Süddeutsche Zeitung

Philosophischer Alltag:Mach mal Ordnung

Lesezeit: 2 min

Fragen Sie sich ab und an, warum das Leben so schwer ist? Vielleicht haben Sie nicht aufgeräumt. Oder nur nicht richtig, sagt Harriet Griffey.

Von Anne Backhaus

Manchmal sind ja die Dinge, die wir nicht tun, viel schlimmer als die, die wir tatsächlich anstellen. Endlich den schönen Kollegen küssen zum Beispiel. Das ist nicht schlau, aber das Herz schlägt für Wochen höher. Leben und so. Ähnlich wie am ersten Sommertag in den noch viel zu kalten See hüpfen. Dieses kreischende Gefühl wiegt weit mehr als die folgende Erkältung. Der vollgestopfte Dachboden hingegen, den wir seit Jahren gewissenhaft ignorieren, legt sich leicht als Ballast aufs Gemüt. Vor allem, wenn er nur als eins vieler anderer Chaos-Nester im Hinterkopf lauert.

Ein Ratgeberbüchlein verspricht Abhilfe für all jene, die ihr Leben durch gezielte Organisation auf Vordermann bringen wollen. "Endlich aufgeräumt" heißt es und um das Grundproblem zu verdeutlichen, zeigt der Titel die Illustration einer Frau. Sie hat sieben Arme. Nicht mit sechs oder acht, wie es noch einigermaßen ordentlich aussehen würde, sondern mit sieben Händen jongliert sie also, was Frauen heute eben alles so zu tun haben. Symbolisches Cocktailglas in der vordersten Rechten, danach wird's unglamouröser: Sie hält Laptop, Föhn, Hantel, Buch, Bratpfanne und To-do-Liste. Puh, das Leben ist schon ganz schön anstrengend. Vor allem vielleicht als Frau, die auf ihren Erinnerungszettel in der letzten linken Hand nun noch ein "Ordnung halten mit Ratgeberbuch" krickelt. Und ganz sicher nicht die achte unterm Pulli ihres Kollegen versteckt. Es gibt halt eigentlich so viel anderes zu tun!

Autorin Harriet Griffey geht es dann auch darum, mit Sortierideen für Entspannung bei ihrer vom eigenen Chaos gestressten Leserschaft zu sorgen. "Haben Sie jemals gedacht, dass Ihr Leben so viel leichter sein könnte, wenn Sie nur etwas organisierter wären?" Echt? Wie geht das? Anscheinend leider nicht ohne zusätzliche Selbstoptimierung. Denn Ordnung, so Griffey, "verschafft Ihnen mehr Zeit für sich selbst, für die Dinge, die Sie tun möchten: Sport treiben, gesünder essen, Zeitung lesen". Aber jetzt nicht gleich panisch werden. Erst in Ruhe aufräumen. Vor allem geht es der Autorin, die ebenfalls "Endlich schlafen" verfasst hat, um neue Routinen. Die sollen nicht nur helfen, den Dachboden gar nicht erst zuzumüllen, sondern nahezu alle Lebensbereiche von Finanzen bis hin zur digitalen Korrespondenz erleichtern.

Das Versprechen "Ordnung als Lebensweise" klingt für die Menschen mit dem Blick für den allzu schönen Kollegen oder mit der Lust auf den Sprung ins kalte Wasser vielleicht etwas übertrieben - mag für viele aber die ersehnte Rettung sein. Die Tipps sind oft gar nicht schlecht. Und wen fragt man schon als erwachsener Mensch, wenn man ein ernst zu nehmendes Problem mit der Organisation seines Schlafzimmers hat oder es einfach nicht schafft, seinen Urlaub zu planen? Genau, lieber einen Ratgeber.

Für geplagte Gemüter ist die Lektüre schon sinnvoll. Dinge tun! Nur im schlimmsten Fall ist das Buch ein weiterer Brocken im Chaos. Doch dann ist immerhin wieder eine Hand frei, um etwas anzustellen.

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Quelle:
SZ vom 02.07.2016
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