Pille und Partnerwahl:Vernebelter Instinkt

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Hormone beeinflussen bei Frauen Begehren und die Wahrnehmung von Männern. Suchen sich Frauen, die mit der Pille verhüten, die falschen Partner aus?

Werner Bartens

Wem die Naturwissenschaften fremd sind, der hält die Liebe für einen romantischen Zufallstreffer. Plötzlich erwischt es einen - unfassbar, unvorhersehbar, unplanbar. Ärzte vergleichen den Zustand akuter Verliebtheit gelegentlich mit einer milden Psychose.

Evolutionsbiologen und Verhaltensforscher haben den Glauben an den Blitz aus heiterem Himmel, der die Verliebten trifft, längst entzaubert. Sie haben die Gesetze der Partnerwahl entschlüsselt und beispielsweise gezeigt, dass sich Glücksmoleküle und Kuschelhormone im Zeichen höherer Ziele zusammenfinden, wenn sie triebhaften Rausch und Liebeslust auslösen. Mäßig betörende Motive wie Infektabwehr und die Antigen-Vielfalt der Nachkommen spielen eine entscheidende Rolle, wenn Herz zu Herzen findet.

Natürliche Mechanismen gestört

Die Forscherinnen Alexandra Alvergne und Virpi Lummaa von der Universität Sheffield vermuten im Fachmagazin Trends in Ecology and Evolution (online) allerdings, dass die natürlichen Mechanismen der Partnerwahl durch moderne Verhütungsmethoden empfindlich gestört werden.

Die Antibabypille führt den beiden Wissenschaftlerinnen zufolge dazu, dass Frauen sich nicht mehr zu den Männern hingezogen fühlen, die ihnen am besten entsprechen und mit denen sie vermutlich den gesündesten Nachwuchs zeugen würden. "In Studien zur Partnerwahl wurde zwar immer wieder auch gefragt, ob die Frauen die Pille genommen haben", sagt Alexandra Alvergne. "Welche Konsequenzen das hat, ist bisher jedoch zu wenig berücksichtigt worden."

Nehmen Frauen die Antibabypille, wird ihr Zyklus stark davon beeinflusst. Durch die Östrogen- und Gestagengabe wird der hormonell gleichmäßigere Zustand während einer Schwangerschaft nachgeahmt. Die Schwankungen der Moleküle sind nicht so ausgeprägt. Bei Frauen, die nicht die Pille nehmen, ändert sich das Begehren und die Wahrnehmung von Männern während des Zyklus stärker.

In der Zeit um den Eisprung herum haben viele Frauen eine Vorliebe für besonders maskuline Männer mit ausgeprägten Gesichts- und Körperformen. Stehen sie sonst eher auf ausgleichende, harmoniebedürftige Partner, schätzen sie in dieser Phase aggressivere, konkurrierende Typen, die den Frauen selbst nicht ähnlich sind.

Unterschiede sind sinnvoll

Aus evolutionärer Sicht ist es äußerst sinnvoll, wenn die Sexualpartner möglichst unterschiedlich sind. Je verschiedener Mann und Frau, als desto angenehmer empfinden sie den Geruch des Partners - und umso besser können sie sich fortpflanzen. Auch der Nachwuchs profitiert von den Differenzen, denn die Partner vererben eine Mischung ihrer unterschiedlichen Immunsysteme an ihre Kinder, sodass deren Infektabwehr sehr vielseitig und robust gegenüber feindlichen Erregern ist.

Die Volksweisheit "Unterschiede ziehen sich an", hat einen biologischen Hintergrund, der die Gesundheit fördert. Die Pille könnte die Partnerwahl verfälschen und die Abwehr der Nachkommen schwächen. "Die entscheidende Frage ist, welche Konsequenzen das auf Dauer für die Fortpflanzung hat", sagt Lummaa.

© SZ vom 08.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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