Süddeutsche Zeitung

Dating-Serie (1): die Kontaktanzeige:Gesucht: die Liebe

Viele Menschen hoffen, ihr Liebesglück im Internet zu finden, möglichst zeitsparend. Doch wie erfolgversprechend ist die Suche im Vergleich zur Kontaktanzeige in der Zeitung? Unsere Autorin hat es ausprobiert. Ein Erfahrungsbericht.

Lilli Köhler

Wer erzählt, sich bei einer Partnerbörse registrieren zu wollen, erhält zwei mögliche Reaktionen. Die eine: großes Befremden. Was bleibe bitte vom Zauber des Verliebens, wenn da so ein technischer Kasten zwischengeschaltet wäre? Auf die Gegenfrage, wie romantisch es sei, sich unter dem Einfluss hemmungsabbauender Substanzen Satzfetzen zuzubrüllen, später aufzuwachen neben jemandem, der einem urzeitlichen Tümpel entstiegen und gleich wieder umgefallen zu sein scheint, verstummen die Zweifler.

Bei der anderen Gruppe von Gesprächspartnern, die man mitunter seit Jahren zu kennen glaubte, scheinen sich plötzlich gewisse Gesichtspartien zu entkrampfen. Endlich dürfen sie beichten. Sie lehnen sich etwas zurück, holen Luft. Ja, sagen sie, vor Monaten, Jahren, hätten sie das auch mal probiert. Sich registriert, Leute getroffen. Einige Nette seien schon dabei gewesen, geworden sei nie etwas draus, doch würden sie Fälle kennen, bei denen hätte es gefunkt, Heirat, Kinder etc.

Ich bin momentan Single, dachte bislang auch, eine zufrieden-harmonische Aura zu verströmen. Trotzdem hält es meine Chefin es für eine tolle Idee, wenn ich mich auf die Suche nach einem neuen Partner begäbe. Man würde Hoffnungen in mich setzen. So hören sich Chancen an, die man einfach nicht ablehnen kann.

Ein parallel gestartetes Experiment soll also zeigen: Wie leicht oder schwer ist es, im Internet einen Menschen zu treffen, mit dem man sich versteht, den man vielleicht näher kennenlernen möchte? Und welche Resonanz erhält man im Vergleich dazu auf eine klassische Kontaktanzeige? Voller Tatendrang registriere ich mich bei einem Online-Dating-Portal und gebe am selben Tag in einer überregionalen Publikation eine Anzeige auf.

Platz ist Geld

Letzteres bedeutet schon das erste Problem: Platz ist Geld. Wie soll man sich denn in seiner ganzen Pracht anpreisen, wenn man nur wenige Zeichen zur Verfügung hat, jedoch nicht die Standardfloskeln bringen möchte? Mein Esprit verpufft. Ins keksgroße Anzeigenfeld kommen dann das Zitat eines klassischen Dichters (zum Googeln für Bildungsinteressierte), dazu hölzerne Standardfloskeln ("charmant", "attraktiv"), weil mir nach langem Überlegen nichts besseres einfällt.

Nach dem Abschicken der Anzeige drängt sich der Gedanke an Groucho Marx auf, der sagte: "Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt." Möchte ich wirklich jemanden kennenlernen, der jemanden kennenlernen möchte, der so eine Anzeige aufgegeben hat?

Es ist ein Dilemma: Das Bestreben, seine individuellen, positiven Eigenschaften herauszukehren, resultiert zwangsläufig in der Schilderung eines ziemlich einförmigen, genormten Ideals. Dem, so der Einduck beim Lesen der anderen Anzeigen, auch alle anderen zu entsprechen scheinen ("mag Reisen und Rotwein"). Um nicht ständig an Groucho Marx denken zu müssen, feile ich am Internet-Profil, wechsle mehrmals die Fotos aus, krame nach Hobbys, Interessen und Sprüchen, mit denen ich mein Profil aufpeppen könnte.

Nach einer Woche kann erste Bilanz gezogen werden. Wie zu erwarten war, hat die klassische Kontaktanzeige mit Chiffre noch keine Resonanz gezeigt: Statt wohlformulierter Briefe bindungswilliger Kavaliere ist bisher nur eine Rechnung ins Haus geflattert, für die man sich mehrere Monate lang bei der Singlebörse registrieren lassen hätte können. Dafür ist die Neugier auf die nicht-virtuellen, womöglich sogar handgeschriebenen Briefe umso größer. Die Mühe, die auf das Ausfüllen des Online-Dating-Profils verwendet wurde, hat sich dagegen bereits ausgezahlt. Das Postfach ist nach einer Woche ganz passabel gefüllt.

Wie schwierig jedoch auch im virtuellen Raum ein unvoreingenommenes Kennenlernen ist, zeigt sich, noch bevor die Nachrichten geöffnet oder die Profile der Absender näher in Betracht genommen wurde. So kann bereits der Name, den sich jeder User geben muss, über spontane Sympathie oder Desinteresse entscheiden.

Wer steckt hinter Robocop2010?

Die eine fühlt sich eher angesprochen von Usern mit Nick-Names wie "Hyperion", die andere mag lieber den Typ "Robocop2010". Einige Damen können sich bestimmt für die Zuschriften der vielleicht phantasiearmen, dafür bodenständigen Kandiaten mit 08/15-Namen à la "Andreas123" erwärmen. Gleichzeitig wird nicht jeder Mann "Pferdestehlerin" oder "diekleinehexe" kennenlernen wollen. Die Chance, dass sich "Penthesilea" auf ein Treffen mit "beachbomber" einlässt, erscheint ähnlich gering wie auf Schnee auf Bora Bora.

Trotz vieler Zuschriften kommt also nicht zwangsläufig Hochstimmung auf. Außerdem scheinen nicht alle Absender mein Profil wirklich durchgelesen haben. Statt irgendein Detail daraus aufzugreifen, erfolgt ein standardisiertes Bewerbungsschreiben, in dem der Absender seine Persönlichkeit als Agglomeration von Hobbies darstellt, dazu detailliertere Vorstellungen an die Zukünftige ("unkompliziertes, gut gelauntes Mädel, das mich zum Lachen bringt, NR werden bei gleicher Qualifikation und Eignung bevorzugt").

Derartige Zuschriften hinterlassen einen ähnlich ratlos wie Mails à la "hi, süßes lächeln, freu mich über eine antwort, lg, flo". Ein Freund versichert mir jedoch, dass diese Beispiele gelungener Sackgassenkommunikation keine männliche Domäne seien, was ich anerkennen muss, nachdem er eine seiner Online-Dating-Zuschriften zitiert: "hi, schönes foto, bussi xy".

Was auffällt: Viele User, die diese Copy-Paste-Post versenden, sind mitunter bereits mehrere Jahren auf der Singlebörse registriert. Seitdem suchen sie und scheinen nicht viel an ihrem Profil, an ihrer Strategie geändert zu haben. Woraus gefolgert werden darf, dass Online-Dating eben nicht unbedingt das ist, wofür viele Leute es halten: Eine Möglichkeit, schnell und effektiv, bequem von zu Hause aus einen Partner zu finden, ohne sich in freier Wildbahn Körbe, whisky-cola-bekleckerte Hemden, eine leere Kasse und Kopfschmerzen einzuhandeln.

Wer weder Zeit noch Mühe investieren will, dem wird wohl auch im Internet kaum Dating-Erfolg beschieden sein. Zudem zählt auch hier in einem gewissen Maß das gleiche wie in der Realität: ein sympathischer Eindruck und beim Erstkontakt den richtigen Ton zu treffen. Profilbilder mit vor Glücksschmerz verzerrten Gesichtern beim fast schon obligatorischen Marathonzieleinlauf sprechen einfach nicht jede Frau an, ebenso wenig wie nicht alle Männer Frauen kennen lernen wollen, die "irgendwie total verplant sind, smile" und "manchmal gerne was Verrücktes machen".

Und um den richtigen Ton zu treffen gehört - wie auch im richtigen Leben - einfach etwas Übung sowie die Bereitschaft, etwas anderes auszuprobieren, wenn die eingeschlagene Strategie keinen Erfolgt zeigt. Weder ellenlange Herzensergüsse von Möchtegern-Melancholikern, noch knappe Standardmails dürften auf die gewünschte Zustimmung stoßen. Immerhin waren von den vielen Zuschriften bislang ein bis zwei dabei, bei denen ein Treffen mit den Absendern nicht völlig jenseits des Vorstellungshorizontes liegt und auf deren weitere Zuschriften ich gespannt bin.

Vorläufiges Fazit: Die Partnersuche per Singlebörse und Kontaktanzeige kann ganz schön schlauchen. Sie zwingt den Single in seiner physischen Obdachlosigkeit, sich über grundsätzliche Dinge Gedanken zu machen. Möchte ich wirklich jemanden kennenlernen, der mich (genauer gesagt: mein Profil-Ich, das etwas schief aus dem PC strahlt) kennenlernen will? Bin das überhaupt ich - "attraktiv, charmant, exzellente Köchin" oder nur mein Großmaul?

Oder, anders ausgedrückt: Um sich bei der Partnersuche Kopfschmerzen einzuhandeln, muss man sich nicht von einem Satzfetzen absondernden Stehkragenträger mit Whisky-Cola bekleckern lassen. Das funktioniert auch schnell und effizient von Zuhause aus.

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