Süddeutsche Zeitung

Obama und Leibovitz:Die Sekunde des Glücks im Weißen Haus

Ein schönes Bild: Annie Leibovitz hat die First Family fotografiert. Barack Obama und die Seinen, das macht die Amerikaner fröhlich.

Sarina Pfauth

Ein Bild von einer Familie: Sicherlich ist das Eltern-Kinder-Foto, das am Wochenende vom Weißen Haus veröffentlicht wurde, ein politisches Bild. Und wahrscheinlich stand hinter Star-Fotografin Annie Leibovitz eine Horde von Imageberatern, die gute Vorschläge gemacht haben.

Natürlich passt dieses Foto, das die US-Regierung auf die Internet-Fotoseite "Flickr" und das Online-Netzwerk "Facebook" gestellt hat, hervorragend in die Reihe jener Bilder, die bisher von Familie Obama an die Öffentlichkeit gelangt sind: Michelle Obama gräbt ein Gemüsebeet um, die achtjährige Sasha rennt ihrem heimkehrenden Papa entgegen (zufälligerweise sind Fotografen da!), die Präsidentengattin schaukelt mit ihren Töchtern, schubst Schlitten an und lässt Hulahup-Reifen um ihre Hüfte kreisen.

Sie ist die Super-Mama, er der Super-Papa, insgesamt eine Super-Familie.

Und trotzdem: Es ist wirklich ein schönes Bild. Die 60-jährige Annie Leibovitz, die seit dem Beginn ihrer Karriere in den 70er Jahren hunderte Prominente fotografiert hat, porträtierte die First Family im Grünen Salon des Weißen Hauses so, wie man sie sehen möchte: glücklich.

"Wir sind ein Team!"

Die kleine Sasha legt ihrem Papa den Arm um die Schulter, Barack Obama hat das Jacket ausgezogen, seine Frau Michelle hält Sasha an der Hand, die elfjährige Malia kuschelt sich an ihre Mutter. Das Bild sagt: Wir Obamas halten zusammen. Wir sind ein Team. Wir sind alle eng verbunden. Und auch, wenn es schon viele solche Bilder von den Obamas gibt - man schaut doch immer wieder gerne hin.

Und warum? Weil es ja schön ist, wenn der US-Präsident und Friedensnobelpreis-Träger zuhause keine zusätzliche Kriegsfront zu bewältigen hat. Und weil es höchst wünschenswert wäre, dass Herr Obama ein netter Vater ist. Das sagt vielleicht noch nicht, dass er auch eine ganze Nation gut führen kann, aber immerhin deutet es auf charakterliche Qualitäten und soziale Kompetenzen, und die schaden schließlich auch einem Präsidenten nicht.

"Eine Inspiration für alle"

Die Amerikaner jedenfalls scheinen begeistert zu sein von dem Familienfoto: Auf der Internet-Seite der New York Times zum Beispiel kommentieren die User durchweg positiv. "Ich liebe die First Family," schreibt der Leser Yon'e, "sie sind eine solche Inspiration für alle Familien auf der ganzen Welt."

Gerade noch habe sich alle über die drohende wirtschaftliche Pleite der Star-Fotografin Leibovitz unterhalten - und schon erscheint ein Schnappschuß, der alles vergessen macht. Irak, Iran, Afghanistan, Gesundheitsreform, das alles zählte nicht mehr. Das ist die wahre, überwältigende Botschaft des Tages aus dem Weißen Haus: All You Need Is Love!

"Wunderschön", findet User Ge. Pelohoki schreibt: "Wenn ich das Foto ansehe, fühle ich mich aus irgendeinem Grund besser". Und J. Baldwin Chapman kommentiert: "Diese Familie im Weißen Haus zu sehen macht mich stolz darauf, Amerikaner zu sein". Die Obamas lächeln - und Amerika ist fröhlich.

Man möchte es dem US-Präsidenten gerne glauben und zumindest wünschen, dass sein Familienleben so harmonisch abläuft. Und vielleicht mögen sich die Obamas ja tatsächlich so gerne. Dann wären sie wohl wirklich ein Vorbild für viele Familien dieser Welt.

Die Userin Poonam Arora jedenfalls schreibt: "Die Herausforderung ist, uns selbst in diesem ikonenhaften Familienportrait zu sehen". Und vielleicht ist das ja tatsächlich der Grund, warum man so gerne hinschaut, wenn die Obamas sich als glückliche Familie inszenieren: Man hofft, das es abfärbt.

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