Oswalt Kolle:Der Aufklärer der Nation ist tot

Er war im Auftrag der nationalen Erotik unterwegs, seine Bücher und Filme haben Millionen Deutschen aufgeklärt. Nun ist Oswalt Kolle im Alter von 81 Jahren gestorben.

Violetta Simon

Der als "Aufklärer der Nation" bekannt gewordene Journalist Oswalt Kolle ist tot. Nach Informationen der SZ unter Berufung auf die Familie Kolles starb der 81-Jährige bereits vor einer Woche am 24. September in Amsterdam.

Oswald Kolle, 2001

Er klärte Millionen Deutsche auf: der Journalist Oswalt Kolle.

(Foto: ag.ap)

Den Tod gaben die Angehörigen demnach nach der Trauerfeier bekannt, die am Freitag stattfand. Kolle, der am 2. Oktober 82 Jahre alt geworden wäre, war in den sechziger Jahren in Deutschland ein Vorkämpfer der sexuellen Aufklärung. Seine Filme sahen Millionen Menschen in den Kinos und später im Fernsehen. Bis heute hat Kolle 13 Bücher und acht Drehbücher über Sexualität geschrieben.

Szenen einer offenen Ehe

Im September 2008, da war Kolle beinahe 80, hatte der Rowohlt Verlag seine Autobiografie "Ich bin so frei" veröffentlicht. Wie darin zu lesen ist, hielt der Autor auch mit seinem eigenen Liebesleben nicht hinterm Berg: "Meine erste sexuelle Beziehung war im Alter von 14 mit einem Jungen, meine zweite ein Jahr später mit einem Mädchen", schreibt er. Mit 21 Jahren lernt er Marlies Duisber kennen und die beiden erleben "eine wilde Zeit, mit Trennung und anderen Partnern". Dennoch beschließen sie, zusammenzubleiben und zu heiraten.

In den 47 Jahren ihrer Ehe ist Kolle seiner Frau - im sexuellen Sinne - vom ersten Tag an untreu - von ihr getrennt sein wollte er aber nie. In eigenen Worten berschreibt er das in seiner Biografie so: "Wir wollten nicht kleinbürgerlich denken und leben. So entwickelten wir ein Konzept der offenen Ehe: Wir gehen nie auseinander, versprachen wir uns. Erlaubt sind andere Partner, aber wenn einer sich emotional zu weit entfernt, holt der andere ihn wieder zurück."

Keine Angst vor Tabus

Für seine Anliegen engagierte sich Kolle auch im Alter noch. So machte der starke Raucher, der sich in den vergangenen Jahren mit Hilfe eines Rollators fortbewegte, keinen Hehl daraus, dass Sex nicht ausschließlich von jungen und schönen Menschen praktiziert werden dürfe. 2008 brachte er zu dem Thema ein Buch mit dem Titel "So bleibt die Liebe jung" heraus - das im Kleinverlag einer Bekannten erschien und zugegebenermaßen einige Vorträge der letzten Jahre aufwärmte.

Der Ratgeber berichtet freimütig von weiblicher Ejakulation und Erektionsschwierigkeiten, rät zu Vaginalmuskeltraining und "Stopp-and-Go-Programm" für die "Männer von der schnellen Truppe". Von der Missionarsstellung rät Kolle älteren Paaren ab und empfiehlt die stabile Seitenlage. Er propagiert die Geduld in der Liebe und eine "neue Kultur der Zärtlichkeit".

Aber auch andere Tabuthemen packte er ohne Berührungsängste an: Seiner todkranken Frau leistete er im Juli 2000 in den Niederlanden legale Sterbehilfe - und berichtete anschließend offen in Interviews darüber.

Auf dem Sterbebett trug Marlies ihrem Mann auf, sich eine neue Frau zu suchen. Lange hat es nicht gedauert, bis er ihr diesen Wunsch erfüllte: 2002 lernte er José Del Ferro kennen, eine Amsterdamer Witwe, die in seiner Nähe wohnte. Die beiden führten eine "LAT-Beziehung" (Living apart together). Eine offene Beziehung mit wechselnden Partnern jedoch kam für die Holländerin nicht in Frage. Oswalt Kolle konnte damit leben - bis zum 24. September 2010.

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