Pille danach:Sex und Liebe

Die Freigabe der "Pille danach" ist sinnvoll - und doch bleibt ein Unbehagen.

Matthias Drobinski

Die Trennung von Sexualität und Schwangerschaft gehört zu den großen Errungenschaften der vergangenen fünfzig Jahre. Jahrhundertelang war Sex vorwiegend der Spaß des Mannes und die Angst der Frau. Verhütungsmittel haben den Frauen einen guten Teil dieser Angst genommen; ihr Leben wird nicht mehr durch die Abfolge mal mehr, mal weniger gewollter Schwangerschaften bestimmt.

Pille danach: Nur nicht schwanger werden - vor allem junge Frauen verlangen die Pille danach.

Nur nicht schwanger werden - vor allem junge Frauen verlangen die Pille danach.

(Foto: Foto: ddp)

Paare können ihr Sexualleben frei wie nie zuvor gestalten, das zur guten Partnerschaft gehört wie Nähe, Freundschaft, Verantwortung. Noch nie waren so viele Kinder echte Wunschkinder wie heute.

So gesehen ist es richtig, dass Österreichs sozialdemokratischer Gesundheitsminister Alois Stöger die "Pille danach" rezeptfrei gemacht hat. Sie ist eine Nothilfe, wenn bei der regulären Verhütung etwas schiefgegangen ist oder, aus welchem Grund auch immer, ein Paar nicht verhütet hat. Die gängigste Substanz Levonorgestrel verhindert bis zu 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr, dass ein befruchtetes Ei sich in der Gebärmutter einnisten kann - die ersten zwölf Stunden sehr gut, danach immer weniger gut.

Das spricht dafür, die "Pille danach" auch ohne Gang zum Arzt verfügbar zu machen - vor allem für junge, unerfahrene Frauen stellt dieser Gang eine peinliche Schwelle dar. In den USA, in Großbritannien und in Schweden gibt es weniger Teenager-Schwangerschaften, seit es die "Pille danach" rezeptfrei gibt; die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mittlerweile die Freigabe. In Deutschland dagegen ist das Medikament bislang nur auf Rezept zu erhalten. Es spricht viel dafür, dies zu ändern.

Doch woher rührt dieses Unbehagen, das bleibt trotz aller Logik? Es kommt eher nicht daher, dass die "Pille danach" kein regelmäßig anzuwendendes Verhütungsmittel ist und auch keine Kopfschmerztablette, die man nach einer langen Nacht nimmt - sondern ein Produkt mit Nebenwirkungen, über die eine Patientin aufgeklärt gehört.

Es hat auch nicht so sehr mit der Fundamentalopposition der katholischen Kirche zu tun, die Frauen für exkommuniziert hält, wenn sie eine Pille einnehmen, welche die Einnistung eines befruchteten Eis verhindert.

Das Unbehagen hat einen anderen Grund: Die Freigabe der "Pille danach" lässt ahnen, wie sehr die Trennung von Sexualität und Liebe zugenommen hat. Sex ist - gerade bei Jugendlichen - verfügbar geworden und hat verfügbar zu sein, sofort, ohne das Lebensspiel von Zuneigung und Zärtlichkeit, ohne Achtung des Anderen als Subjekt der Lust, als Persönlichkeit. Man muss nicht Papst sein, um hier mit dem Jubel zu zögern.

Gebt dem Sex die Liebe zurück, möchte man leise sagen. Nur: Das geht weder per Rezeptpflicht noch mit Hilfe von Kirchenstrafen. Das geht durch Aufklärung und Sexualkundeunterricht; und durch Erwachsene, die vorleben, dass Sex und Lust und Zärtlichkeit Zuwendung zu einem anderen Menschen bedeutet - nicht aber die Befriedigung des Egos.

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