Paralympics:Die Paralympics im Schatten der Krim-Krise

Sotschi (dpa) - Über den ersten Paralympischen Spielen in Russland liegt kurz vor Beginn ein schwerer Schatten. Die Krise auf der Halbinsel Krim - rund 450 Kilometer Luftlinie vom Paralympics-Ort Sotschi entfernt - ist allgegenwärtig.

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Sotschi (dpa) - Über den ersten Paralympischen Spielen in Russland liegt kurz vor Beginn ein schwerer Schatten. Die Krise auf der Halbinsel Krim - rund 450 Kilometer Luftlinie vom Paralympics-Ort Sotschi entfernt - ist allgegenwärtig.

Kein Sportler, kein Offizieller, der nicht nach seiner Einschätzung gefragt wird. Demonstrativ betonen die russischen Verantwortlichen, alle Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Russland werde sich auf höchstem Niveau präsentieren, verspricht Regierungschef Dmitri Medwedew. Behinderte erhoffen sich von den Paralympics (7. bis 16. März) einen gewaltigen Schub ihrer Rechte im Riesenreich. Sir Philip Craven, Chef des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), betont: "Die Paralympics können Barrieren und Klischees beseitigen wie kein anderes Event."

Bisher führen Behinderte in Russland ein Schattendasein. Im früheren Sowjetimperium wurde lange Zeit behauptet, es gebe keine Behinderten. Noch heute verstecken Familien aus Scham ihre pflegebedürftigen Angehörigen oft in Heimen oder Wohnungen. Menschen in Rollstühlen sind im Straßenbild kaum zu sehen. Vielerorts ist der Transport nicht auf Behinderte eingestellt. Aufzüge in Metrostationen sind rar, hohe Bürgersteige erschweren zudem das Fortkommen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisiert in einem Bericht eine "Diskriminierung" von Millionen Menschen.

In Sotschi soll das nun anders werden. So behindertenfreundlich wie keine andere russische Stadt will sich der Paralympics-Gastgeber präsentieren. Mehr als 30 "sprechende Ampeln" seien installiert, mehr als 1000 Orte barrierefrei erreichbar, betonen die Organisatoren. An einigen Treppen sollen Lifte die Beförderung vereinfachen - die allerdings mehrere Minuten benötigen, wie das Portal blogsochi.ru in einem Video zeigt. Rampen wären wohl einfacher und günstiger gewesen.

Vor den wohl wärmsten Winterspielen in der Geschichte der Paralympics ist auch das Wetter ein zentrales Thema. Frühlingshafte Temperaturen werden kurz vor dem Eröffnungsfeuerwerk in Sotschi gemessen. Bereits bei den Olympischen Winterspielen im Februar hatten zahlreiche Sportler über matschige Loipen geklagt. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte die Strecken allerdings ausdrücklich gelobt.

Der Aufwand am Schwarzen Meer ist immens. Etwa 8000 Freiwillige sollen während der Paralympics Hilfe leisten, Hunderte Busse stehen für den Transport der Zuschauer bereit. Wie bei den Olympischen Spielen sind vermutlich erneut Zehntausende Sicherheitskräfte im Einsatz. Zahlen nennt die Führung in Moskau diesmal nicht.

Das von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Sicherheitskonzept mit weiträumigen Absperrungen sowie Einschränkungen für den Zivilverkehr ist nach wie vor in Kraft. Nur wenige Hundert Kilometer entfernt kämpfen radikale Islamisten im Konfliktgebiet Nordkaukasus für ein von Moskau unabhängiges "Emirat". Sie haben mit Anschlägen während der paralympischen Wettbewerbe gedroht.

Trotz der Krim-Krise, trotz des gewaltigen Aufwandes auch mit nötigen Visa: Das Zuschauerinteresse sei groß, meint der zuständige Vizeregierungschef Dmitri Kosak. Etwa 500 000 Karten seien verkauft. "Nur ein technisches Kontingent ist noch übrig", meint Kosak. Die Eintrittspreise sind deutlich niedriger als noch bei den Olympischen Winterspielen, Karten gibt es schon für rund acht Euro. "Einem sehbehinderten Skifahrer zuzujubeln, der mit 100 Stundenkilometern den Berg herabrast, oder die explosive Energie des Sledge-Hockeys zu spüren - das sind einmalige Chancen", wirbt IPC-Chef Craven um Fans.

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