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Sprache von Kindern:Warum Kinder in den USA plötzlich mit britischem Akzent sprechen

Lesezeit: 2 min

Normalerweise übernehmen britische Kinder den US-Slang, vorangetrieben durch Netflix-Serien und Videospiele. Jetzt ist es umgekehrt - das liegt an einem Wesen namens "Peppa Pig".

Von Alexander Menden

"Du magst tomeito, ich mag tomaht o", sang Louis Armstrong einst, und verewigte so die Aussprache-Unterschiede zwischen der amerikanischen und der britischen Tomate. Tatsächlich sind Briten und Amerikaner laut einem Sprichwort "getrennt durch eine gemeinsame Sprache".

De facto findet allerdings schon lange eine internationale Homogenisierung des Englischen statt, vorangetrieben durch amerikanische TV-Serien und Videospiele (in denen Bösewichte in der Regel am britischen Akzent zu erkennen sind). Das führt dazu, dass auch britische Kinder Müll amerikanisch "garbage" statt englisch "litter" nennen, Bürgersteige "sidewalk" statt "pavement" und Polizisten "Feds" statt "Bobbies".

Peppa-Fans mit britischem Akzent

Nun scheint sich dieses Phänomen zumindest in einem Fall umgedreht zu haben - und Auslöser ist die britische Vorschulserie "Peppa Pig". In den sozialen Medien häufen sich Berichte US-amerikanischer Eltern, die beobachten, dass ihre Zwei- bis Fünfjährigen, sämtlich Peppa-Fans, mit britischem Akzent zu sprechen und britische Wörter zu benutzen begonnen hätten.

Twitter-User Sylvester Kabajani bemerkt, seine Vierjährige habe beim Zubettgehen das britische "snuggle" benutzt, als sie um eine Kuscheleinheit bat. Leah Wachna twittert durchaus erfreut, ihre Tochter sage inzwischen "tomahto" statt "tomeito". Andere sorgen sich, die Akzentveränderung sei ein Zeichen, dass Eltern die Kinderbetreuung auf den Fernseher abschöben.

Diese Mimikry ist vor allem ein Beleg für die ungeheure weltweite Popularität der britischen Serie bei Vorschulkindern. Matschpfützen-Fan Peppa Pig, die in der deutschen Version "Peppa Wutz" heißt, und ihre Comicschweinefamilie sprechen ein mustergültiges Mittelschichtenglisch. Ein paar Nebenfiguren, etwa der Bauarbeiter Mr. Bull, haben einen Cockney-Akzent, was ihre Herkunft aus der Arbeiterschicht andeutet.

Anpassung an Lebensumwelt

Die Linguistik nennt das von den amerikanischen Eltern beschriebene Phänomen "Akkommodation". Der Begriff bezeichnet eine Anpassung an die sprachlichen Gegebenheiten der unmittelbaren Lebensumwelt, die sich in der Regel unbewusst vollzieht. Bei Kleinkindern beginnt sich vom 20. Lebensmonat an ein Akzent zu formen. Eine Studie im British Journal of Developmental Psychology wies 2008 nach, dass fünf- und sechsjährige Kinder dabei nicht bewusst zwischen muttersprachlichen Akzenten in ihrer eigenen Sprache unterscheiden können (zwischen einem beliebigen Muttersprachler und einem ihre Sprache sprechenden Ausländers mit starkem Akzent aber sehr wohl).

Dass der britische Akzent den kleinen Amerikanern erhalten bleiben wird, wenn sie älter werden, ist unwahrscheinlich, und insgesamt wird diese punktuelle Gegenströmung die phonetische Amerikanisierung des Englischen kaum aufhalten. Denn nur in Ausnahmefällen werden Serien, die im Original amerikanisch klingen, fürs englische Fernsehen eigens von britischen Schauspielern neu synchronisiert. Eine Ausnahme bildet die Serie "Paw Patrol", von der es eine nordamerikanische und eine britische Version gibt. Sie stammt aber auch nicht aus den USA, sondern aus dem weniger hegemonial eingestellten Kanada.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2019
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