Süddeutsche Zeitung

Online-Hundeschule im Test:Das Chihuahua-Frauchen-Herrchen-Rudel

Mann gegen Chihuahua, so lautete der Kampf, den unser Autor anfangs deutlich verlor. Letzte Rettung war die zufällig entdeckte Online-Hundeschule. Das Ringen um die Hackordnung zwischen Hund und Herrchen endet schließlich auf dem Boden des Schlafzimmers.

Von Matthias Kohlmaier

Da stehen wir nun. Ich, 190 Zentimeter groß und 80 Kilogramm schwer. Und sie, 27 Zentimeter hoch und gerade mal zwei Kilo schwer. Wir führen einen Kampf, den ich niemals kommen gesehen habe: Den Kampf darum, wer hier der Chef ist. Wer entscheidet, wohin und ob unser Spaziergang weitergeht.

Wäre da nicht meine physische Überlegenheit, ich hätte ein echtes Problem. Ist dieses kleine Fellknäuel wirklich willensstärker als ich?

Natürlich war mir von Beginn an klar, dass sich ein Hund nicht von selbst erzieht. Besonders eine Chihuahua-Hündin, die in ihren ersten beiden Lebensjahren vermutlich keine leichte Zeit und das Kommando "Sitz" anscheinend noch nie vorher gehört hatte. Trotzdem war der Tag, als wir sie endlich vom Tierschutz zu uns nach Hause geholt haben, ein sehr glücklicher. Konnte ja noch keiner ahnen, was wir uns da für eine kleine Diva angelacht hatten.

Die kleine Neni hatte in den ersten Tagen noch gehörigen Respekt vor ihrer neuen Umgebung und war dementsprechend schüchtern, schlief viel (was sie heute noch tut) und war schlichtweg die hundgewordene Niedlichkeit (was sie ebenfalls heute noch ist). Allerdings, eines stand fest: Ich will keinen Paris-Hilton-Schoßhund, keinen Handtaschen-Chihuahua. Ich will einen richtigen Hund. Einen, der nicht ständig rumgetragen wird und der die wichtigsten Kommandos befolgt. Diese Aufgabe habe ich vielleicht ein klein wenig unterschätzt.

Lob für das große Geschäft

Anders gesagt: Das Hündchen war der Chef - und ich durfte dem Chef das Essen bringen und war bei Bedarf ein gefragter Bauchkrauler. Das vermeintliche Fachwissen, vor der Ankunft des Hundes mühsam aus Büchern angelesen und im hundeaffinen Freundeskreis recherchiert: wertlos. Beispiel von Tag zwei: Habe erstmals irgendwen kräftig dafür gelobt, sein großes Geschäft an der meiner Meinung nach dafür vorgesehenen Stelle verrichtet zu haben. Das hielt das kleine Hündchen jedoch nicht davon ab, selbiges am Folgetag im Badezimmer zu erledigen.

Mein Selbstverständnis als Rudelführer sah es trotzdem nach ein paar Tagen vor, endlich mit dem Lehren von Kommandos zu beginnen. Doch der Hund kam nicht, wenn ich voller Inbrunst "Hier!" rief, setzte sich nicht, wenn ich "Sitz!" forderte und legte sich bei meiner Bitte um "Platz!" schon gar nicht hin. Mein vorhandenes Wissen über Hundeerziehung half mir kein Stück. Trost für das angeknackste Rudelführer-Ego sollte dann ausgerechnet eine vermeintliche Spam-Email schaffen, die täglich dutzendfach in jeder Inbox landen.

"Deutschlands erste Online-Hundeschule TopDogs.de legt das 1x1 der Hundeerziehung vor", hieß es da in der Betreffzeile. Und schon auf die gängige Begrüßungsformel solcher Mails folgte der Satz, der den hilfesuchenden Neu-Hundebesitzer vollends anfixte: "Sitz, Platz und ins Körbchen - das geht ganz einfach." Minuten später hatte ich per Mail um einen Testzugang gebeten.

Am ersten freien Tag ging es sofort samt Hündchen und Laptop los. Das einfache Prinzip der Online-Hundeschule: Jedes Kommando wird in kurzen, in mehrere Sequenzen unterteilten, Lehrfilmchen am Hund anschaulich erklärt. Was spätestens bei "Platz" auch bitter nötig war. Drei Optionen sollte es zum Erlernen des Kommandos geben: eine für große Hunde, die Allround-Methode und eine für sehr kleine Hunde. Schlussfolgerung für mein Mini-Hündchen: Letztere Variante muss es sein.

Auf dem Teppich des heimischen Schlafzimmers sah das dann so aus: Herrchen sitzt, ein Bein leicht angewinkelt, das andere zur Seite gestreckt, vor Hündchen. Hündchen wird durch Leckerli unter dem angewinkelten Bein hindurchgelockt; in dem Moment, in dem sich die Kleine mangels Platz unter meinem Knie hinlegen muss, gibt's nicht nur den Hundekuchen, sondern auch ein großes Lob. Später wird dann auch noch das Kommando "Platz" genau in der Millisekunde, in der Hundebauch und -popo den Boden berühren deutlich ausgesprochen.

Dass die Ehefrau den Versuch nicht ohne Amüsement beobachtet, erklärt sich von selbst. Aber es funktioniert! Neni legt sich hin! Ein kurzfristiger Triumph für mich, den Neu-Hundetrainer, wie ich mittlerweile weiß. Denn "Platz!" ist für den Hund ein kompliziertes Kommando und will immer wieder neu geübt werden. Wir sind dran.

Die Quintessenz nach ein paar Wochen Online-Hundeschule: Feine Sache für die Grunderziehung, besonders für unerfahrene Hundebesitzer. Für alles Weitere braucht es dann doch ein persönliches Hundetraining. Das korrekte Verhalten beim gemeinsamen Spaziergang - besonders, wenn ein unkastrierter Rottweiler-Rüde auf Hündchen und Halter zustürmt - lässt sich nicht anhand eines Internetvideos trainieren.

Inzwischen werde ich von unserer Zwei-Kilo-Diva jedenfalls zumeist als der Ranghöhere akzeptiert. Doch eines ist in unserem Chihuahua-Frauchen-Herrchen-Rudel eindeutig: Neni hält meine Frau für den unangefochtenen Rudelführer.

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