals wickeln. Den Stoffstreifen gibt es in 30 Farben, er kostet 15 Euro und wird statt in asiatischen Sweatshops in Downtown-L.A. produziert. Da kann man sich guten Gewissens gleich drei auf einmal kaufen.

Wir sind grün, aber hipp!

Die Ökos von heute heißen "Lohas"

In Amerika hat man für diese Klientel längst eine hübsche Bezeichnung kreiert: ,,Lifestyle of Health and Sustainability'' (,,Lebensstil auf der Basis von Gesundheit und Nachhaltigkeit''), kurz ,,Lohas''. Die ,,Lohas'' sind konsumfreudig und vergeben ihre Sympathien für Marken, die ökologisch hergestellt werden. Allerdings legen sie ihre Dollars nur auf den Tisch, wenn sie die Produkte auch noch gut aussehen lassen.

It-Girl Chloë Sevigny würde bestimmt nicht in einem biologisch-korrekten Abendkleid von ,,Noir'' auf Filmpartys gehen, wenn sie darin nicht sexy aussähe. Und in der aktuellen US-Vogue wird in einem mehrseitigen Feature gerade der sustainable style ausgerufen.

Neu und aufregend: In Manhattan beweist man derzeit Schick, wenn man mit einer Einkaufstasche in den Supermarkt geht. Auf dem Baumwoll-Shopper der Designerin Anya Hindmarch steht in großen Lettern ,,I'm not a plastic bag'' - ,,Ich bin keine Plastiktüte''. Auf Hindmarchs Homepage kann man nachlesen, dass der 15-Dollar-Beutel bis auf Weiteres ausverkauft ist. Die Designerin, Mutter von fünf Kindern, Autofahrerin und Vielfliegerin, kämpft eigentlich gar nicht an der Öko-Front, sie wollte einfach nur dem üblichen Plastiktüten-Wahnsinn etwas entgegenhalten.

Wallstreet-Broker sortieren Bio-Möhren

Bei uns wird dieser Hype ausbleiben, da die Jutetasche seit langem zum Alltag gehört. Da muss es schon etwas mehr beziehungsweise weniger sein: In Berlin-Prenzlauer Berg hat gerade der größte Bio-Supermarkt eröffnet, und für Produkte gibt es zwei Preise - wer Mitglied wird, shoppt günstiger.

In Brooklyn ist man noch eine Stufe weiter. Wer in dem schönen Öko-Laden ,,Park Slope Food Coop'' einkaufen will, muss nicht nur Mitglied bei der Kooperative werden, sondern auch mindestens zwei Stunden im Monat dort arbeiten. Über mangelnde Nachfrage kann man nicht klagen: Wallstreet-Broker sortieren bei ,,Park Slope Food Coop'' am Wochenende Möhren, Jungdesignerinnen zeichnen nach Feierabend Tofu aus.

,,Bio-Lebensmittel sind längst im Zentrum der Gesellschaft angekommen, spätestens seit sie auch bei Discountern wie Plus oder Aldi im Sortiment sind. Der Fashion-Freak mit grünem Gewissen zählt dagegen noch zu einer Elite, die aber immer mehr in den Mainstream überschwappen wird'', sagt Peter Wippermann. Der Vater einer Tochter geht mit Weidenkorb auf den Wochenmarkt, trägt konsequent die Strickpullis der Hamburger Firma ,,Omen'' und zählt sich zur eher politisch motivierten Generation der ,,Wollsocken-Ökos''.

Levis setzt auf Kokosnussknöpfe

Bei den Prêt-à-porter-Schauen in Paris gibt es inzwischen eine eigene Sektion namens ,,So Ethic'', in der sich nur Labels präsentieren dürfen, die ihre Mode ethisch korrekt herstellen lassen. Es gibt ein Dutzend Homepages wie www.treehuger.com, die den grünen Lebensstil ausrufen. Das Luxuskaufhaus Barney's hat längst eine ,,grüne Ecke'', und an der Lower East Side lassen Models ihr Geld in der angesagten Eco-Boutique ,,Kaight''.

Der Travel-Guide ,,very'' hat für London gerade eine ,,Ecological Citymap'' herausgebracht, in der Bioläden, homöopathische Apotheken und Öko-Boutiquen verzeichnet sind, die für New York, Paris und Berlin sind in Arbeit. Der Onlineshop ,,True Fashion'', mit Sitz in Freiburg, hat sich auf ethisch korrekte Trendlabels wie ,,Kuyichi'' oder ,,Stewart und Brown'' spezialisiert. Der Gründer Christoph Dahne will Ökomode ins Internetzeitalter katapultieren.

Aus Sorge, kaufkräftige Kunden zu verlieren, mischt eine große Marke nach der anderen nun auch ein wenig Bio unter ihre konventionell hergestellte Auswahl. Da gibt es die ,,Eco''-Jeans von Levis aus 100 Prozent organischer Baumwolle, eingefärbt mit natürlichem Indigo und mit einem Knopf aus Kokosschale für 129 Euro. Oder das ,,Eco''-Polo von Lacoste im recycelten Eierkarton aus, na logo, Biobaumwolle, entworfen vom Produktdesigner Tom Dixon.

Wir sind grün, aber hipp!

Schuhe, aber bitte ohne Kleber

Oder der Global Player Nike: Die Turnschuhlinie ,,Considered'' kam in Deutschland 2005 auf den Markt. Die Presse bejubelte den ,,ersten Öko-Turnschuh'', die Kundschaft staunte kurz und kaufte dann doch lieber ein Paar stinknormale ,,Dunks''.

Inzwischen gibt es bei Nike die ,,Soaker''-Linie, deren Schuhe aussehen, als hätte sie die Rapperin Missy Elliott zusammen mit Indiana Jones entworfen. Die Schnürsenkel sind aus recyceltem Plastik, auf Klebematerial wurde verzichtet. Die Zielgruppe: Outdoorfans. Wer wenn nicht die hat ein Herz für die Umwelt?

Nun kann man den großen Firmen vorwerfen, dass sie fürs Gewissen ein paar Öko-Produkte im Programm haben und ansonsten so weiter produzieren wie gehabt. Andererseits: besser, als gar nichts zu machen. ,,Das ist nur der Anfang!'', rufen derweil Produktmanager ganz euphorisch.

Dabei ist ziemlich klar, dass Marken wie Nike oder Levis auf den Öko-Zug eher weniger aus tiefer Überzeugung, sondern aus Marketinggründen aufspringen - vergleichbar mit Prominenz, die ihr Image mit Charity-Aktionen aufpoliert, um am nächsten Tag für zwei Wochen in ein Luxushotel auf die Malediven zu fliegen.

Promis stricken fleißig mit

Bedenkt man aber, dass erst 0,1 Prozent des weltweiten Baumwollanbaus ökologisch ist, müssten gerade die großen Marken aktiv werden. In Deutschland ist der Otto-Konzern Vorreiter mit seiner ,,Pure wear''-Kollektion, für die organische Baumwolle in Afrika angebaut wird.

Dann wieder gibt es Label wie ,,Edun'' (rückwärts gelesen: nude), das der U2-Bandleader Bono mit seiner Frau Ali Hewson und dem New Yorker Designer Rogan Gregory vor zwei Jahren gegründet hat. Die gesamte Kollektion wird aus organischen Stoffen geschneidert, in Afrika zu fairen Preisen produziert, die Baumwolle dafür wird in Kenia, Uganda oder Peru angebaut.

Die schmalen Röhrenjeans, lässigen Shirts und sexy geschnittenen Seidenkleider hängen in London bei ,,Harvey Nichols'' und in L.A. bei ,,Fred Segal''. Sie werden gekauft, weil sie cool aussehen, und das gute Gewissen kommt mit in die Tüte. Hewson sieht es als Kaufmotivation: ,,Wir bedienen nur eine Nachfrage - die Leute wollen wissen, woher ihre Sachen kommen und wer sie unter welchen Bedingungen hergestellt hat. Ein Designerkleid von Edun verändert nicht die Welt, sorgt aber auch nicht für ein schlechtes Gefühl.''

Stella McCartney schafft es wie keine zweite Designerin, Rock 'n' Roll-Attitüde mit grünem Gewissen zu paaren. Auf ihrer aufgeräumten, kühlen Homepage gibt die Engländerin gleich in einem Newsticker ihre Öko-Weisheiten zum Besten. Das Wasser nicht laufen lassen! Windenergie nutzen! Müll trennen und das Kompostieren anfangen!

Die überzeugte Vegetarierin trägt keine Pelze, kein Leder und hat nun ,,Care'' auf den Markt gebracht, eine Kosmetiklinie, die genau wie Dr. Hauschka und Weleda das ,,Ecocert''-Label trägt. 100 Prozent organisch. Allerdings bedient McCartney den Luxus-Öko, ihre Cremes gibt es ab 69 Euro, die futuristischen Verpackungen passen in Concept-Stores und würden in Bio-Läden wie ,,Kraut und Rüben'' deplatziert wirken.

Konsequent grün ist auch das Label NAU, das von Beginn an auf Nachhaltigkeit setzte. Die amerikanische Firma verkauft über das Internet ihre Outdoor-Mode, die etwas teurer ist als die von Nike oder Patagonia. Dafür ist das Material ,,eco-friendly'' produziert. Und fünf Prozent des Kaufpreises gehen an eine Umweltorganisation, die der Kunde selbst bestimmt, das regt automatisch zum Nachdenken an. Manche Menschen müssen sich eben auch beim Einkaufen zu ihrem Glück zwingen lassen.

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