Paris-Kolumne:Die Hummel

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(Foto: Steffen Mackert)

Die einen lernen dazu, die anderen nehmen zu: Unsere Paris-Kolumnistin hat endlich einen ""Manu-et-moi"-Moment.

Von Nadia Pantel

Es kommt selten vor, dass ich mich Emmanuel Macron nah fühle. Selbst als er mir einmal tief in die Augen schaute, weil er dachte, ich sei die Bewohnerin eines ostfranzösischen Dorfes, das er gerade besuchte, hatte ich keinen so richtigen "Manu-et-moi"-Moment. Das änderte sich, als ich vor ein paar Wochen las, Macron habe seit Beginn des Jahres zugenommen. Die Info kam direkt aus dem Élysée, dort wurde es als positives Zeichen gewertet, der Präsident habe jetzt eine andere "Präsenz auf Fotos". Ich war begeistert. Seit ich nur noch im Home-Office hocke, neigt auch mein Körper zu einer starken Präsenz.

Als man Fitnessstudios noch besuchen durfte, habe ich mich mal in einem angemeldet. Zur Feier der Vertragsunterzeichnung wurde ich von einer Frau vermessen, deren Kleidung farblich auf das Logo des Studios abgestimmt war. Das Logo war pink. Pink bedeutete hier so viel wie: Wow, Power, Energy. Bei der Vermessung meines Körpers kam heraus, dass ich absolut unpink war, sondern von Kopf bis Fuß eher beige. So zeigte es wenigstens das Tortendiagramm, das meine Person in Muskeln und den unnötigen Rest aufteilte. "Hier müssen wir stärker werden", sagte die Vermesserin und zeigte auf einen feinen pinken Streifen. Tortendiagramme heißen auf Französisch übrigens Camembert. Das Fitnessstudio kam jedenfalls zu dem Schluss, dass ich eine Art Hummel unter den Menschen war. Ich konnte nur laufen und sitzen, weil ich mir meiner körperlichen Grenzen nicht bewusst war. Physikalisch war mein aufrechter Gang eigentlich unmöglich, ich war eine Camembert-Torte ohne Muskeln.

Wie es sich gehört, habe ich das Fitnessstudio dann nie besucht, sondern einfach vor mich hingehummelt. Emmanuel Macron hingegen hat wenig von einer Hummel. Es gibt einen Dokumentarfilm über seinen Wahlkampf, da sieht man, wie Brigitte Macron ihm verbietet, Schokolade zu essen. Bevor jetzt irgendwer in Phantasien abgleitet, über ältere Frauen, die jüngere Männer dominieren: Die Macrons wirken auf mich eher wie ein Paar, das sich in Schokoladenfragen gemeinsam coachen lässt.

Auch wenn einige behaupten, die Pandemie biete die Chance, alles neu zu denken, wirkte es auf mich eher, als sei alles nur noch doller so geworden, wie es ohnehin schon war. So saß ich also am Mittwochabend mit einem kleinen Snackteller vor dem Fernseher und schaute mir mal wieder eine Rede von Macron an. Er war drahtig wie eh und je. Wer hatte sich eigentlich ausgedacht, er habe zugenommen? Wäre Macron ein Tortendiagramm, dann natürlich ein pinkes. Wow, Power, Energy. Ich weiß, Sie sind sehr müde, sagte Macron gegen Ende seiner Rede. Da wurde mir die Ansprache fast zu persönlich. Doch gleich darauf sagte er, wir hätten in diesem Jahr alle dazugelernt. Ich nahm mir noch eine Erdnuss, er meinte nicht mich.

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