Süddeutsche Zeitung

OECD-Studie:Deutsche Kinder - unzufrieden trotz hoher Lebensqualität

  • Einer OECD-Studie zufolge haben deutsche Kinder ein materiell gesehen gutes Leben, jedoch liegt ihre Zufriedenheit unter dem OECD-Durchschnitt.
  • Als Grund dafür gibt ein Drittel der Befragten unter anderem Lärm-, Abgas- oder Geruchsbelästigung an. Vollständig erklären lässt sich die Diskrepanz jedoch nicht.
  • Die Voraussetzungen für Kinder aus Ober- und Unterschicht unterscheiden sich der Studie zufolge stark.

Von Martin Schneider, Berlin

OECD stellt "How's Life"-Studie vor

Für Zahlenmenschen sind diese Tage sehr ertragreich. Wer die Welt gerne in Tabellen, Grafiken und Balkendiagrammen erklärt bekommt, der hat nun innerhalb von zwei Tagen genug zum Lesen und Rechnen gekriegt, um damit etliche Stunden zu verbringen.

Am Dienstag erst wurde die Shell-Jugendstudie zur Lage der Jugend in Deutschland vorgestellt, an diesem Mittwoch präsentierte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Berlin eine umfassende statistische Analyse der 34 Industrienationen der Welt. "How's Life?-Bericht" hat sie den Report genannt, er ist 300 Seiten lang und will nicht weniger als herausfinden, wie es den Menschen in den betreffenden Staaten so geht.

Diskrepanz zwischen Lebensqualität und Zufriedenheit nicht vollständig erklärbar

Ein Kernpunkt: Deutschen Kindern geht es ziemlich gut, sie empfinden das aber nicht unbedingt so. Kinder hätten hierzulande "tendenziell bessere materielle Lebensbedingungen als der Durchschnitt der Kinder in der OECD", heißt es in dem Bericht. Fragt man deutsche Kinder im Alter von elf, 13 und 15 Jahren, wie sie ihre persönliche Lebenszufriedenheit empfinden, liegt der Wert allerdings im unteren Drittel aller Staaten.

"Wir können diese Diskrepanz nicht vollständig erklären", sagte Paul Schreyer, stellvertretender Direktor des OECD-Statistikdirektorats. "Wir wissen nur, dass Südamerikaner eher dazu neigen, ihre eigene Lage positiv einzuschätzen als Deutsche."

Eine mögliche Erklärung: Fast jedes dritte deutsche Kind (31,7 Prozent) lebt nach eigenen Angaben in Wohnungen mit Lärm-, Abgas- oder Geruchsbelästigung, also unter unzureichenden Umweltbedingungen. Der OECD-Durchschnitt liegt hier bei 21,6 Prozent. Auch die deutschen Erwachsenen glänzen nicht gerade mit Lebenszufriedenheit. Sie liegen zwar immerhin auf Platz 14 von 34. Die Schweizer sind bei ähnlichen Voraussetzungen aber zum Beispiel zufriedener mit ihrem Leben. Auch wenn man Deutsche gezielt fragt, wie sie denn etwa ihre eigene Gesundheit einschätzen würden, bewerten sie diese im Schnitt schlechter als Menschen in anderen Industrienationen.

Ungleiche Voraussetzungen für Kinder aus Unter- und Oberschicht

Davon abgesehen stützt der OECD-Bericht eine Erkenntnis, die auch die Shell-Jugendstudie zeigte: die ungleichen Voraussetzungen für Kinder im deutschen Bildungssystem. Kinder aus wohlhabenderen und gebildeteren Familien sind oft gesünder und fühlen sich in der Schule wohler als Kinder aus einfacheren Verhältnissen. Letztere wiederum geben seltener an, dass sie ihre Klassenkameraden als freundlich und hilfsbereit empfinden - im Gegenteil, sie werden häufiger gemobbt als andere Kinder.

Das ist allerdings kein deutsches Phänomen, die Studie zeigt über die OECD hinweg ein einheitliches Bild: Auch bei der Lese- und Problemlösungsfähigkeit, in der Kommunikation mit den Eltern und auch bei der Absicht, als Erwachsene wählen zu gehen, schneiden Kinder aus "wirtschaftlich und kulturell ärmeren Familien" schlechter ab. Wächst die Ungleichheit der Eltern, dann schrumpfen damit auch die Möglichkeiten der Kinder, so die Studie.

Rechnet man alle elf Indikatoren aus Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Wohlbefinden und Umwelt zu einem Index der Lebenszufriedenheit zusammen, belegt Australien vor Schweden und Norwegen den ersten Platz. Auf den letzten Plätzen stehen Chile, die Türkei und Mexiko. Deutschland belegt den 13. Rang, allerdings bewegt sich die erste Hälfte der Nationen auf einem vergleichbaren hohen Niveau.

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