Süddeutsche Zeitung

Pfandleihhaus der Stars:Eine Rolex für die nächste Schönheits-OP

Auch bei den Promis fordert die Wirtschaftskrise ihren Tribut. Ein Anruf bei einem Pfandleiher aus Beverly Hills, dem Stars ihre Diamanten bringen.

Claudia Fromme

Es geht bergab in Beverly Hills, dem Hort der sehr Schönen und sehr Reichen. Die Fassade glitzert weiter, doch dahinter fordert auch in dem Viertel von Los Angeles mit der höchsten Prominentendichte der Welt die Wirtschaftskrise ihren Tribut. Jordan Tabach-Bank, 31, profitiert von den finanziellen Engpässen seiner Nachbarn: Er ist Geschäftsführer der Beverly Loan Company, dem "Pfandleihhaus der Stars".

SZ: Wie viele Damen aus Beverly Hills haben sich heute schon ihrer Diamanten entledigt, Mr. Tabach-Bank?

Tabach-Bank: Das Geschäft läuft heute ruhig an. Wir hatten einige schöne Vierkaräter, die eine ältere Dame gegen einen sechsstelligen Betrag deponiert hat, eine Rolex Daytona, eine Patek Philippe. Vielleicht kommt noch Kunst herein - ein David Hockney hat sich angekündigt.

SZ: Wenn die Wirtschaftslage schlecht ist, laufen Ihre Geschäfte sehr gut, oder?

Tabach-Bank: Wir können uns nicht beklagen. Seit Beginn der Krise im vergangenen Herbst sind unsere Umsätze um mehr als ein Drittel gestiegen. Aber uns geht es nicht nur in der Krise gut, unser Geschäft existiert seit mehr als 70 Jahren.

SZ: Ihr Großvater hat es damals nach der großen Wirtschaftskrise gegründet.

Tabach-Bank: Ja, und gerade erleben wir etwas sehr Ähnliches. Zu Zeiten der Internetblase und des Immobilienbooms kamen Menschen, um neu zu investieren. In eine Website, ein Kunstwerk, ein Haus. So wollten sie noch mehr Geld verdienen. Heute kommen Leute, um Kreditraten zu tilgen. Broker, Anwälte, Ärzte, die früher kaum kamen. In Amerika ist es schwierig, überhaupt noch einen Kredit zu bekommen, und wir merken das besonders.

SZ: Sie haben illustre Nachbarn. Zsa Zsa Gabor und Mickey Rourke etwa, die kennen ja beide gewisse Durststrecken. Zudem spart Hollywood neuerdings kräftig an den Gagen.

Tabach-Bank: Vergessen Sie's. Ich nenne keine Namen. Aber Sie würden sich wundern, wer hier alles hereinspaziert. Hollywood-Produzenten konnten mit unserer Hilfe Filme beenden, Schauspielerinnen sich eine Robe für den roten Teppich leisten. Zu uns kommen Spieler der Lakers, die ihre Trophäen verpfänden und Musiker mit ihren Awards. Es haben auch schon Preisträger mit ihrem Oscar vorgesprochen, die musste ich aber wegschicken, der gehört der Academy.

SZ: Und die Leute gehen dann mit Koffern voller Bargeld nach Hause?

Tabach-Bank:Ja, Cash ist für uns kein Problem, unsere Büros liegen direkt über der Bank of America. Vor Weihnachten ist bei uns traditionell viel los, wegen der Geschenke. Auch gegen Monatsende haben wir viel zu tun. Eine saudiarabische Prinzessin hat hier regelmäßig ihren Schmuck verpfändet, weil ihre Anweisung aus der Heimat erst zum Monatsanfang kam. Während des Super Bowl kommen Leute, denen Geld für die Wett-Einsätze fehlt.

SZ: Wissen Sie immer, was Ihre Kunden mit dem Geld machen?

Tabach-Bank: Ich frage nie und doch sagen sie es mir immer. "Ich mache eine schreckliche Scheidung durch und muss shoppen, um das zu überstehen", klagen sie. "Die Schönheitsoperation kann nicht warten", höre ich. Manchen ist langweilig, sie wollen reisen. Es geht aber auch um existenziellere Dinge. Kunden kommen etwa, um ihre Firma zu retten. Ich höre geduldig zu - wie ein guter Barkeeper.

SZ: Da fließen sicher Tränen, wenn Erinnerungsstücke versetzt werden, oder?

Tabach-Bank: Es fließen Tränen der Freude! Viele haben alles versucht, um an Geld zu kommen, und dann gibt es bei uns innerhalb weniger Minuten Cash. Und es ist ja nicht das letzte Mal, dass sie ihren Verlobungsring sehen, ihre Goldmünzen, ihren Picasso. Sie können wiederkommen und ihre Sachen auslösen. Bei manchen Damen aber sind es Tränen der Wut, wenn ich ihnen sagen muss, dass der Ring, den ein Mann ihnen mit viel Tamtam geschenkt hat, eine Fälschung ist. Wir beschäftigen Gemmologen für Edelsteine und Sachverständige, die überprüfen, ob Gemälde echt sind und ob wir es mit dem rechtmäßigen Besitzer zu tun haben.

SZ: Nach exakt vier Monaten und zehn Tagen läuft in Kalifornien die Frist beim Pfandleiher aus, dann werden saftige neue Zinsen fällig.

Tabach-Bank: Ein Großteil der Kunden löst vorher aus, was wir für sie verwahrt haben. Früher waren es weit über 90 Prozent, heute sind es etwas weniger. Ich nenne keine Zahlen, aber für Objekte mit einem Wert unter 2500 Dollar nehmen wir die gesetzlichen vier Prozent Zinsen. Bei teureren Objekten sind wir frei, aber wir belasten niemanden über Gebühr. Kunden eines normalen Pfandleihers in den USA bringen im Schnitt Waren für 75 Dollar, bei uns geht es in die Millionen. Ein geringer Zinssatz bringt da immer noch viel.

SZ: Wenn Sie in Beverly Hills auf eine Party gehen, drehen sich sicher viele weg aus Angst, dass Sie die ansprechen, oder?

Tabach-Bank: Wenn ich Kunden sehe, warte ich, ob sie grüßen. Tun sie das, grüße ich zurück, sonst nicht. Zum Pfandleiher zu gehen, ist dabei wirklich nichts Anrüchiges, und es ist ungefährlicher als ein Bankkredit. Im schlimmsten Fall verliert man vielleicht ein Collier - aber nicht gleich sein Haus. Manche nutzen uns auch als regelmäßige Barreserve; ein Herr ist seit 50 Jahren Kunde, eine Frau hat drei Mal einen Diamanten zu uns gebracht und wieder abgeholt. Der hatte einen Wert von mehreren Millionen und war die teuerste Pfandleihe, die wir je hatten. Leider ist der Diamantenpreis im Keller wegen der Krise.

SZ: Gibt es Dinge, bei denen Sie hoffen, dass sie nicht mehr abgeholt werden?

Tabach-Bank: Ich gebe zu, bei Uhren werde ich schwach. Aber unsere Kunden sollen ja zufrieden sein und wiederkommen. Können sie nicht auslösen, verkaufen wir den Schmuck an Händler, die ihn dann ein paar Blocks weiter am Rodeo Drive für den doppelten Preis anbieten. Manchmal finden diese Dinge auch den Weg wieder zurück zu uns. Wertvolle Sachen wie große Diamanten und Gemälde gehen zu Christie's und Sotheby's. Manche Sachen behalte ich aber auch.

SZ: Was zum Beispiel?

Tabach-Bank: In meinem Büro hängt ein Picasso, ein Warhol und ein Hockney. Auf meinem Schreibtisch steht eine Sanduhr von De Beers, ein absolutes Lieblingsstück von mir. Durch die rieseln 2000 winzige Diamanten - wunderschön! 32 Carat, 25.000 Dollar. Aber sagen Sie, wie lange dauert das Gespräch noch? Auf dem Videomonitor sehe ich zwei Herren, die auf mich warten.

SZ: Der Hockney?

Tabach-Bank: Nein, es ist etwas anderes, über das ich unmöglich reden kann.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.173655
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.08.2009/vs
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.