Guten Morgen! Haben Sie es heute wieder nicht geschafft, zu Hause zu frühstücken? Geht mir auch oft so. Dann flitze ich auf dem Weg in die Arbeit in eine Bäckerei, "einen Cappuccino zum Mitnehmen, bitte!" Rein in die U-Bahn, das Handy in der einen, den Kaffee in der anderen Hand. Rolltreppe wieder hoch, Becher in den Müll - ach, der ist schon voller Becher, na ja, einer geht noch rein.
Auch Kaffeepausen im Büro sehen im SZ-Hochhaus oft so aus: Mit dem Aufzug runter, "ein Cappuccino zum Mitnehmen, bitte", mit dem Becher in der Hand wieder hoch, Schlürfen am Schreibtisch. Nur den Espresso nach dem Mittagessen gibt es eventuell aus der Porzellantasse - wenn denn Zeit ist. Nach Feierabend liegen im Viererbüro neun Plastikbecher im Müll.
Warum sind To-go-Becher so beliebt?
Der Kaffeebecher ist DAS Accessoire des immer erreichbaren und sehr beschäftigten Großstädters. So ein Kaffeebecher in der Hand signalisiert: Ich habe es eilig, ich bin wichtig - und ich habe das Geld, ein paar Euro für ein Getränk auszugeben, dessen Herstellungskosten bei einem Bruchteil davon liegen.
Ist ja auch alles sehr bequem. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, ob ich alle Zutaten vorrätig habe. Während ich in der Warteschlange stehe, kann ich auf meinem Smartphone herumdrücken und mir zumindest einbilden, ich spare gerade Zeit. Der Plastikdeckel bewahrt mich davor, mich mit brauner Brühe zu bekleckern, wenn ich Kaffee, Handy und Handtasche durch die Gegend balanciere. Und irgendwie mag ich es auch, das Kaffeemilchgemisch aus dem kleinen Loch zu saugen. Ich mag es fast lieber als das Trinken aus der Porzellantasse.
Kaffee ist viel mehr als ein einfaches Heißgetränk, sogar mehr als ein Genussmittel. "Kaffee ist der Schmierstoff einer Welt, die erstens arbeitet - und zweitens immer zu früh am Morgen damit anfängt", schreibt Michalis Pantelouris auf jetzt.de und weiter: "'sich auf einen Kaffee treffen' kann - vom unverbindlichsten Feindkontakt bis zum zeitsparenden Auf-den-neuesten-Stand-Bringen unter besten Freunden oder Kollegen - jede soziale Funktion erfüllen, die man sich nur vorstellen kann."
Zum Beispiel die der Pause. Mit den Worten "Ich geh' mir einen Kaffee holen" den Arbeitsplatz für ein paar Minuten zu verlassen, ist gesellschaftlich so akzeptiert, dass es um das Getränk oft nur an zweiter Stelle geht. An erster Stelle steht das Bedürfnis, ein paar Schritte zu gehen und woanders hinzugucken als auf den Computerbildschirm.
Warum sind To-go-Becher so problematisch?
Doch dieses Bedürfnis müsste doch auch ohne Plastikbecher zu stillen sein! Nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) werfen die Deutschen jährlich 2,8 Milliarden Coffee-to-go-Becher in den Müll. Pro Tag wären das 7,6 Millionen oder 320 000 Stück pro Stunde. Wie viele Ressourcen das kostet, hat die Umwelthilfe ebenfalls ausgerechnet: Für die Herstellung sind unter anderem 1,5 Milliarden Liter Wasser, 64 000 Tonnen Holz und 22 000 Tonnen Rohöl nötig, denn Recyclingmaterialien dürfen für Lebensmittelverpackung nur eingeschränkt verwendet werden. Der Energieverbrauch entspricht dem jährlichen Strombedarf der mecklenburg-vorpommerschen Landeshauptstadt Schwerin.
Nach weniger als 15 Minuten in der Hand landet der Becher im Müll, womit die Probleme weitergehen: Viele Städte sind nicht auf die To-go-Becher-Massen eingestellt, weswegen öffentliche Abfalleimer überfüllt sind und die Becher am Straßenrand herumliegen. In Recyclingsysteme schaffen es die Papp-Plastik-Dinger so gut wie nie - und selbst wenn, bringt das wenig. Da sie aus Mischmaterial bestehen ( mehr dazu siehe Grafik), sind sie weder in der Papiertonne noch im Plastikmüll gut aufgehoben und werden einfach verbrannt. Für Günter Dehoust, Abfallexperte vom Öko-Institut in Berlin, ist die To-go-Mentalität der Deutschen der Hauptgrund dafür, dass die Müllmenge jedes Jahr ansteigt - neben unserem Faible für den Versandhandel.
Nichts davon ist neu oder überraschend. Dass To-go-Becher eine Umweltkatastrophe sind, ist auch denen klar, die nicht bei der Deutschen Umwelthilfe nachgelesen haben - sie ignorieren es nur. Ich kann das gut nachvollziehen.
Alternative 1: Der Mehrwegbecher
Ich versuche es trotzdem mal mit Mehrweg und kaufe ein grünglänzendes Gefäß bei einer bekannten Kaffeekette. Das Problem ist, dass hier sehr viel mehr Flüssigkeit hineinpasst als mein kleiner Standardcappu und dass die Baristas meines Vertrauens es immer gut mit mir meinen. Das Ergebnis ist kein Kaffee, sondern eine lauwarme Milchbrühe, durch die schon mal eine Espressobohne geschwommen ist.
Die meisten Mehrwegbecher, die es gibt, fassen 355 oder gar 473 Milliliter (bei Starbucks entspricht das den meistverkauften Größen Tall und Grande). Viele deutsche Cafés und Bäckereien verkaufen aber deutlich kleinere Portionen. Nachdem der Hinweis - "Nicht so viel Milch, bitte!" leider fast nie ankommt, mache ich mich auf die Suche nach einem Becher in der perfekten Größe, werde in den Läden vor Ort aber nicht fündig. Die Lösung wartet im Internet: Mitnehmgefäße in allen Größen und Farben zum Selbstdesignen gibt es zum Beispiel hier. Ich bestelle mit schlechtem Gewissen, schließlich habe ich noch Günter Dehousts Kritik am Versandhandel im Ohr. Doch diese Bestellung dient einem guten Zweck.
Mit dem bunten Tässchen habe ich eine Lösung fürs Büro und den Weg dahin gefunden und nach einer Weile gewöhne ich mich auch daran, sie nach jeder Verwendung zu spülen (okay, ehrlich gesagt: vor der nächsten). Ja, das war schwierig und dass es so schwierig war, ist mir auch ein bisschen peinlich. Doch wer in seinem beruflichen Alltag keine 45 Sekunden Zeit findet, um einen Becher unters heiße Wasser zu halten, der hat zu viel Stress - oder bildet ihn sich ein.
Ein häufiges Argument gegen Mehrwegbecher ist die Hygiene, manche Cafés behaupten, sie dürften keine von Kunden mitgebrachten Behälter befüllen. Das stimmt jedoch nicht. In der Lebensmittelhygieneverordnung spricht nichts gegen Mehrwegbehälter, sofern diese sauber sind und den Abfüllstutzen der Kaffeemaschine nicht berühren.
Alternative 2: Eine echte Pause machen
Für unterwegs ist der Unterwegsbecher aber nichts für mich. Ihn immer herumzutragen für den eventuellen Fall, dass ich irgendwo einen Cappuccino trinken möchte? Finde ich blödsinnig. Kaffee im Gehen habe ich daher komplett gestrichen. Den ersten Kaffee gibt es zu Hause beim Frühstück. Im Laufe des Tages habe ich entweder Zeit, mich fünf Minuten hinzusetzen und aus der Porzellantasse zu trinken - oder ich lasse es ganz.
Als Einschränkung empfinde ich das nur kurz, dann merke ich: Es ist ein Gewinn. Nicht nur die Umwelt leidet unter unserem To-go-Lifestyle, auch wir selbst. Morgens trinken wir unseren Kaffee im Laufen, der Vormittags-Smoothie kommt im Plastikbecher, unser Mittagessen löffeln wir vor dem Rechner aus der Styroporschale und abends lassen wir den Lieferservice Sushi in der Plastikbox an unsere Haustür bringen. Danach ist der Abfalleimer voll - und wir kurz vor dem Burn-out, weil wir für Genuss und Entspannung mal wieder keine einzige Minute übrig hatten.
Natürlich gibt es die Tage, an denen wirklich keine Zeit für eine Pause da ist - und wenn es dann mal was aus der Packung gibt, macht das weder die Umwelt noch mich selbst kaputt. Doch sie sind selten. Viel öfter habe ich mir diese Zeitnot eingebildet und aus der praktischen Ausnahmelösung "to go" einen Alltagslifestyle gemacht. Ein- bis zweimal am Tag vor einer Tasse Heißgetränk eine kleine Pause zu machen, tut gut. Manchmal lässt es sich mit einem kleinen Ratsch unter Kollegen verbinden, manchmal gucke ich ein Loch in die Luft und mir kommt genau dann eine Idee, nach der ich schon verzweifelt gesucht habe.
Mein Fazit ist daher: Wer in seinem Alltag nur Zeit für Kaffee zum Mitnehmen aus dem Plastikbecher findet, hat zu viel Stress und sollte das ändern - nicht nur wegen der Umwelt.
Drei Tipps zum Nachmachen:
- Kein Kaffee: Gar keine Zeit? Dann auch gar kein Kaffee.
- Eine echte Kaffeepause: Fünf Minuten sind fast immer drin.
- Kaffee aus dem Mehrwegbecher ist eine gute Lösung fürs Büro oder den Weg zur Arbeit.