Die Perfektionistin von heute reibt sich zwischen Karriere, Familie und Yogakurs auf. Höchste Zeit für einen Ratgeber, der diesen Opfern des modernen Lebens Macht zuspricht. Nur wann lesen sie den?
Wer Frauen das Gefühl geben will, sie wirklich zu verstehen, der muss nur aufzählen, was sie zu schaffen haben. Kürzlich ereiferte sich Kabarettist Florian Schroeder in einer Talkshow wohlwollend über die Frau von heute. Natürlich ging es da ums Dünnsein und diesen irrsinnigen Widerspruch von Karriere machen und zu Hause bei den Kindern bleiben, wo sie, also die Frau von heute, außerdem "Hure, Liebhaberin, beste Freundin, Mutter und alles auf einmal" sein müsse - ohne gestresst zu wirken. Applaus! Gelächter! So ist es ja wirklich, die armen Frauen.
Mit der perfektionistischen und somit grundsätzlich überforderten Frau von heute lassen sich aber nicht nur supergut Zuschauer zum Lachen bringen, sondern man kann damit auch prima Geld verdienen. Etwa mit einem Ratgeber, der sich gezielt an die Opfer des modernen Lebens wendet. In "Kleine Philosophie der Macht" mit dem Titelzusatz "nur für Frauen" wird schnell klar, dass die Leserinnen zwar nicht auf ein wohliges Endlich-versteht-mich-jemand-Gefühl setzen können, aber doch bitte fürs Leben lernen sollen. Autorin Rebekka Reinhard rät zur Macht. Macht? Also Macht so wie Weltherrschaft? Nein, auf keinen Fall, erklärt Reinhard gleich zu Beginn. Macht meint hier nichts Negatives, sie dient vielmehr als "Schlüssel zu Freiheit und Glück", im Sinne von "Ermächtigung" sozusagen.
Die selbstfindungshilfsbereite Autorin wütet sodann in elf Kapiteln mit Titeln wie "Frauen ohne Schnurrbart" oder "Das Artige-Mädchen-Syndrom" gegen ihre Leserinnen, die alle viel zu kontrolliert seien. Reinhards Empfehlung: Die Frau von heute müsse mehr "Kontrolle über das eigene Leben" gewinnen. Logisch? Nö. Und so geht es weiter. Um endlich bei sich selbst anzukommen, soll die Frau von heute lieber durch eine neue Körperhaltung Punkte sammeln, anstatt sich wie sonst in Streitereien geschlagen zu geben: "Wenn der Wortschwall anhält, zupfen Sie wahlweise Ihr Kostüm zurecht, betrachten Sie Ihre Fingernägel oder denken Sie an Ihren nächsten Strandurlaub. Hat die Gegenseite ausgeredet, schweigen Sie ein paar Sekunden und räuspern sich effektvoll."
Eigentlich will Reinhard das Richtige. Natürlich ist für die Frau von heute, ja, vielleicht sogar für den Mann, ein selbstbestimmtes Leben durchaus erstrebenswert und nicht allzu selten in weiter Ferne. Ob da altbackene Ratschläge helfen, ist aber fraglich. Geschlechterklischees lehnt die Autorin natürlich ab, lässt jedoch selbst keines aus, wenn es darum geht, den Damen einen Tritt in die viel zu durchtrainierten Hintern zu geben: "Macht hat mit 'machen' zu tun, aber bei diesem Machen geht es nicht darum, dass man etwas herstellt, einen Häkelpullover oder einen Kuchen." Ach so, danke.
Am Ende der Lektüre kann sich die Alltagsphilosophin von heute des Gedankens nicht erwehren, die knappe Zeit zwischen Büro, Küche und Männerbeglückung doch nur wieder mit Selbstoptimierungstipps verbracht zu haben. Immerhin ist der Bucheinband schön pink und macht sich bestimmt super neben dem Low-Carb-Cupcake-Kochbuch.