La Boum:Konversation mit einem Camembert

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin nimmt sich vor, auch mal etwas blöd an Frankreich zu finden. Das ist schwieriger als gedacht.

Von Nadia Pantel

Diese Woche war ich mit einem französischen Kollegen Kaffee trinken. Ich erzählte ihm von dieser Kolumne. "Oh, großartig", sagte er, "beleidigst du Franzosen?" Ich dachte kurz nach. Nein, ich glaube nicht. Er war enttäuscht. Er verstand nicht richtig, welchen Sinn eine Kolumne über Frankreich haben könnte, in der keine Franzosen beleidigt werden. "Na ja", sagte ich, "das lesen ja nur Deutsche." "Siehst du", sagte er, "wir sind sogar zu blöd dazu, die Sprache unseres Nachbarlandes zu lernen."

Okay, ganz so sagte er das nicht, aber ich habe ihm versprochen, diese Woche eine antifranzösische Kolumne zu schreiben, und da kann es nicht früh genug losgehen mit dem Beschimpfen. Doch gerade als ich richtig loslegen wollte (Frankreich! Wirklich das Allerletzte!), wurde ich traurig. Ich hatte schon mein erstes Buch vor mir gesehen: La France - nie wieder. Und dann? Fiel mir überhaupt nichts ein. Mein Hirn war so wattig-friedlich wie die Seele einer alten Schildkröte. Ich hätte vorm Schreiben keine Tarte au Citron essen sollen, das verklebt die Wut und nimmt ihr alle Kanten. Ich öffnete ein Bier, weil das überhaupt nicht zu Zitronentörtchen passt, und versuchte, das Süße wegzuspülen. Dann ging ich zum Kühlschrank und fand einen Camembert, der in Calvados getränkt und dann durch Haselnüsse gewälzt worden war. Bist du auf irgendwas sauer, wollte ich vom Camembert wissen. Er schaute mich irritiert an. Er war in Calvados getränkt und in Haselnüssen gewälzt worden, er war der beste Käse der Welt, er stellte sich keine Fragen.

Wird jetzt alles Böse einfach sehr klein?

Da ist sie wieder, diese französische Arroganz. Ich versuchte, mich in Rage zu murmeln. Der Camembert lachte - okay, jetzt ist die deutsche Frau sauer auf einen Käse. Ich nahm ihm die große Haselnuss weg, die er in der Mitte trug wie einen Hut. Dann machte ich den Kühlschrank zu. Wehe, er macht da drin jetzt das Licht an, nur damit er im Hellen schimmeln kann, und ich muss dann die Stromrechnung zahlen.

Wobei man in Frankreich ja Strom verschwenden darf wie sonst nirgends auf der Welt. Denn Frankreich, so sagte es erst diese Woche wieder Emmanuel Macron, ist vom Atomgott geküsst. Und der Atomgott wird uns Nutzern des französischen Stromnetzes bald nicht nur große Meiler schenken, sondern kleine, feine, niedliche. Ja, wirklich, auch das versprach Macron, Frankreich plant Mini-Atomkraftwerke. Ob nun auch Deutschland Mini-Kohlekraftwerke entwickelt? Wird jetzt alles Böse einfach sehr klein? Zum Beispiel meine Miete?

Gib Ruhe, das Licht ist eh aus, rief der Camembert aus dem Kühlschrank. Besser so, keifte ich zurück. Und dann tat er mir leid, so allein im Dunkeln. Ich holte ihn aus dem Kühlschrank, wir verabredeten uns für den späteren Abend. Was hast du eigentlich gegen Frankreich, fragte er, bevor ich zurück an den Schreibtisch ging. Nichts, seufzte ich, leider nichts.

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Paris-Kolumne
:La Boum

Nadia Pantel ist SZ-Korrespondentin in Frankreich. Über ihr Leben in Paris schreibt sie jeden Freitag die Kolumne "La Boum". Hier gibt es alle bisher erschienenen Folgen zum Nachlesen.

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