La Boum:Weihnachtliche Austernliebe

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(Foto: Steffen Mackert)

Unsere Kolumnistin lauscht gerührt einem Gespräch in einem Blumenladen und fragt sich, warum sie Glühwein so gar nicht vermisst.

Von Nadia Pantel

Ein Blumenladen am nördlichen Eingang des Friedhofs Père Lachaise. Zwei Männer wollen Blumen kaufen, für einen Freund, der nicht mehr mit ihnen spazieren geht. Einer der beiden hebt einen Strauß hoch: "Schau, die ersten Mimosen." An einem dünnen Zweig hängen dicht an dicht gelb leuchtende Pompoms. Von Januar an wird die blühende Mimose büschelweise von der Côte d'Azur nach Paris gekarrt. Dort ist alles grau und die Mimose kündet so unbeirrt vom nahenden Frühling, dass man ihr sanft über die Puschel streicheln mag. Auch jetzt ist es grau, noch nicht mal an der Côte d'Azur ist Frühling, aber dieser Zweig ist nun einmal schon da.

"Meinen Sie, den kann man gut auf ein Grab legen?" fragt einer der zwei Männer die Blumenverkäuferin. "Aber ja, das freut jeden," sagt sie. Und sie lachen alle drei und vielleicht würde der vierte auch mitlachen, wenn er noch da wäre. Dann wollen alle im Laden ausführlich ihr Weihnachtsmenü besprechen. Verkäuferin: "Langusten! Ich freue mich seit Tagen schon auf diese Langusten." Mann 1:"Ich finde eigentlich alles gut, was aus dem Meer kommt und nicht schwimmen kann. Also eher Muscheln." Mann 2: "Weihnachten ohne Austern kann ich mir nicht vorstellen." Verkäuferin: "Ich krieg Austern nur runter, wenn ich dazu viel Brot und viel Butter esse." Mann 2: "Aber Jakobsmuscheln mögen Sie, oder?" Es geht dann noch darum, ob man manche Muscheln roh und dünn geschnitten auf Brot legen kann. Die Männer finden ja, man kann, die Blumenverkäuferin schiebt sie sanft Richtung Kasse. Schließlich sieht sie, wie ich neben einem der größeren Weihnachtsbäume stehe. Ich bin heute möglicherweise ihr dickster Fang.

Ich mochte die Blumenverkäuferin schon, als sie Butter zur Auster forderte

"Ho hisse", sagt die Blumenverkäuferin, als sie den Weihnachtsbaum in den Kinderbuggy hievt, den ich als Transporthilfe mitgebracht habe. Noch vor "hepp" und "hopp" ist mir "ho hisse" der allerliebste Schleppsound. "Ho! Hisse!" - es klingt jedesmal, als wäre man eine kleine Zeichentrickfigur, die sich einen riesigen Mehlsack über die Schulter wirft. Ich mochte die Blumenverkäuferin schon, als sie Butter zur Auster forderte, nun schließe ich sie endgültig ins Herz.

Auf dem Nachhauseweg schiebe ich schwer, doch mir wird immer leichter. So wie es den Augen manchmal gut tut, nach zu viel Kerzenlicht mal eine Neonleuchte anzuschalten, genieße ich die Abwesenheit von Stollen und Lebkuchen und Gemütlichkeitgemütlichkeitgemütlichkeit. Die Straße ist hässlich, niemand hat einen Lichterbogen ins Fenster gestellt, es riecht nicht nach Glühwein. Stattdessen schon wieder Austern: "Jetzt ihre Platte fürs Fest bestellen" steht auf dem Schild vor dem Fischladen. Es kostet mich Überwindung, Glibber zu essen, der schmeckt, als hätte man sich beim Schwimmen im Meer verschluckt. Aber an Weihnachten bin ich den Franzosen für ihre Austernliebe dankbar. Für dieses kalte, rohe Festessen, das sich anfühlt wie Luft holen.

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