Pinke Bauwerke zum Weltmädchentag:Ins falsche Licht gerückt

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Auch das Ozeaneum in Stralsund wird am Freitag pink angestrahlt - anlässlich des Kampfs für Mädchenrechte. (Foto: dpa)

Viele Mädchen auf der Welt dürfen nicht zur Schule gehen, nicht lernen, nicht studieren. Mit dem Weltmädchentag wollen die Vereinten Nationen auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machen. Der deutsche Beitrag ist strahlend pink - und damit der Sache nicht besonders dienlich.

Von Lena Jakat

Nur um eines vorwegzunehmen: Pink ist toll. Die Autorin dieser Zeilen trägt just im Moment des Schreibens drei verschiedene Pinktöne. Pink ist fröhlich, laut und mitunter ein bisschen albern. Pink ist nicht: Mädchensache (sondern zum Beispiel auch die Farbe, die Offiziere im Generalstab der Bundeswehr am Kragen tragen). Und schon gar nicht lassen sich Mädchen umgekehrt auf pinke Wesen reduzieren.

Nun ist das bedauerlicherweise in weiten Teilen der Wirtschaft, namentlich der Spielzeug-, der Tablet- und Bratwustindustrie noch immer nicht angekommen. Ein Umstand, der an dieser Stelle schon häufiger beklagt wurde und gar nicht oft genug angeprangert werden kann. Nichts bringt diesen Kampf gegen die Prinzessifizierung der Welt besser auf den Punkt als der Titel zu Peggy Orensteins Buch "Cinderella ate my daughter".

Die Crux in diesen Fällen ist, dass wir pinktragenden Kämpferinnen gegen den Pinkifizierungszwang ( siehe auch die Initiative Pinkstinks) von Wirtschaftsunternehmen fordern, moralisch zu handeln. Im Sinne des gesamtgesellschaftlichen Ideals einer Förderung der Gleichberechtigung, der Abwehr von Stereotypen, dem Nachwachsen einer gendermäßig unversauten Generation. Dagegen vorgebracht wird regelmäßig folgendes Totschlagargument: Wirtschaftsunternehmen handeln nun einmal unternehmerisch. Moralische Beweggründe kommen höchstens dann ins Spiel, wenn sie den Ruf und damit den wirtschaftlichen Erfolg der Firma gefährden.

Jetzt sind der Hamburger Michel, der Rheinturm in Düsseldorf oder der Promenadeplatz in München beziehungsweise die Städte, in denen sie stehen, keine Unternehmen. Und auch das Kinderhilfswerk Plan ist in erster Linie eine Wohltätigkeitsorganisation. Trotzdem kommen sie anlässlich des internationalen Mädchentags am Freitag auf keine bessere Idee, als 40 Gebäude in ganz Deutschland farbig anzuleuchten, und zwar, na klar: in Pink.

Jetzt ist der Weltmädchentag keine Erfindung der Wirtschaft, um Mädchen an ihre Mädchenhaftigkeit zu erinnern, sie zu rosa Pyjamaparties, Gurkenmaskenmarathons und Kicherorgien zu animieren. Der Weltmädchentag wurde am 19. November 2011 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen, um auf die Benachteiligung von Mädchen aufmerksam zu machen.

"Jeden Tag werden überall auf der Welt Mädchen Opfer von Diskriminierung und Gewalt", heißt es auf der Seite der Uno. Der internationale Mädchentag sei dazu da, dafür ein Bewusstsein zu schaffen und für die "Wahrung der Menschenrechte von Mädchen" einzutreten. Das Recht, zur Schule zu gehen. Das Recht, nicht anders behandelt zu werden als ihr Bruder. Das Recht, selbst zu entscheiden, wen sie einmal heiratet.

Die Alles-pink-erleuchtet-Kampagne (die offiziell "Because I am a Girl"-Kampagne heißt) läuft diesem so wichtigen und richtigen Ansinnen zuwider. Sie rückt diesen Tag in ein falsches Licht, steckt ihn in die rosa Plüschjacke, so dass er am Ende ganz niedlich daherkommt. "Hach, ein Mädchentag, wie putzig!" Eine Aktion, die dazu beitragen soll, Stereotype und Geschlechtervorurteile abzubauen, verstärkt diese noch zusätzlich.

Vielleicht hat Plan Deutschland, die Organisation hinter all den bunten Lichtspielen, diese Kritik schon vorausgeahnt. Auf der Webseite von Plan heißt es: "Mit der Farbe Pink will Plan ein Zeichen setzen und diese neu besetzen. Steht ein pastelliges Rosa vor allem für Lieblichkeit und Romantik, hat das kräftige Pink der 'Because I am a Girl'-Kampagne eine starke Signalkraft und vermittelt Power, Lebensfreude und Mut zur Offensive - genau das, was benachteiligte Mädchen zusätzlich motivieren kann, für ihre Rechte zu kämpfen."

Menschen, die bisher dachten, Mädchen wären schwache rosa Wesen, die sich vor allem für Puppen, Puder und Cupcakes interessieren, sollen nun also mithilfe eines pinkfarbenen Funkturms eines besseren belehrt werden? Es scheint unwahrscheinlich, dass diese Botschaft ankommt.

Vielleicht sollten die Kampagnenplaner es im kommenden Jahr eher mit Pink (der Sängerin) versuchen. "Die meisten Mädchen wollen einen Mann mit Kohle", singt die. "Aber ich bin nicht jedes Mädchen. Und ich brauche nicht die Welt da draußen, um mich zu bestätigen." Oder: "Außenseiter und ehrgeizige Mädchen, das will ich sehen!" Verständliche Botschaft, oder?

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