Süddeutsche Zeitung

Politisch korrekte Kleidung:Mode mit Moral

Die Modebranche entdeckt ihr Gewissen: Nach Bio-Karotten und tierversuchsfreiem Lippenstift erobert nun fair produzierte und umweltfreundliche Kleidung Laufstege und Läden - neuerdings auch in Deutschland.

Mit Schlabberlook, Batikbluse und kratziger Wolle hat das nichts zu tun. Hippe Labels wie die niederländische Jeansmarke Kuyichi und der T-Shirt-Hersteller American Apparel, aber auch Modekaufhäuser wie H & M und Peek und Cloppenburg setzen auf Ethik, Moral und Nachhaltigkeit.

Dass U2-Sänger Bono mit seiner Frau Ali Hewson das Label Edun gründete, das ausschließlich unter fairen Arbeitsbedingungen in der Dritten Welt produzieren lässt, erhöht den Promi-Faktor der Mode mit Tiefgang. Bislang ist Mode von Edun allerdings nur in einem Laden in Deutschland zu bekommen, und auch an andere Ökolabels kommen Trendbewusste meist nur in großen Städten oder per Versand heran.

"Ökologisch unbedenkliche und ökonomisch faire Mode ist die logische Fortführung des Bio-Food-Trends", sagt die Zukunftsforscherin Anja Kirig vom Trendbüro in Kelkheim bei Frankfurt am Main. Kunden wollten heute nicht nur bei den Lebensmitteln wissen, woher diese kommen und ob sie fair produziert sind. Mittlerweile beziehe sich das verantwortungsbewusste Konsumieren auf alle Lebensbereiche.

Anlässe zum kritischen Hinterfragen gebe es schließlich genug - und unmenschliche Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit oder pestizidbelastete Baumwolle seien jahrelang vor allem mit der Modebranche in Verbindung gebracht worden, so Kirik.

Ein neues Bewusstsein

Christoph Dahn betreibt seit einigen Monaten den Online-Shop True Fashion mit Sitz in Freiburg und bietet die fairen Marken in Deutschland an. "Wir verkaufen nur Mode, die in Fabriken oder kleinen Betrieben produziert wird, in denen die Arbeitsbestimmungen stimmen", sagt er.

Marken wie Kuyichi, La Victoria, Misericordia, Livity und Stewart & Brown würden zeigen, dass trendy, erschwinglich und dennoch korrekt sich nicht gegenseitig ausschließen müssten. "Korrekt" bedeutet Dahn zufolge: Mindestlohn, keine Kinderarbeit, keine gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten, keine "Versklavung" der Mitarbeiter in so genannten Sweatshops und Fertigung aus ökologischer Baumwolle.

Das Bewusstsein für solche Herstellungsstandards nimmt zu: "Es entwickelt sich da eine ganz neue Verbrauchergruppe, die etwas mehr Geld mit gutem Gewissen ausgeben will", sagt Jana Kern von dem Frankfurter Branchenblatt "TextilWirtschaft".

Gesünder und sozialer

Trendforscherin Kirig spricht in diesem Zusammenhang von den "LOHAs": Menschen aus sehr verschiedenen Gesellschaftsschichten, die sich bewusst oder unbewusst dem "Lifestyle of Health and Sustainability", dem Lebensstil von Gesundheit und Nachhaltigkeit, verschrieben haben.

"Dieser Ökomode-Trend hat zwei Aspekte", fügt Branchenexpertin Kern hinzu. Zum einen sei da die Verarbeitung von Bio-Baumwolle, die insbesondere bei Säuglingskleidung schon stark verbreitet ist und die sich auch Multis wie H & M schon seit einigen Jahren auf die Fahnen geschrieben haben. Zum anderen seien es die sozialen Standards bei der Produktion, denen sich Firmen immer stärker verpflichten.

"Viele große Konzerne sind lange wegen ihrer teils zweifelhaften Produktionsbedingungen in der Dritten Welt an den Pranger gestellt worden", sagt Kern. Doch die Sensibilität sei gewachsen, und so zeigten immer mehr große Unternehmen wie Otto, Deichmann und KarstadtQuelle soziales Engagement - zum Beispiel, indem sie sich in der europäischen Initiative "Business Social Compliance Initiative" organisierten.

Allerdings gehen nur wenige deutsche Unternehmen damit tatsächlich hausieren. "Im Gegensatz zu internationalen Firmen positionieren sich deutsche Firmen noch sehr konservativ und defensiv bezüglich ihres ökologischen und sozialen Engagements", sagt Zukunftsforscherin Kirig.

So ist American Apparel mit seinen Läden bereits in sechs deutschen Städten vertreten, allein in Berlin soll bald der dritte Laden eröffnen. Eines der bekannteren Beispiele aus Deutschland ist der T-Shirt-Hersteller Trigema, der in seiner Fernsehwerbung mit Firmeninhaber Wolfgang Grupp - direkt vor der Tagesschau - die regionale Fertigung von Hand bewirbt. Wenn auch etwas altbacken, so doch politisch korrekt.

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